• 29. Mai 2010 · 15:36 Uhr

Haug-Interview: "Platz drei war drin"

Norbert Haug analysiert das Qualifying in Istanbul und glaubt, dass seine Silberpfeile in diesem Jahr noch Grands Prix gewinnen werden

(Motorsport-Total.com) - Mercedes-Sportchef Norbert Haug will nicht dauerhaft in der dritten Startreihe kleben bleiben, aber im heutigen Qualifying in Istanbul konnte er mit diesem Ergebnis recht gut leben. Denn seine Silberpfeile scheinen von der Pace her näher an der Spitze dran zu sein als noch vor drei Wochen in Barcelona, was den Deutschen daran glauben lässt, dass Michael Schumacher und/oder Nico Rosberg noch diese Saison einen Grand Prix gewinnen werden.

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Norbert Haug setzt weiterhin großes Vertrauen in Michael Schumacher Zoom Download

Frage: "Herr Haug, Sie scheinen zufrieden zu sein, wenn ich Ihren Gesichtsausdruck richtig interpretiere, oder?"

Norbert Haug: "Ja, aber ich glaube sogar, dass noch ein bisschen mehr drin war. Bis zum dritten Platz fehlt Michael eine Zehntel. Leider hat er sich im letzten Versuch in Kurve acht gedreht. Aber wir haben beide Ferraris geschafft und auf die zweite Startreihe fehlt weniger als ein Zehntel."

Noch eine halbe Sekunde Rückstand

"Platz drei war drin - und Platz drei ist derzeit sicherlich die Pole für das Restfeld hinter den Red Bulls. Das war grundsätzlich möglich. Insgesamt sind wir etwas mehr als eine halbe Sekunde hinter der Spitze, hinter der Pole-Position von Mark Webber, der wirklich sehr gut drauf ist. Dreimal auf Pole ist stark, aber wir arbeiten auch in die richtige Richtung. Das merkt man hoffentlich."

Frage: "Wie macht sich denn das F-Schacht-System bei Ihnen bemerkbar?"

Haug: "Das ist ein Teil, das Zeit gewinnt. Wenn wir als typische Rennstrecke zuletzt Barcelona nehmen, dann waren wir da noch deutlich über eine Sekunde hinten dran. Jetzt ist es auf einer etwas längeren Strecke etwas mehr als eine halbe Sekunde. Wir kommen also ran. Zu sagen, die Zeit des Drittplatzierten war heute drin, ist kein Traum - sowohl für Nico als auch für Michael."

"Nach dem Dreher für Michael konnte Nico natürlich keine Zeitsteigerung mehr erzielen, aber ich möchte denjenigen, die Michael zu früh kritisiert haben, etwas sagen: Er hat eine astreine Leistung abgeliefert. Mit einem Versuch ein Zehntel hinter Sebastian Vettel zu landen, hätte wahrscheinlich vorher keiner gedacht. Sebastian hatte ein Problem, aber auch zur Spitze sind es weniger als sechs Zehntel. Das ist immer noch nicht gut genug, aber eine Entwicklung in die richtige Richtung."

"Michael ist in guter Gesellschaft: Die Red Bulls waren dort draußen, alle möglichen Fahrer."Norbert Haug
Frage: "Wie konnte es zum Ausrutscher von Michael in der Mutkurve Turn acht kommen?"
Haug: "Da ist ne kleine Welle dazwischen. Wenn man auch noch außen auf die Curbs kommt, geht es ab. Michael ist in guter Gesellschaft: Die Red Bulls waren dort draußen, alle möglichen Fahrer. Zum Glück ist nichts passiert."

Frage: "Was passiert jetzt mit dem Auto?"

Haug: "Das wird natürlich geprüft. Es sieht alles okay aus, aber die Ferndiagnose ist nicht das Richtige. Dazu haben wir die Techniker, die Mechaniker. Dann schauen wir, dass wir alles in Ordnung bringen, morgen einen guten Start haben und uns hoffentlich weiter steigern können."

Frage: "Am Saisonbeginn sah es so aus, als könnte Michael Nico kaum hinterherhecheln, aber jetzt scheint er all seine Kritiker Lügen zu strafen. Er ist wirklich zeitgleich..."

Haug: "Für mich sah es nie so aus. Wir haben viele Interviews geführt und ich habe am Jahresanfang auch immer das Gleiche gesagt. Genauso ist es. Nico hat es auf den Punkt gebracht. Wenn man von weniger als einem Zehntel zwischen zwei Fahrern spricht, dann ist man sicherlich gut ausgerüstet."

Keine Zweifel an den Fahrern

"Beide hatten heute keine zwei Versuche, sonst wäre vielleicht noch mal ein Zehntel drin gewesen. Damit würden wir in Reihe zwei stehen. Das ist möglich grundsätzlich. Insgesamt fehlt uns noch einiges auf die Spitze, aber wir haben gesagt, dass Michael es kann. Wir haben gesagt, wenn wir ein siegfähiges Auto haben, können Michael und Nico gewinnen. Wenn unser Auto den Standard der Spitzenautos hat, fahren wir um Platz eins und zwei. Das ist für mich absolut hundertprozentig sicher."

Frage: "Mark Webber scheint im Moment extrem stark zu sein. Glauben Sie, dass Sebastian Vettel nun unter Druck gerät?"

Haug: "Sicher ist er unter Druck, aber es gibt keinen, der in der Formel 1nicht unter Druck ist. Ich bin jemand, der auch in solchen Situationen an Fahrer glaubt - und ich glaube an Sebastian. Das Pendel schwingt hin und her. Mark kenne ich seit 1997, als er bei uns mit Bernd Schneider zusammen als Juniorfahrer in der GT-Serie gefahren ist. Da haben wir lange zusammengearbeitet. Er ist ein großes Talent, hat lange gearbeitet, hatte es nicht leicht und hat den Erfolg sicherlich verdient."

Frage: "Vettel fuhr heute mit gebrochenem Stabilisator. Das erklärt natürlich seine Schwierigkeiten, nicht wahr?"

Haug: "Sicher, das relativiert alles. Er ist nicht vier Zehntel langsamer als Mark. Aber das gehört dazu - das ist auch beim Fußball so. Aber Sebastian kann das und wird sicherlich zurückschlagen. Vom dritten Platz zu starten, ist nicht so viel schlechter als vom ersten. Er ist ein Sieganwärter für morgen, ganz klar."

"Vielleicht können wir profitieren, wenn es in der Spitzengruppe ein Gemenge gibt - wir werden sehen. Aber Sebastian ist für mich absolut auf WM-Kurs, kann den Titel gewinnen. Natürlich hat er mit Mark einen starken Partner und Rivalen im Team, aber so soll es ja auch sein."

Frage: "Glauben Sie, dass Mercedes dieses Jahr noch ein Rennen gewinnen kann?"

Haug: "Das nehme ich schon an - wir arbeiten dran! Aber mir soll mal einer sagen, dass Michael keinen Biss hat! Das Überholmanöver in Barcelona vor zwei Rennen gegen Jenson Button war allererste Klasse und das Überholmanöver gegen Alonso in Monte Carlo hat das auch wieder gezeigt."

"Ich habe dazu nach wie vor meine Meinung, auch wenn wir das Ganze jetzt nicht noch einmal aufrollen. Die Attacke hier war auch toll: 'Ich habe im ersten Sektor was verloren, also will ich es im zweiten wieder gutmachen!' Ich glaube, dass wir uns auf einen sehr, sehr guten Michael freuen dürfen. Die Diskussion, ob er es noch kann - die ich nie geführt habe -, die hat jetzt irgendwann mal ein Ende..."

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