Carlos Sainz versteht 10.000-Euro-Strafe nicht: "War nur fünf Sekunden zu spät"
Carlos Sainz hat kein Verständnis für seine "Toiletten"-Strafe und spricht über seine derzeitigen Probleme bei Williams: Nach drei Rennen kann es noch nicht passen
(Motorsport-Total.com) - Das war ein teurer Toilettenbesuch: Carlos Sainz musste in Japan 20.000 Euro Strafe bezahlen (10.000 davon auf Bewährung), weil er aufgrund menschlicher Bedürfnisse zu spät zur Nationalhymne vor dem Rennen erschienen war. Für den Spanier ist diese Strafe ein schlechter Witz, denn laut ihm sei er nur fünf Sekunden zu spät erschienen.
"Für fünf Sekunden dann 10.000 Euro oder was auch immer zahlen zu müssen, das geht für mich einfach nicht", sagt Sainz am Donnerstag vor dem Rennen in Bahrain und betont, dass er eigentlich "der größte Verfechter von Pünktlichkeit" sei und selbst ein Freund davon sei, sich bei Anlässen wie der Nationalhymne anständig zu benehmen.
Doch was sich die FIA dabei herausgenommen hat, passt ihm gar nicht: "Dass wir überhaupt solche Strafen zahlen müssen, ist für mich fragwürdig", schüttelt er den Kopf.
Die FIA erntet damit wieder einmal Unmut für eine ausgesprochene Strafe. Schon im Winter waren strenge Regularien für Schimpfwörter zum großen Thema geworden, weil der Verband die Daumenschrauben noch einmal angezogen hat - sehr zum Ärger der Fahrer, die zudem gerne wissen würden, was mit ihrem Geld gemacht wird. Denn das war bislang nicht unbedingt transparent.
"Ich weiß nicht, ob ich jetzt nochmal eine Strafe bekomme, weil ich das hier sage, aber: Shit happens, so ist es eben manchmal", sagt Sainz. "Es ist eine teure Angelegenheit. 10.000 Euro, und das für fünf Sekunden, das ist enttäuschend", so der Spanier.
"Ich hoffe wirklich, dass mir jemand sagt, wohin diese 10.000 Euro gehen. Wenn man mir sagt, dass sie wenigstens einem guten Zweck zugutekommen, dann freue ich mich zumindest darüber. Und ich bin gespannt zu sehen, wofür sie verwendet werden."
Russell: Klogang nicht immer so einfach
Unterstützung bekommt Sainz von seinen Fahrerkollegen. George Russell, gleichzeitig Präsident der Fahrergewerkschaft GPDA, betont, dass es nicht immer einfach sei, rechtzeitig zur Hymne in der Startaufstellung aufzutauchen.
"Wir rennen oft noch schnell zur Toilette, und manchmal gibt es zwischen dem Aussteigen aus dem Auto und der Hymne einfach keine verfügbaren Toiletten mehr", so der Brite. "Dann wird man auf dem Grid noch von irgendwelchen Leuten aufgehalten oder jemand will schnell ein Interview - also es ist nicht so, als hätten wir nur eine einzige Aufgabe."
"Wir versuchen, uns in dem Moment auf das Rennen einzustellen, und dann genau auf die Minute da zu sein, ist nicht immer machbar."
Zwar versteht Russell auch den Standpunkt der FIA, weil die Hymne vor dem Rennen ein sehr wichtiger Moment sei, "aber aus Fahrersicht gibt es eben auch echte, logistische Schwierigkeiten - manchmal steht man einfach wortwörtlich vor der verschlossenen Toilettentür."
Auf das Streitthema Strafe angesprochen, winkt er jedoch vielsagend ab: "Ich möchte dem nicht noch mehr Zeit einräumen."
Sainz: Nach drei Rennen kann es nicht perfekt sein
Für Sainz steht an diesem Wochenende Wichtigeres an. Er möchte für seinen neuen Arbeitgeber Williams endlich einmal ein gutes Rennen zeigen. Bislang hatte der Spanier nämlich einige Eingewöhnungsschwierigkeiten und konnte nicht mit Teamkollege Alexander Albon mithalten.
Während der Thailänder schon 18 Punkte anhäufen konnte, holte Sainz nur einen Zähler, weil in China drei Fahrer vor ihm aus der Wertung genommen wurden.
Doch Sainz selbst hat Geduld: "Also wenn man erwartet, dass man das Beste von Carlos Sainz schon im dritten Rennen in einem neuen Auto sieht, dann versteht man den Sport nicht besonders gut", sagt er, "oder zumindest nicht, wie lange es dauert, bis ein Fahrer wirklich komplett auf das Auto eingestellt ist und weiß, wo die letzten Zehntel oder zwei Zehntel bei einem Auto stecken."
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Er sagt, die Pace sei in Melbourne und Suzuka durchaus dagewesen, allerdings habe er noch kein Wochenende sauber zusammenbekommen. "In Australien und Suzuka war ich, ehrlich gesagt, ziemlich schnell - besonders wenn man bedenkt, dass ich noch neu im Auto bin. In der Quali konstant auf dem Niveau von Alex zu sein oder sogar im selben Zehntelbereich - das ist ein guter Start."
"Jetzt muss ich nur dafür sorgen, dass wir weniger Fehler im Wochenende machen und ich weiter an meiner Geschwindigkeit arbeite", so Sainz. "Ich glaube schon, dass da noch Luft nach oben ist, aber wir sind nicht so weit weg, wie es manchmal scheint. Ich denke, sobald wir ein vollständiges Wochenende sauber hinkriegen, kommt das von allein."
Bahrain-Test als gutes Vorzeichen?
Zumindest stehen die Vorzeichen an diesem Wochenende dazu besser. Denn in Bahrain konnte Sainz mit Williams bereits bei den Wintertestfahrten arbeiten und sogar die Wochenbestzeit holen.
Das sei "sehr hilfreich", wie er sagt, auch weil er sich bei den Testfahrten sehr wohl im Auto gefühlt habe. "Es war tatsächlich genau die Balance und das Gefühl im Auto, auf das ich in den vergangenen Rennen hingearbeitet habe, weil ich in China nicht so zufrieden war", sagt er.
"Ich habe mir dann nochmal das Set-up vom Bahrain-Test angeschaut, und wir im Team haben versucht, das Auto wieder näher an das Gefühl von damals heranzubringen." Da hatte er nämlich das Gefühl, wirklich auf Tempo zu sein. "Es kam ganz natürlich und ich musste beim Fahren nicht groß nachdenken."
"In China oder auch in Suzuka war es eher so, dass ich mir den Kopf zerbrochen habe, wie ich das Auto fahren und die Performance rausholen soll", so der Spanier. Doch auch solche Wochenenden brauche es, um alles zu verstehen und zu analysieren.
Trotz Platz eins habe Sainz aber auch nach Bahrain schon gesagt, dass er längst nicht da war, wo er mit dem Auto sein muss, um auf dem gewünschten Level zu performen. "Deshalb habe ich selbst die Erwartungen ein wenig gebremst und gewusst, dass das erste Viertel des Jahres schwierig wird", betont er.
"Aber ich bin entspannt, arbeite weiter ruhig und konzentriert - das kommt schon."
Manchmal läuft es und manchmal nicht
Warum es aber bei den Testfahrten so gut lief und dann bei den bisherigen drei Rennen nicht mehr, das ist für Außenstehende nur schwierig zu begreifen - und auch die Fahrer selbst haben nicht immer eine Antwort darauf.
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"Manchmal steigst du in ein Formel-1-Auto und bist einfach sofort schnell", sagt Sainz. "Egal, was du am Auto änderst, die Rundenzeit kommt ganz von allein." So sei das zum Beispiel beim Abu-Dhabi-Test letztes Jahr und auch beim Bahrain-Test dieses Jahr gewesen. "Ich musste nicht groß nachdenken, war direkt schnell - sogar schneller, als ich selbst erwartet hatte."
Dann aber kamen Australien, China und Japan mit komplett anderen Bedingungen, "und das Auto fühlt sich plötzlich komplett anders an. Die Balance in den Kurven verändert sich, und dann stehst du da und fragst dich: Was mache ich jetzt mit meinem Fahrstil oder dem Set-up, um noch ein Zehntel schneller zu sein?", so der Spanier.
Muskelgedächtnis von Ferrari stört
Ein Punkt dabei sind aber auch noch alte Angewohnheiten von Ferrari, die Sainz bei Williams nicht weiterbringen, und die er sich erst einmal abgewöhnen. "Ein Ferrari hatte eben eine bestimmte Balance, eine bestimmte Entwicklungsrichtung, die wir über drei, vier Jahre verfolgt haben", erklärt er.
"Das bedeutet: Du hast auf eine bestimmte Art gebremst, eingelenkt, das Bremspedal an einer bestimmten Stelle losgelassen - und das prägt dein Muskelgedächtnis", so der Williams-Pilot. Und in diese Muster falle er dann zurück, wenn er ins Auto steigt und im Qualifying unter Druck steht.
"Man muss das nicht unbedingt verlernen, weil diese Angewohnheiten mich auch in anderen Kurventypen sehr schnell machen. Aber du musst eben im richtigen Moment daran denken, es anders zu machen", so Sainz. "Und genau deshalb ist es fast unmöglich, in den ersten drei Rennen mit einem neuen Auto sofort top zu performen."