• 10. Juni 2010 · 20:36 Uhr

Vettel: "Bin offen für Selbstkritik"

Sebastian Vettel hat seine Meinung über die Kollision in Istanbul nicht geändert, sagt aber im Interview: "Was passiert ist, ist passiert"

(Motorsport-Total.com) - Zumindest offiziell ist bei Red Bull seit der Aussprache in Milton Keynes alles geklärt, aber fest steht auch, dass Sebastian Vettel und Mark Webber immer noch unterschiedliche Ansichten zur Kollision in Istanbul haben. Das ließ Vettel in seiner üblichen Donnerstags-Medienrunde durchblicken, in der er sich einige unangenehme Fragen stellen lassen musste.

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Sebastian Vettel will die Kollision von Istanbul endlich hinter sich lassen Zoom Download

Frage: "Sebastian, glaubst du, dass du dich für den Zwischenfall in Istanbul entschuldigen musst?"

Sebastian Vettel: "Was passiert ist, ist passiert. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Man kann es aus vielen verschiedenen Blickwinkeln sehen und man kann es jetzt nicht mehr ändern, also hätte ich im Nachhinein betrachtet nichts anders gemacht. Was passiert ist, war für uns beide schlecht und besonders für das Team, denn so haben wir McLaren ein Geschenk gemacht."

Schwierige Rennen für Red Bull

"Aber am wichtigsten ist jetzt, dass wir das hinter uns lassen. Wir fahren hier das nächste Rennen. Auf uns kommen zwei schwierige Rennen zu, aber ich bin zuversichtlich. Bisher war unser Auto auf allen Streckentypen sehr gut, daher sollte das auch hier der Fall sein, aber warten wir ab. Im Moment ist das Wetter schlecht, aber morgen und am Samstag soll es besser werden. Am Sonntag könnte es dann wieder regnen."

"Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung."
Frage: "Du nimmst die Schuld für den Unfall also nicht auf dich?"
Vettel: "Wie gesagt: Man kann es sich von außen viele Male anschauen und auch die Onboard-Kameras studieren. Dann hat jeder das Recht auf seine eigene Meinung."

Frage: "Gibst du also Mark die Schuld?"

Vettel: "Das habe ich nicht gesagt, oder?"

Frage: "Aber du gibst ihm nicht die Schuld?"

Vettel: "Von außen ist es ja leicht, aber es ist nicht so, dass man in der Situation stundenlang nachdenken kann. Bei einer Geschwindigkeit von 310 km/h geht alles so schnell, da können schon 20 Zentimeter weiter rechts oder links einen Unterschied machen."

Frage: "Du hast aggressive Manöver in der Vergangenheit kritisiert, zum Beispiel von Lewis Hamilton. Deines schien aber mindestens genauso aggressiv zu sein..."

Vettel: "Wenn man meine Onboard anschaut, dann sehe ich da keine aggressiven Momente."

Keine klaren Aussagen

Frage: "Du bist nach rechts gezogen und damit eindeutig in Mark hineingefahren. War es naiv, von Mark zu erwarten, dass er freiwillig Platz macht?"

Vettel: "Das ist deine Meinung."

"Ich habe getan, was ich getan habe, und es hat nicht funktioniert."Sebastian Vettel
Frage: "Naja, wir wollen ja deine hören..."
Vettel: "Wie gesagt: Ich habe getan, was ich getan habe, und es hat nicht funktioniert."

Frage: "Was hast du getan?"

Vettel: "Ich war nahe genug dran und habe attackiert. In der Formel 1 ist es nicht so leicht, nahe genug an jemanden heranzufahren, also spürte ich den Windschatten und wechselte dann nach innen. Ich hatte innen nicht besonders viel Raum, sondern hatte genau eine Fahrzeugbreite, was in Ordnung war. Ich hatte den Windschatten und den Geschwindigkeitsüberschuss und war mehr als eine halbe Fahrzeuglänge vorne, wollte also langsam nach rechts ziehen. Dann habe ich mich gedreht."

Frage: "Mark hatte in jener Runde seinen Motor gedrosselt. War dir bewusst, dass du vielleicht nur eine Runde haben würdest, um es zu versuchen?"

Vettel: "Es geht in der Formel 1 nicht um gestern, sondern um morgen. Ich möchte über das, was vorgefallen ist, nicht mehr viel reden. Es ist wichtig, dass wir verstehen, was passiert ist, und deshalb haben wir uns getroffen und darüber gesprochen. Aber ehrlich gesagt war das ein kürzeres Gespräch als diese Interviewrunde gerade."

"In der Presse wurde viel geschrieben, dass der Motor runtergedreht wurde, dies und jenes, aber die meisten Sachen sind nicht wahr. Alle vier Autos - Mark, ich, Lewis und Jenson - waren ähnlich schnell und es war außergewöhnlich, 40 Runden lang innerhalb von drei oder vier Sekunden zu fahren. Niemand war um eine Sekunde schneller als der andere, aber in dem Moment hatte ich das Gefühl, dass ich schneller fahren kann. Als ich nahe genug dran war, habe ich es versucht, aber es hat nicht geklappt."

Wiederholung wäre peinlich

Frage: "Wirst du gegen Mark jetzt anders antreten als vor Istanbul?"

Vettel: "Ich will die lange Geschichte abkürzen und sage: Was passiert ist, ist passiert. Es sieht natürlich extrem blöd aus, wenn so etwas zwischen Teamkollegen passiert, aber ich habe mit ihm gesprochen und wir können beide mit der Situation umgehen. Wenn es wieder passieren sollte, würden wir natürlich extrem blöd aussehen!"

Frage: "Wie sehr überrascht dich Marks derzeitige Form? Im Vorjahr hast du das Qualifyingduell 15:2 gewonnen, aber jetzt liegt er in der Weltmeisterschaft vor dir..."

Vettel: "Wenn man zurückschaut, dann hat jedes Rennen seine eigene Geschichte, und dieses Jahr war für mich bisher nicht reibungslos. Es gab viele Rennen, in denen etwas schiefging. Ich könnte das jetzt Rennen für Rennen durchgehen, aber angesichts der vielen Probleme stehen wir ja noch ganz gut da."

"Wir sind in der Weltmeisterschaft nicht dort, wo wir eigentlich sein wollten, aber andererseits ist der Rückstand nicht groß. Mit dem neuen Punktesystem schaut es nach viel aus, aber in Wahrheit ist es ziemlich wenig. Mark leistet gute Arbeit. Er war schon im Vorjahr stark und dieses Jahr auch wieder, aber ich hätte manchmal viel näher an ihm dran sein können, als das letztendlich der Fall war."

Frage: "Mark sagt, er hat ein positives Telefonat mit Dietrich Mateschitz geführt. Hast du auch etwas Positives gehört?"

Vettel: "Es gibt niemanden im Team, mit dem ich nicht auskomme, ganz egal ob das nun Christian Horner, Helmut Marko oder Dietrich ist. Kein Problem."

Frage: "Du bist als aufstrebender Star in diesem Sport angekommen, aber Mark hat dich derzeit im Griff. Wie gehst du damit um?"

Vettel: "Ganz egal in welchem Sport, aber wenn du glaubst, du bist unbesiegbar, dann ist das nicht besonders intelligent. Es gibt immer jemanden, der besser ist als du. Aber es geht nicht um den Anfang, sondern um das Ende."

Keine Aufgabe im WM-Kampf

"Noch sind viele Rennen zu fahren. Ich habe bereits gesagt, dass es bisher nicht reibungslos gelaufen ist, aber so ist das Leben. Wie ich damit umgehe? Ich kümmere mich nicht wirklich darum. Ich schaue nach vorne, weiß, was ich kann, glaube an mich und glaube in uns. Da macht es keinen Sinn, sich mit solchen Gedanken zu befassen."

Frage: "Wie schätzt du deine WM-Chancen ein?"

Vettel: "Besser als im Vorjahr."

"Die Dinge können sich schnell ändern."Sebastian Vettel
Frage: "Wird es ein Kampf zwischen dir und Mark oder siehst du auch die McLarens als ernsthafte Gegner?"
Vettel: "Natürlich stehen wir nach dem, was in der Türkei passiert ist, besonders im Rampenlicht, auch die Rennen davor schon. Man darf aber die anderen nicht vergessen: Ferrari; Mercedes ist vielleicht ein bisschen weiter weg, was die Punkte angeht, aber die Dinge können sich schnell ändern."

"Wir müssen sicherstellen, dass weiterhin hart gearbeitet wird, und wir bringen laufend neue Teile, um das Auto schneller zu machen. Gelingt das nicht, dann fällst du ganz schnell hinter andere Autos zurück. Du weißt nie, was die anderen machen, daher kann es sich wie gesagt sehr schnell ändern. Da geht es nicht nur um uns."

"Den Punkten nach ist es ganz einfach: Ein paar Autos liegen innerhalb von wenigen Punkten und selbst Renault ist mit Robert Kubica noch nicht so weit weg. Es sind schon einige Punkte, aber man darf nicht vergessen, dass man dieses Jahr viel mehr Punkte sammeln kann. Rechnet man den Stand ins alte Punktesystem um, dann sind die Abstände nicht groß. Das Wichtigste ist, konstant zu sein."

Scherze über Drosselung des Motors

Frage: "Als du zu Mark aufgeschlossen hast, bist du zwei Runden lang um vier Zehntelsekunden schneller gefahren als davor. Warum warst du plötzlich so schnell?"

Vettel: "Jetzt könnte ich die Verwirrung fortsetzen und sagen, dass ich meinen Motor hochgedreht habe. Also bin ich die 19.000 Touren ausgefahren."

"Was ihr schreibt, kann ich nicht beeinflussen."Sebastian Vettel
Frage: "Eines der Themen, das durch die Kollision diskutiert wurde, ist das Investment von Red Bull in dich und der Wunsch, der daraus entstehen könnte, dass du derjenige sein sollst, der Weltmeister wird. Die Leute mögen so einen Anspruch nicht. Bereust du es, dass du so gesehen wirst?"
Vettel: "Was ihr schreibt, kann ich nicht beeinflussen. Ihr habt alle eure Meinungen und an euren Artikeln kann man ablesen, was ihr denkt. Wir tun, was wir tun. Manchmal liest man etwas gerne, manchmal weniger."

"Wenn man es nüchtern sieht, dann kann ich nicht erkennen, dass bei uns ein Fahrer bevorzugt wird. Bisher sind bei mir viele Teile kaputt gegangen, also waren wir nicht die Glücklichsten, aber wir haben trotzdem viele Punkte gesammelt und befinden uns in einer guten Ausgangsposition für die Weltmeisterschaft. Damit muss man umgehen, aber unterm Strich ist es am besten, sich auf die Dinge zu konzentrieren, auf die es ankommt."

Frage: "Du bist ein ehrgeiziger Mensch, da fällt es manchmal schwer, einen Fehler einzugestehen. Michael Schumacher ist ein gutes Beispiel dafür. Kannst du das besser?"

Vettel: "So, wie ich aufgewachsen bin, ist mir Ehrlichkeit besonders wichtig. Wenn ich einen Fehler mache, dann bin ich der Erste, der die Hand hebt und es zugibt. Da könnt ihr jeden in der Garage fragen."

"Ich bin offen für Selbstkritik und ich versuche mich zu verbessern. Ich springe nicht aus dem Auto und schimpfe, dass es ein Scheißauto ist, wenn es nicht besser geht. Wenn ich etwas selbst nicht hinbekomme, hebe ich die Hand und stehe dazu. Ich habe kein Problem mit so etwas. Das ist im Leben auch wichtig, sonst wird man von diesen Dingen irgendwann eingeholt."

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