Frederic Vasseur: Rückstand von Ferrari ist nicht nur der fehlende Anpressdruck
Ferrari zeigt in der Saison 2025 bislang zu wenig Konstanz - Wie Teamchef Frederic Vasseur den Rückstand sieht und warum fehlender Grip nicht allein die Ursache ist
(Motorsport-Total.com) - Ferrari bleibt in den ersten vier Rennen der Formel-1-Saison 2025 hinter den Erwartungen zurück. In der Konstrukteurs-WM rangieren die Italiener nur auf dem vierten Platz, auch bedingt durch die Disqualifikationen in China. Dennoch ist der Rückstand auf Tabellenführer McLaren inzwischen auf satte 94 Punkte angewachsen.
Charles Leclerc hatte nach dem Großen Preis von Bahrain noch geäußert, dass es Ferrari vor allem an Abtrieb und Grip mangele. Eine Einschätzung, die Teamchef Frederic Vasseur nicht teilt. "Ich denke nicht, dass es etwas mit dem Konzept zu tun hat", meint der Franzose.
Vielmehr sieht Vasseur das Problem in der fehlenden Konstanz. Ferrari habe keine fundamentale Schwäche, könne aber seine Leistung nicht dauerhaft abrufen. "Es gibt Phasen, in denen wir mit McLaren mithalten können, wie beim Sprint-Rennen in China oder dem zweiten Stint in Bahrain", betont er.
Tatsächlich war Ferrari in Bahrain zeitweise in der Lage, das Tempo der Spitze mitzugehen, fiel dann allerdings der Safety-Car-Phase zum Opfer. Weil Leclerc und Hamilton zu diesem Zeitpunkt schon zwei Medium-Stints absolviert hatten, mussten sie für die Schlussphase einen anderen Reifen nehmen, und entschieden sich für die harte Mischung.
Vasseur: Strategie in Bahrain war richtig
"Mit dem Safety-Car hatten wir aus unserer Sicht keine Wahl mehr", erinnert Vasseur und verweist darauf, dass lediglich ein gebrauchter Satz der weichen Reifen verfügbar war. "Ich denke, auch bei [George] Russell war es zwischendurch fraglich, ob es nicht zu ambitioniert wäre, 24 Runden mit dem Soft zu fahren."
"Aber letztlich hat es sich ausgezahlt", muss der Ferrari-Teamchef feststellen. Dass die Reifen des Mercedes-Piloten bis zum Ende durchgehalten haben, könne auch mit dem Gummiabrieb zusammenhängen, der sich zum Ende des Rennens auf der Strecke sammelte.
Dennoch bleibt Vasseur bei seiner Einschätzung, dass Ferrari strategisch richtig gehandelt habe. "Wir haben im ersten Stint bewusst einen Preis gezahlt, um etwas zu verlängern, und danach war das Tempo sehr stark. Es hätte gut ausgehen können."
"Aber wir können uns über das Safety-Car nicht beschweren - das gehört zum Spiel dazu", so der 56-Jährige. In vielen Rennen seien die Strategien ohnehin nahezu identisch, doch diesmal sei die Lage deutlich diffuser gewesen. "90 Prozent des Feldes machen sonst genau das Gleiche."
Reifenmischungen zeigen ähnliche Leistung
Ein Grund dafür dürfte die nach wie vor eingeschränkte Erfahrung mit den aktuellen Reifenspezifikationen sein. "Wir befinden uns noch in einer frühen Phase, was diese Reifenmischungen angeht, und ich denke, wir alle tappen noch etwas im Dunkeln", erklärt Vasseur. "Und ich denke, McLaren ist in diesem Bereich derzeit einen Schritt voraus."
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Dass sich in Bahrain letztlich der weiche Reifen als die stärkste Mischung erwiesen hat, kam dabei durchaus überraschend. "Das hängt sehr stark von den Bedingungen ab", merkt der Ferrari-Teamchef an und verweist auf die eingeschränkte Aussagekraft der Trainingssessions.
"Im zweiten Training war es etwas heißer, mit weniger Grip, und der Leistungsunterschied zwischen den Mischungen ist in diesem Jahr auch deutlich kleiner als im letzten. Das bedeutet, dass man sich oft in einem sehr schmalen Bereich bewegt."
Daher sei es kein Wunder, dass verschiedene Reifenmischungen ähnliche Leistungen zeigen. "Das beste Beispiel ist vielleicht der zweite Stint, in dem alle drei Mischungen gleichzeitig auf der Strecke waren", schildert Vasseur. "Jeder hat versucht, eine andere Variante umzusetzen."
Ferrari im Durchschnitt zu langsam
Was all das jedoch nicht beantwortet, ist die grundlegende Frage, weshalb Ferrari bislang nur punktuelle Highlights setzen konnte, ohne dauerhaft zur Spitze zu zählen. "Wenn man sich den Durchschnitt der bisherigen Saison ansieht, dann fehlen uns zwei, drei, vielleicht vier Zehntel", analysiert Vasseur nüchtern.
"Jedenfalls fehlt uns etwas, und das bedeutet, dass wir weiterarbeiten müssen. Der Abtrieb ist ein Teil davon, ja. Aber wenn man sich die Gesamtsituation ansieht, dann ist unser Auto auch deutlich besser, wenn die Bedingungen extremer sind."
"Es geht also mehr um das Reifenmanagement als um alles andere", ist Vasseur überzeugt, den entscheidenden Schwachpunkt identifiziert zu haben. Ob Ferrari in den kommenden Rennen eine passende Antwort darauf findet, bleibt abzuwarten.