• 14. März 2010 · 17:55 Uhr

Vettel enttäuscht: "Shit happens!"

Sebastian Vettel ärgert sich im Interview über den verlorenen Sieg in Bahrain, nimmt aber viel Positives für die nächsten Rennen mit

(Motorsport-Total.com) - Als in Runde 34/35 die beiden Ferraris am bis dahin führenden Sebastian Vettel vorbeizogen, schien es schon so, als sei der Grand Prix von Bahrain für den Red-Bull-Piloten beendet. Doch Vettel kämpfte tapfer weiter, ging mit seinem Renningenieur alle möglichen Sensoren durch und schleppte sich mit einem defekten Auto - eine kaputte Zündkerze, wie das Team inzwischen bekannt gegeben hat - irgendwie ins Ziel.

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Enttäuscht: Sebastian Vettel hätte sich heute 25 Punkte verdient gehabt Zoom Download

Fernando Alonso, Felipe Massa und Lewis Hamilton waren für ihn nicht zu halten, aber gegen Ende konnte Vettel wieder zulegen und im Mittelsektor seiner letzten Runde erzielte er sogar persönliche Bestzeit, sodass der von hinten heranstürmende Nico Rosberg keine Chance mehr hatte. Da war sogar Red-Bull-Konsulent Helmut Marko baff: "Du bist in der letzten Runde noch grün gefahren im Mittelsektor. Sensationell, wirklich", lobte der Österreicher, bevor sich Vettel den Journalisten stellte.

Keine Freude über Platz vier

Frage: "Sebastian, vierter Platz, aber über den wirst du dich wahrscheinlich nicht besonders freuen, oder?"

Sebastian Vettel: "Es war ein ziemlich souveränes Rennen mit einem exzellenten Start und einem exzellenten ersten Stint. Wir sahen mit den Supersofts besser aus als alle anderen - entgegen der Vorhersagen der meisten Fachleute. Im ersten Stint hatten die Ferraris mit den Reifen größere Probleme als wir. Fernando kam zwischendurch mal näher, aber er realisierte schnell, dass seine Reifen nicht durchhalten, wenn er so weitermacht. Das ist ein extrem gutes Zeichen."

"So konnten wir es uns erlauben, eine Runde nach den Ferraris hereinzukommen, wodurch wir natürlich ein bisschen verloren haben. Trotzdem sah es bis zum Auftreten des Defekts sehr gut aus und ich hatte die Lage zu jedem Zeitpunkt unter Kontrolle. Was genau passiert ist, weiß ich noch nicht. Ich hatte einfach keinen Dampf mehr auf der Kette. Entweder hat es eine Pumpe erwischt oder der Auspuff war kaputt, wonach es am ehesten aussieht. Sollte das der Fall sein, kann ich von Glück reden, überhaupt durchgekommen zu sein. Ich bin immerhin Vierter geworden."

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Keine Chance: In Runde 35 wurde Sebastian Vettel von Massa überholt Zoom Download

"Am Ende schien es sogar ein bisschen besser zu werden, als weniger Benzin im Auto war, aber das hat natürlich trotzdem enorm gekostet. Die Ferraris sind an mir vorbeigefahren, als wäre ich gar nicht da, weil wir auf den Geraden Leistung verloren haben. Jedes Mal, wenn ich aufs Gas stieg, hatte ich weniger Leistung, also musste ich auf der Bremse und in den Kurven umso mehr pushen. Zum Glück waren meine Reifen noch in Ordnung, weil ich die am Anfang geschont hatte. Das war das Geheimnis, das mir am Ende den vierten Platz gerettet hat, aber eigentlich hätte ich gewinnen müssen."

Frage: "Ließ die Leistung plötzlich nach?"

Vettel: "Ja, ganz plötzlich. Ich hörte ein merkwürdiges Geräusch und meldete das sofort dem Team. Ich dachte gleich an den Auspuff, einfach vom Geräusch her. Wenn du Pech hast, dann scheidest du mit einem gebrochenen Auspuff oder auch nur einem Loch aus. Zum Glück konnten wir weiterfahren. Ich bin schon gespannt, was es nun wirklich war."

Frage: "Wo hast du die Extra-PS gefunden, um Nico Rosberg hinter dir zu halten?"

Vettel: "Ich weiß es nicht. Ich bin auf den Geraden teilweise zick-zack gefahren, um das Auto zu bewegen und auf diese Weise vielleicht das Problem zu lösen. Gegen Ende wurde es besser, sodass ich wieder mehr Power hatte, aber besonders aus den langsamen Kurven heraus dauerte es ewig, bis ich auf Speed kam. Meistens musste ich auf den Geraden gar nicht mehr in den siebten Gang schalten, weil ich dafür nicht mehr genug Leistung hatte."

Sicheren Sieg verloren

"Die Rundenzeit kam am Ende, weil ich wie ein Verrückter gepusht habe, vor allem im zweiten Sektor. Der vierte Platz ist gut, denn je mehr Punkte du mitnehmen kannst, desto besser. Aber vor Nico und Michael zu sein, bedeutet ziemlich wenig, wenn man das Rennen hätte gewinnen können. Unser Ziel war der Sieg. Wir waren da auch sehr gut unterwegs, aber Shit happens! Grundsätzlich können wir aber guter Dinge sein, denn wir haben das Rennen locker kontrolliert, konnten die Reifen schonen, auf die Bremsen achten. Es sah wirklich sehr gut aus."

Frage: "Hast du in den letzten zehn Runden schon zu rechnen begonnen, ob du den vierten Platz noch retten kannst?"

Vettel: "Natürlich habe ich überlegt, denn ich wusste ja nicht, ob es noch schlimmer wird. Die letzten fünf Runden habe ich einfach voll gepusht, vor allem die letzten zwei Runden. Ich musste noch auf die Reifen achten. Auf den Geraden, wo du die Zeit am leichtesten gewinnen kannst, haben wir am meisten verloren. Das musste ich in den Kurven gutmachen, was nicht einfach war."

Frage: "Wie hart musstest du da kämpfen?"

Vettel: "Sehr hart! Geradeaus, das kann auch ein Affe, aber in den Kurven habe ich versucht, die Kiste fliegen zu lassen. Das hilft halt nicht viel, wenn es auf den Geraden nicht geht."

Frage: "Hat dir das Team am Funk gesagt, wie du die Situation managen kannst?"

Vettel: "Nicht wirklich. Es gab ja nichts, worauf ich mich hätte einstellen können - es fehlte halt einfach an Leistung. Die letzten 15 Runden waren die Probleme da, aber ich konnte nicht 15 Runden pushen wie irre, sonst wären die Reifen hinüber gewesen. Also musste ich mich erst im Zaum halten und dann später zulegen. Aber ich habe eine Menge Zeit verloren, keine Frage."

Frage: "Ärgerst du dich, dass es nicht einmal ein Podium geworden ist?"

Vettel: "Schon ein bisschen, denn sie haben hier mit die schönsten Pokale der ganzen Saison. Champagner habe ich keinen verpasst, denn den gibt es hier ja bekanntlich nicht. Aber gut, es ist wichtig, ins Ziel zu kommen, denn wir brauchen die Punkte. Der vierte Platz ist kein schlechtes Ergebnis, aber es wäre halt mehr möglich gewesen. Ich weiß gar nicht, wie viele Punkte ich für den vierten Platz bekomme - früher waren es fünf. Wäre alles normal verlaufen, hätte ich gewonnen."

Frage: "Ist es trotzdem eine Genugtuung, bester Deutscher zu sein?"

Vettel: "Das bedeutet mir eigentlich ziemlich wenig. Wenn man gewinnen hätte können, ist die Freude darüber sehr beschränkt."

Auto sicherheitshalber abgestellt

Frage: "Ist dir nach der Ziellinie das Benzin ausgegangen?"

Vettel: "Nein, das war nicht wegen Sprit. Ich wusste nicht, was genau los ist, also habe ich sicherheitshalber das Auto gleich abgestellt."

Frage: "Bist du besorgt, dass der Motor jetzt beschädigt sein könnte?"

Vettel: "Nein, das glaube ich nicht."

Frage: "Was sagst du zum Reglement?"

Vettel: "Ich habe vom Rennen nicht viel gesehen, aber was man mir gesagt hat, wurde nicht viel überholt - von den Überrundeten einmal abgesehen. Aber das war ja auch zu erwarten. Wir haben simuliert, wie die Rennen wahrscheinlich aussehen werden, und genau das haben wir erwartet. Aus Fahrersicht ist das Gefühl verloren gegangen, dass man jede Runde attackiert und pusht. Jetzt geht es mehr darum, die Pace zu kontrollieren und es nicht zu übertreiben. Es war ein Einstopprennen, daher wahrscheinlich nicht besonders aufregend."


Fotos: Sebastian Vettel, Großer Preis von Bahrain


Frage: "Die Rennzeiten waren am Anfang um sieben Sekunden langsamer als im Qualifying. Das muss sein, als wenn man ein schweres Boot steuert, nicht wahr?"

Vettel: "Es fehlt wie gesagt schon, dass man wirklich am Limit fighten kann - gegen die eigenen Grenzen und gegen die Gegner. Früher ist man 20 Runden voll gefahren, hat dann neue Reifen aufgezogen und man ist wieder voll gefahren. Das fehlt allen Fahrern, auch wenn es nicht alle öffentlich zugeben. Jetzt starten wir mit einem sehr schweren Auto. Dabei muss man sehr darauf achten, die Reifen nicht zu verbrennen. Das schlägt sich auf die Rundenzeit nieder. Außerdem darf man nicht zu viel attackieren."

Frage: "War es für das Überholen sogar ein Rückschritt?"

Vettel: "Heute ist nicht viel überholt worden. Natürlich kann man diskutieren, ob diese Strecke zum Überholen gut ist, aber grundsätzlich geht es auf jeder Strecke. Ich glaube, dass es schwieriger geworden ist."

Frage: "Was braucht es jetzt, damit die Enttäuschung weggeht?"

Vettel: "Nicht viel. Ich habe mir selbst nichts zuzuschreiben. Es hat halt nicht sollen sein. Ich glaube, es kommt diese Saison sehr viel Positives. Bis auf den Defekt war es ein sehr positives Wochenende, denn wir waren ab Samstagnachmittag unter allen Bedingungen unter den Schnellsten. Dass man einen Schaden hat, kommt vor. Ich hatte alles unter Kontrolle, die Strategie, die Reifen. Unser Auto funktioniert - im Qualifying wie im Rennen. Das stimmt mich optimistisch."

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