• 25. Februar 2010 · 21:49 Uhr

Hülkenberg: "Barcelona ist immer die Referenz"

Williams-Neuling Nico Hülkenberg über das Programm bei den Testfahrten, die Probleme mit der Reifennutzung und das perfekte Einparken

(Motorsport-Total.com) - Nico Hülkenberg kommt als Rookie mit besten Voraussetzungen in die Formel 1. Der Emmericher hat sich den Titel in der GP2 gesichert, absolvierte ein Praktikum bei Williams und durfte bereits im vergangenen Jahr für sein britisches Team testen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an den jungen Deutschen. Hülkenberg hat sich regelmäßige Punkte zum Ziel gesetzt. Im Gespräch mit Medienvertretern in Barcelona schilderte er seine bisherigen Eindrücke.

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Nico Hülkenberg hat bereits fast 3.000 Kilometer im neuen Auto absolviert Zoom Download

Frage: "Nico, es kommt in diesem Jahr erheblich auf den Umgang mit den Reifen an. Kommst du gut damit zurecht?"

Nico Hülkenberg: "Ja, wir haben auf den Longruns schon sehr viel über die neuen Reifen lernen können. Aber diese Situation ist für mich ohnehin nicht ganz neu. Im vergangenen Jahr in der GP2-Serie sind wir auch immer mit vollen Tanks ins Rennen gegangen. Wir mussten auch dort sehr auf die Reifen achten, das war in etwa vergleichbar. Wir lernen aber täglich dazu. Ich bin davon überzeugt, dass der Fahrer bezüglich Reifennutzung in den ersten 20 Runden eine große Rolle spielt."

Reifen leiden, Motor hält

Frage: "Wie fühlt es sich an, wenn man den Reifen mal zu hart rangenommen hat? Erholt sich der Pneu wieder?"

Hülkenberg: "Ja, hier spürt man das nicht ganz so wie in Jerez. In Jerez war es wirklich so, dass man ab einem gewissen Punkt den Reifen über eine ganz lange Zeit vergessen konnte, wenn man mal zu sehr attackiert hatte. Wenn man es übertreibt, dann erholt sich der Reifen vielleicht sogar gar nicht mehr. Gerade zu Beginn eines Rennens wird es schwierig, denn mit der hohen Benzinlast wird es dem Reifen doppelt wehtun. Wenn man viel Benzin hat und dann in schnellen Kurven rutscht, das ist für die Reifen am schlimmsten. In den ersten drei Runden wird jeder dieses Problem haben, weil alle kämpfen."

Frage: "Wie sehr könnt ihr euren Cosworth-Motor belasten?"

Hülkenberg: "Der ist total belastbar. Wir haben keinerlei Probleme damit, denn der läuft gut. Auch im Bereich Spritverbrauch ist er gut."

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Mit dem Williams-Cosworth FW32 möchte Nico Hülkenberg Punkte sammeln Zoom Download

Frage: "Auf welcher der drei Strecken Valencia, Jerez und Barcelona erfahrt ihr am meisten über die Leistungsfähigkeit des Autos?"

Hülkenberg: "Barcelona ist immer die Referenz, auch was die aerodynamische Effizienz angeht. In Jerez hatten wir rauhen Asphalt, deshalb sehr hohen Reifenverschleiß. Hier ist der Streckenbelag viel feiner, die Durchschnittsgeschwindigkeit ist höher, es gibt viel mehr schnelle Kurven."

Frage: "Wo sind derzeit noch euren größten Baustellen?"

Hülkenberg: "Das weiß ich gar nicht. Man kann überhaupt nicht sagen, wer überhaupt schon die Karten aufgedeckt hat. Ich würde sagen, dass wir keine riesige Baustelle irgendwo haben, sondern dass wir überall etwas besser werden müssen."

Red Bull und Ferrari sind vorne?

Frage: "Es heißt zwar oft, dass ihr in dieser Phase nicht besonders auf die Konkurrenz achtet. Aber hast du dennoch eine Hackordnung ausmachen können?"

Hülkenberg: "Ich denke, dass Red Bull und Ferrari ein gutes Stück voraus sind. Diese beiden Teams sehe ich als Favoriten. Alle anderen sind etwas weiter hinten. Ich selbst will zusehen, dass ich möglichst viele Punkte sammeln kann. Ich lasse mich mal überraschen."

Frage: "Kannst du erklären, was Red Bull und Ferrari besser machen?"

Hülkenberg: "Die sind einfach in allen Bereichen etwas besser, man kann keine speziellen Bereiche ausmachen. Hinter den beiden Teams sehe ich eine Lücke, dahinter folgen dann McLaren, Renault, Mercedes und vielleicht wir. Es ist im Moment unglaublich schwierig einzuschätzen. Ich setze mich auch nicht hin und rechne herum, wo ich mit wie viel Benzin eventuell stehen würde. Wir warten mal bis Bahrain ab, dort werden wir es dann sehen."

"Ich bin sicher, dass wir in diesem Jahr eine gute Basis haben"Nico Hülkenberg
Frage: "Ist Williams im Vergleich zum Vorjahr ein deutlicher Schritt voran gelungen? Kannst du das beantworten?"
Hülkenberg: "Nein, weil ich kaum mit dem Vorjahresauto gefahren bin. Ich bin den Wagen beim Rollout zu Beginn des Jahres gefahren und dann erst wieder im Dezember. Da hatten wir dann aber bereits randvolle Tanks. Man kann das nicht wirklich vergleichen. Ich bin sicher, dass wir in diesem Jahr eine gute Basis haben, die viel Potenzial bietet. Wir müssen nun lernen, das Maximum aus dem Wagen herauszuholen. Ich vertraue dem Team, bin glücklich hier und bin auch sicher, dass wir gute Ergebnisse holen können."

Frage: "Gab es am Williams bereits heute einige Neuteile?"

Hülkenberg: "Nein, wir bringen die Upgrades erst morgen. Es wird am Freitag ein neues Aerodynamikpaket installiert. Der Großteil kommt Freitag und dann kommen noch einmal ein paar andere Kleinigkeiten für die letzten beiden Testtage. Dann haben wir den Stand, den wir auch in Bahrain haben werden."

Punkte sind das große Ziel

Frage: "Welche Ziele hast du als Rookie in diesem Jahr?"

Hülkenberg: "Viele Punkte holen! Rennfahrer wollen immer gewinnen, aber wir sind hier in der Formel 1. Man muss sich realistisch einschätzen, muss sich selbst und sein Paket einschätzen. Mein Teamkollege Rubens ist der erfahrenste Pilot im Formel-1-Zirkus. Er ist immer noch sehr schnell, das haben wir im vergangenen Jahr gesehen. Es wird schwierig, ihn zu schlagen. Aber ich versuche es natürlich. Ich habe mir für die Saison keine genaue Zahl von Punkten als Ziel gesetzt. Ich kann noch nicht einschätzen, was möglich sein wird. Immerhin habe ich auch noch kein einziges Formel-1-Rennen gefahren. Also: abwarten!"

Frage: "Wird es einen regelrechten Wettbewerb der zahlreichen Rookies geben?"

Hülkenberg: "Ich will nicht nur die anderen Rookies schlagen. Aber natürlich die auch. Ich mag das Gerede über Rookies nicht. Aber sicherlich will ich vor den anderen sein."


Fotos: Nico Hülkenberg, Testfahrten in Barcelona


Frage: "Könntest du mit deinem Auto bei leerem Tank eine Rundenzeit fahren wie sie Mark Webber im Red Bull am Donnerstag geschafft hat?"

Hülkenberg: "Nicht ganz, glaube ich. Wir sind vielleicht nicht weit davon entfernt, aber so ganz würde es wohl nicht reichen. Da hatte der Webber wirklich eine starke Qualifikationssimulation. Man weiß es nicht. Vielleicht hatten die sogar auch noch mehr Benzin an Bord. Das war wirklich stark."

Frage: "Wie sah dein Programm am Donnerstag aus?"

Hülkenberg: "Ich hatte Longruns, aber auch kurze Stints mit wenig Benzin. Wir wollten testen, wie sich die Balance des Autos verändert. Ich wollte auch ein Gefühl dafür bekommen, wie sich das Auto im Qualifying in Bahrain anfühlen wird. Ich war erstmals mit wenig Benzin unterwegs, zuvor hatten wir den Wagen eigentlich immer ziemlich vollgetankt."

Bitte in die Parkposition rollen

Frage: "Wie groß ist der Unterschied in der Balance denn?"

Hülkenberg: "Es ist gar nicht so schlimm. Wir können das mit dem Setup in den Griff bekommen. Wir wissen, wie es sich mit vollen Tanks verhält und können auch einschätzen, wie es sich dann mit leeren Tanks anfühlt. Man muss für das Rennwochenende einen guten Kompromiss erarbeiten. Du würdest nie die gleiche Getriebeübersetzung mit 150 Kilogramm fahren wie mit zehn Kilogramm. Da muss man einen Mittelweg finden, auch beim Setup. Ein bisschen kann man sogar über den verstellbaren Frontflügel regulieren. Das war heute schon ganz anständig."

Frage: "Ihr habt bereits Boxenstopps trainiert. Sind diese Stopps anders als in der GP2?"

Hülkenberg: "Ja, vor allem wenn man sieht, wie viele Leute da plötzlich stehen. Das ist schon anders als in der GP2. Ein Reifenwechsel in der GP2 ist sicherlich etwas langsamer als in der Formel 1. In der GP2 dürfen ohnehin weniger Leute beim Stopp arbeiten. Wir werden hier Stopps im Bereich von drei Sekunden erleben. Das Parken ist dabei fundamental wichtig. Das wird bei uns auf Video aufgenommen. Da wurde mir genau gezeigt, wann und wo ich falsch geparkt habe. Je besser ich parke, desto schneller sind die Jungs mit den Schlagschraubern am richtigen Ort. Die bekommen auch mehr Vertrauen mit der Zeit."

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Nico Hülkenberg durfte schon 2009 mehrfach für Williams testen Zoom Download

Frage: "Du bist in Jerez an einem Tag über 600 Kilometer gefahren. Wie hast du dich danach gefühlt?"

Hülkenberg: "Ich war danach eigentlich noch ziemlich fit. Ich habe im Winter recht hart trainiert, habe im Training auch einige Dinge umgestellt. Ich war selbst überrascht, wie gut es mir noch ging. Bei einer Rennsimulation sind die ersten zwei Stints etwas langsamer, du hast geringere Fliehkräfte, daher ist es etwas einfacher. Wenn die Reifen abbauen, dass wird es schwieriger, weil du kämpfen und dich konzentrieren musst."

Frage: "Wird die Fehlerquote in den Rennen gegen Ende steigen?"

Hülkenberg: "Ich glaube nicht, dass das im letzten Renndrittel der Fall sein wird, sondern eher nach dem ersten Viertel oder nach der Hälfte - je nach Boxenstopps. Schaut euch mal die GP2-Rennen an. Da passiert am Ende recht wenig, aber am Anfang sehr viel. Es wird nur schwierig, wenn einer sofort in der sechsten Runde seinen Stopp hatte und am Ende kaum noch etwas von seinen Reifen übrig ist."

Test und Rennen: Zwei Paar Schuhe

Frage: "Inwieweit sind eure Startübungen am Ende der Boxengasse realistisch und relevant?"

Hülkenberg: "Nun, ich stehe da und mache meinen Start. Aber ich habe kein Adrenalin, keine Aufregung, keine Ampel, keine Atmosphäre, keine Vorgeschichte, kein Qualifying. Man steht da ganz anders als bei einem Rennwochenende. Mein bester Wert war bisher 2,6 Sekunden von Null auf 100 km/h."

Frage: "Du wirst auch morgen wieder fahren. Was ist geplant?"

Hülkenberg: "Wir werden nochmal alle Varianten durchspielen, von wenig bis viel Benzin. Es ist mein letzter Testtag vor Bahrain. Ich muss noch mehr Gefühl dafür bekommen, wie sich das Auto mit verschiedenen Spritmengen verhält."

"Die meiste Zeit werde ich aber in Deutschland verbringen."Nico Hülkenberg
Frage: "Wie sieht dein Zeitplan anschließend bis Bahrain aus?"
Hülkenberg: "Es wird weiter trainiert. Dann gibt es noch einige PR-Tage - mehr als mir lieb sind (lacht). Außerdem sitze ich in der kommenden Woche noch einmal im Simulator. Die meiste Zeit werde ich aber in Deutschland verbringen. Am Dienstag vor dem Rennwochenende reise ich dann nach Bahrain."

Frage: "Du hast im vergangenen Jahr in der Williams-Fabrik mitgearbeitet. Machst du das in diesem Jahr auch?"

Hülkenberg: "Nein, ich denke nicht. Dafür wird mir wohl die Zeit fehlen."

Frage: "Hast du denn seither mehr Respekt vor den einzelnen Bauteilen?"

Hülkenberg: "Ich weiß zumindest nun, was dazugehört, diese Teile überhaupt erst einmal zu bauen. Wenn mal bei einem kleinen Abflug etwas kaputtgeht, dann weiß ich, wie viel Arbeit es macht, so etwas wieder neu zu bauen. Aber das ändert mein Verhalten auf der Strecke nicht."

Frage: "Sprichst du abseits der Strecke viel mit Rubens?"

Hülkenberg: "Nein."

Das Verhältnis zum Teamkollegen

Frage: "Keine Unterhaltungen, keine SMS?"

Hülkenberg: "Nein. Wir sind nicht verheiratet (lacht). Unser Verhältnis ist dennoch gut. Ich will von seiner Erfahrung profitieren. Wenn wir testen, dann sehe ich, wie er arbeitet, ich sehe seine Daten, seine Herangehensweise ans Setup. Ich kann sicherlich von ihm lernen. Wir sehen uns selten bislang. Wenn mein Test vorbei ist, dann kommt er. Wir haben daher nicht viel Zeit miteinander. Bisher ist unser Verhältnis aber sehr angenehm."

Frage: "Wünscht du dir eine Karriere, wie sie Nico Rosberg gerade erlebt?"

Hülkenberg: "Nein, ich will meinen eigenen Weg gehen. Es könnte doch immer etwas besser sein, oder? Es hängt aber immer davon ab, wie gerade die Situation ist, wie gut dein Paket ist. Es hängt von so vielen Faktoren ab, man kann es nicht vorhersagen."

"Eine schnellste Rennrunde könnte vielleicht möglich sein."Nico Hülkenberg
Frage: "Nico Rosberg hat gleich in seinem ersten Rennen die schnellste Runde gedreht. Ist so etwas mit eurem Auto in diesem Jahr möglich? Schielst du vielleicht auf das Podest?"
Hülkenberg: "Ich weiß nicht, ob es für das Podest reichen kann. Aber eine schnellste Rennrunde könnte vielleicht möglich sein."

Frage: "Im vergangenen Jahr war Williams im Freien Training oft vorne, konnte es aber meist später nicht bestätigen. Bist du zuversichtlich, dass es in diesem Jahr anders läuft?"

Hülkenberg: "Ja, natürlich hoffe ich darauf, dass wir gute Trainingsleistungen auch im Rennen umsetzen können. Aber gerade hier beim Test kann man so etwas kaum sagen. Ein Rennwochenende ist immer nochmal eine ganz andere Geschichte."

Frage: "Übst du im Simulator das Fahren mit leeren Tanks? Oder auch die erste Runde mit vollen Tanks?"

Hülkenberg: "Ja, aber das konnte ich auch schon in der GP2 erfahren. Da waren wir auch im Qualifying ganz leicht unterwegs und dann ging es mit etwa 100 Kilogramm Benzin ins Rennen. Man kann so etwas natürlich im Simulator darstellen, aber die Realität sieht immer etwas anders aus. So etwas kann man wirklich nur im Rennen am Sonntag wirklich spüren. Man muss auf dem Weg in die Startaufstellung ein Gefühl dafür aufbauen."

Frage: "Wie groß war der Unterschied zwischen Qualifying und erster Runde in der GP2 bezüglich Beschleunigung, Bremsen oder Lenkung?"

Hülkenberg: "Es wird eben alles träge. Ein GP2-Auto ist im Vergleich sowieso träge, aber mit 100 Kilogramm Benzin an Bord wird es eben entsprechend noch träger. Aber in solchen Momenten kannst du es dir nicht aussuchen. Du musst damit klarkommen. Der Unterschied ist allerdings wirklich deutlich. Die Lenkung geht schwerer, die Bremswege sind länger, du kannst den Speed nicht so mitnehmen. Man muss sich aber darauf einstellen."

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