Vettel: "Wir sind hier, um zu gewinnen!"
Sebastian Vettel erklärt im Interview vor dem Saisonbeginn, warum für ihn nur der WM-Titel zählt und welche Chancen er sich darauf ausrechnet
(Motorsport-Total.com) - Schon im Winter hat Sebastian Vettel mit seinem erklärten Saisonziel, erstmals Weltmeister zu werden, nicht hinter dem Berg gehalten. Heute in Bahrain präsentierte sich der Deutsche gewohnt locker und witzig, aber man merkt, dass er die Unbeschwertheit des krassen Außenseiters abgelegt hat. Im Interview spricht er über den Saisonauftakt.
Frage: "Sebastian, wie zuversichtlich bist du vor dem Beginn dieser Saison?"
Sebastian Vettel: "Die Ausgangsposition ist eine andere als letztes Jahr. Damals konnten wir uns nach den Tests ausmalen, dass wir vorne dabei sein sollten, aber wir hatten dafür noch keine Bestätigung. Das Ziel war, ein gutes Auto zu bauen, mit dem man regelmäßig in die Punkte und ab und zu auf das Podium fahren kann."
Druck größer als im Vorjahr
"Dieses Jahr ist die Erwartungshaltung klar größer - von außen und von innen. Wir haben aufgrund der Erfahrung vom letzten Jahr den Anspruch, vorne mitzufahren, denn wenn man einmal vorne ist, will man sich nicht freiwillig nach hinten drängen lassen. Daher ist das Ziel klar: Wir sind hier, um zu gewinnen!"
Frage: "Am ehesten repräsentativ war wohl der letzte Testtag in Barcelona, nicht wahr?"
Vettel: "Das Schwierige bei den Testfahrten ist generell, die Zeiten zu lesen. Das ist nicht unmöglich, aber dadurch, dass sich die Streckenverhältnisse dieses Jahr wirklich sehr schnell geändert haben, sehen die Zeiten anders aus. Ich erinnere mich an Barcelona, wo es einmal über Nacht geregnet hat und am nächsten Morgen waren die Verhältnisse ganz anders, oder auch an den drehenden Wind. Aber ich glaube schon, dass wir im Laufe des Barcelona-Tests einen Schritt nach vorne gemacht haben und hoffentlich hier noch einmal einen Schritt machen können."
Frage: "Das heißt, ihr habt hier neue Teile dabei, verstehe ich das richtig?"
Vettel: "Viele Teams haben hier etwas Neues dabei. Man spricht beim einen oder anderen von mehr oder sogar von viel mehr..."
Frage: "Der Renault-Motor soll sehr verbrauchsarm sein. Könnte das angesichts des Nachtankverbots entscheidend sein?"
Vettel: "Kann sein. Wir wissen aus den letzten Jahren, dass unser Motor sehr effizient ist. Wir werden sehen. Derzeit tappen alle im Dunkeln, niemand weiß, wo er steht - ob Erster, Zweiter oder Dritter. Wie jedes Jahr kommt es darauf an, von Anfang an vorne dabei zu sein und regelmäßig Punkte zu holen. Letztes Jahr bin ich fünfmal nicht ins Ziel gekommen, was uns nicht noch einmal passieren soll."
Frage: "Mit welcher Stimmung gehst du in die neue Saison?"
Vettel: "Ich bin glücklich und zuversichtlich, denn ich denke, wir haben ein gutes Auto. Die Wintertests waren gut. So gut vorbereitet wie dieses Jahr waren wir noch nie. Andererseits kann man die Testzeiten kaum interpretieren. Wir glauben, dass wir ganz vorne dabei sind, aber auch Ferrari sieht sehr stark aus."
"Ferrari, McLaren, Mercedes und wir sollten innerhalb von ein paar Zehnteln liegen, aber selbst das könnte hier ganz anders sein, weil die Temperaturen ganz anders sind als in Barcelona. Wir werden sehen. Am Samstag werden wir herausfinden, wer stark ist und wer nicht. Morgen noch nicht - aus den gleichen Gründen wie bei den Tests. Und der Sonntag ist dann das große Fragezeichen mit so viel Benzin am Start. Niemand weiß, wie sich das Rennen entwickeln wird. Es könnte aufregend werden, sodass alle Spaß haben, aber vielleicht wird es auch unglaublich langweilig."
Frage: "Ihr seid bei den Tests ein paar Mal ausgerollt. Machst du dir Sorgen wegen der Zuverlässigkeit?"
Vettel: "Es ist kein Geheimnis, dass es nicht ideal ist, wenn du beim Testen stehen bleibst. Erstens ruiniert dir das das Programm, zweitens haben die anderen Teams Gelegenheit, das Auto zu fotografieren. Wir sind also ein paar Mal ausgerollt, aber es war nichts Gravierendes dabei."
Zuversicht in Sachen Zuverlässigkeit
"Bei den Tests hat man Zeit und man will nichts riskieren, indem man weiterfährt und noch mehr kaputt macht. Wenn man zum Beispiel den Wasserdruck zu weit oben sieht, stellt man sicherheitshalber gleich ab oder kommt an die Box, damit man das genauer anschauen kann. Aber ich glaube, wir haben da kein Problem. Die 49 Runden hier sollten wir schaffen."
Frage: "Bist du die neue Strecke schon abgegangen?"
Vettel: "Ja, heute Morgen. Sie sieht sehr nach Micky-Maus aus. Die Geschwindigkeiten werden nicht sehr hoch sein, sondern im mittleren und niedrigen Bereich. Der Rest der Strecke ist ziemlich flüssig, aber dieser Sektor sticht da heraus. Es ist auch offen, wie viel Radsturz man fahren kann. Ich habe mir das genau angeschaut und ich hoffe, dass mir das morgen helfen wird, auch wenn der Eindruck aus dem Cockpit natürlich immer anders ist."
Frage: "Hast du im Simulator schon die neue Schleife getestet oder hattet ihr die im Winter noch nicht?"
Vettel: "Am Anfang übten wir mit der alten Version, aber als dann die neue eingespielt war, konnten wir die auch testen, klar."
Vettel: "Ich habe ein Lebensziel, ich will Weltmeister werden. Wenn ich dieses Ziel eines Tages erreiche, dann bin ich sicher kompletter als heute! Sicher habe ich in den vergangenen Jahren und speziell 2009 viel gelernt, sodass das Team und ich in einer guten Position sind."
"Das letzte Jahr war für das Team und für mich der erste WM-Kampf. Da lernt man eine Menge, aber der Schlüssel ist jetzt, den Beweis anzutreten, dass wir da hingehören. Letztes Jahr war unser erstes Jahr an der Spitze. Dort müssen wir bleiben."
Frage: "Wie hat es dich verändert, die Weltmeisterschaft 2009 verloren zu haben?"
Vettel: "Wenn überhaupt, dann hat es mich stärker gemacht. Wir hatten 2009 ein sehr gutes Jahr, aber das Ziel ist jetzt, den nächsten Schritt zu machen. Wie nahe wir da dran sind, kann ich nicht sagen, denn wir haben ja noch nicht einmal ein Rennen hinter uns. Aber wir sind gut vorbereitet und es geht an der Spitze zwischen vier Teams sehr eng zu. Dazu gehören auch wir. Das heißt, der schlechteste dieser acht Fahrer wird Achter werden!"
Frage: "Bist du seit den Tests noch einmal Kart gefahren?"
Vettel: "Nein. Die Tests waren doch relativ lang."
Großer Fan von Olympia
Frage: "Hattest du in den vergangenen Wochen Zeit, die Olympischen Winterspiele in Vancouver zu verfolgen?"
Vettel: "Aufgrund des schlechten Wetters hatten wir bei den Tests ein bisschen Zeit dafür. Ich bin ein sehr großer Fan, verfolge alles - bis hin zum Curling! Egal welche Sportart, alles wurde ausführlich übertragen. Interessiert hat mich alles. Natürlich habe ich die Entscheidungen, in denen die Deutschen Medaillenchancen hatten, etwas intensiver verfolgt. Die Alpindamen haben sich sehr gut angestellt."
Frage: "Kennst du zum Beispiel jemanden von den Skispringern, die ja zum Teil auch von Red Bull gesponsert werden?"
Vettel: "Die Österreicher kenne ich, die Deutschen nicht! Auch ein paar von den Red-Bull-Athleten generell, zum Beispiel die Skifahrerin Lindsey Vonn. Da drückt man dann eher der Lindsey die Daumen als Maria Riesch, obwohl die aus Deutschland kommt. Aber klar, es ist etwas Besonderes, wenn man jemanden kennt, weil man einen ganz anderen Bezug dazu hat."
Frage: "Und Shaun White?"
Vettel: "Nein, den kenne ich nicht. Das scheint ein besonderer Vogel zu sein. Ich fahre selbst Snowboard und Ski, aber nicht wie er!"
Frage: "Du hast dein Auto diesmal 'Luscious Liz' getauft. Was steckt dahinter?"
Vettel: "Gefällt es dir nicht (grinst; Anm. d. Red.)? Es gibt keine echte Erklärung dafür. Uns allen hat der Name gefallen."
Frage: "Hat sie auch eine Schwester, so wie 'Kate' im Vorjahr?"
Vettel: "Noch nicht. Hoffentlich braucht sie keine!"
Frage: "Ist sie ein Siegerauto?"
Vettel: "Das kann ich euch nach ein paar Rennen sagen - oder hoffentlich schon am Montag! Aber wie gesagt: Wirklich schwer einzuschätzen, was das bisher alles zu bedeuten hatte. Es gibt vier Teams und acht Fahrer, die gewinnen können. Wir werden sehen. Ich drücke 'Luscious Liz' die Daumen!"
Frage: "Gefällt sie dir?"
"Im Vorjahr sahen die Autos generell ganz anders aus als im Jahr davor, aber jetzt ist es eher eine Evolution. Auch vom Fahrerischen her ist die Umstellung nicht so groß, abgesehen mal von der großen Benzinmenge am Start des Rennens. Insgesamt ist die Formel 1 jetzt eher ein Ausdauer- als ein Sprintbewerb."