Russell: McLaren hätte Melbourne trotz Regeländerung gewonnen
George Russell beharrt auf seiner Meinung, dass McLaren einen so großen Vorsprung hat, dass auch die neue Heckflügel-Regel nicht groß ins Gewicht fällt
(Motorsport-Total.com) - George Russell bescheinigt McLaren weiterhin einen enormen Vorsprung und sagt, dass der Rennstall auch gewonnen hätte, wenn die neue Heckflügel-Richtlinie bereits in Melbourne gegolten hätte. Die FIA hatte die Vorgaben für die Heckflügel vor der Saison 2025 geändert und stärkere Belastungstests angekündigt, die ein Verbiegen der Flügel unterbinden sollen.
Nach dem Saisonauftakt in Australien zündete der Verband aber schon die nächste Stufe und kündigte für Schanghai noch strengere Regeln an, wonach der Abstand zwischen dem Heckflügel-Hauptprofil und dem darüber liegenden Element nicht größer als 0,5 Millimeter sein darf - vorher standen zwei Millimeter im Reglement.
Nun könnte man meinen, dass McLaren besonders stark von dieser Änderung betroffen sein wird, da das Team 2024 mit dem sogenannten Mini-DRS auf sich aufmerksam gemacht hatte und sich ihr Flügel besonders verbogen haben soll. Doch Lando Norris meint, McLaren hätte auch mit der neuen Regel in Australien gewonnen - weil man das Auto nicht verändern musste.
"Ich denke, was Lando gesagt hat, stimmt", nickt George Russell. "Selbst wenn die technische Direktive in Melbourne gegolten hätte, hätten sie das Rennen trotzdem gewonnen", ist er überzeugt, sieht aber einen anderen Grund dafür: "Weil sie einfach so weit vorne sind", so der Brite.
Er hatte McLaren schon am vergangenen Wochenende einen so großen Vorsprung bescheinigt, der von den anderen wohl nicht mehr eingeholt werden kann, dass auch eine Änderung des Heckflügels keine Auswirkungen hat.
Für Mercedes selbst ändert sich laut Russell dabei nichts. "Ich weiß nicht, für wen die Direktive genau eingeführt wurde, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nicht für uns oder Red Bull war", sagt er. "Aber ich bin auch sicher, dass es Teams geben wird, die darunter leiden. Allerdings nicht so sehr, dass es das Rennergebnis beeinflussen wird."
McLaren noch dominanter als Red Bull 2023
Vor allem nicht McLaren, die für ihn sogar noch dominanter sind als Red Bull 2023. "Red Bulls Vorsprung lag vielleicht bei drei bis vier Zehnteln. Der Vorteil, den McLaren aktuell hat, ist auf jeden Fall größer", glaubt er.
Red Bull hatte damals alle Rennen in der Saison gewonnen, mit Ausnahme des Singapur-Grand-Prix. McLarens Auto sei dazu ebenfalls in der Lage, meint Russell, und sollte auch jedes Rennen gewinnen. "Aber ich denke nicht, dass sie jedes Rennen in diesem Jahr gewinnen werden."
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Denn er deutet an, dass McLaren dazu ein Fahrer wie Max Verstappen fehlt, der damals in jeder einzelnen Runde zuverlässig abgeliefert habe. "Es gab nie wirklich Unsicherheiten", sagt er. McLaren scheint aber Chancen zu bieten wie in Melbourne, als Oscar Piastri nach einem Fehler nur Neunter geworden war. "Eigentlich hätte es ein klarer Doppelsieg für McLaren sein müssen."
Wie vor einer Woche bleibt der Mercedes-Pilot bei seiner Einschätzung, dass McLaren für die Konkurrenz nicht einzuholen ist: "Wenn es darum geht, diese Zeit und diesen Abtrieb zu finden, dann wird das in einer Saison nicht passieren", unterstreicht er. "Das ist noch nie in einer Saison passiert."
McLarens Vorteil sind die Reifen
Vor allem in den Reifen sieht er aktuell einen großen Vorteil für den Gegner:" Sie machen offensichtlich etwas besser als der Rest, sie sind klar schneller als alle anderen, sobald die Reifen auf Temperatur kommen", sagt Russell.
Das wurde im Qualifying in Melbourne für ihn klar ersichtlich: "Wir haben es in Sektor 3 im Qualifying gesehen - dort waren sie vier Zehntel schneller als alle anderen. Es ist dasselbe Auto wie in Sektor 1 und Sektor 2, der einzige Unterschied ist die Überhitzung der Reifen."
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Diesen Vorteil werde man auf den meisten Strecken haben, könnte aber Probleme bekommen, sobald es etwas kühler ist. "Sie scheinen einfach deutlich besser darin zu sein, ihre Reifen zu kühlen. Das haben wir schon letztes Jahr gesehen: In Singapur - heiß, Straßenkurs, anspruchsvoll - waren sie weit vorne. In Zandvoort, wo die Reifen ebenfalls schnell überhitzen, waren sie auch sehr stark."
"Aber in Las Vegas waren sie plötzlich nirgends. Ich vermute, dass sie auf bestimmten Strecken Probleme bekommen könnten. Aber ich bin mir sicher, dass sie schon einen Plan haben, um das auszugleichen. Sie wissen sicher genau, wo ihre Schwächen liegen", so der Brite.
Piastri: Das glaubt Russell doch selbst nicht ...
Die Aussagen Russells blieben jedoch nicht ohne Reaktion. Lando Norris hatte in Melbourne auf Russells Aussagen, McLaren könne sich schon voll auf 2026 konzentrieren, gemeint, dass das die falsche Einstellung sei, und Oscar Piastri denkt, dass Russell eigentlich selbst nicht daran glaubt, was er da von sich gibt.
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"George hat in den letzten Wochen ein paar lustige Dinge gesagt", winkt er ab. Zwar gibt er zu, dass McLaren in Australien ein sehr starkes Auto hatte, allerdings war es eben nur ein Rennen und der Albert Park Circuit eine Strecke, die dem Team in den vergangenen Jahren durchaus lag. "Ich denke, auf anderen Strecken werden wir sicher mehr Schwierigkeiten haben", so der Australier.
"Wenn er nach dem ersten Wochenende seine Saison abschreiben will, dann kann er das gerne tun", ergänzt er in Richtung Russell. "Aber wir sind uns sehr bewusst, dass Melbourne eher ein außergewöhnliches Wochenende war als das, was wir als Normalfall erwarten."
Verstappen ungläubig: "Er mag was nicht?"
Auch Max Verstappen wird nach den Aussagen von Russell und dem Abstand von McLaren gefragt, doch für den Weltmeister sei das "unmöglich" zu beantworten, wenn man nicht selbst im Auto gesessen hat.
"Sie sind superstark und ich habe eine Menge Respekt vor ihnen", sagt der Red-Bull-Pilot. "Sie sind in allen Bereichen gut, das ist einfach ein Fakt. Aber wie groß der Abstand ist, ist schwierig zu sagen."
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Was er aber nicht glauben kann, sind die Aussagen von Lando Norris von der Pressekonferenz. Der hatte gemeint, dass er das Fahrverhalten seines Autos nicht mag, weil es komplett gegen seinen Fahrstil gehen würde.
"Er mag was nicht?", fragt Verstappen darauf angesprochen. Antwort: "Das Verhalten seines Autos." - "Welches Auto?", meint er erstaunt. "Seinen eigenen McLaren? Vielleicht hat er einen Scherz gemacht ..."
Ferrari hat "nicht sein wahres Potenzial gezeigt"
Verstappen hatte das Formel-1-Jahr 2025 mit seinem zweiten Platz stark begonnen und Schadensbegrenzung betrieben. Für ihn ist klar, dass McLaren voraus ist, doch wie es dahinter aussieht, ist auch für ihn nur Rätselraten: "Ich denke, dass Red Bull, Mercedes, Ferrari und ich alle ziemlich nah beieinander lagen."
"Das wird wahrscheinlich von Strecke zu Strecke etwas unterschiedlich sein. Aber das klare Bild, das man gesehen hat, war, dass McLaren ziemlich weit vorne war. Ich glaube nicht, dass ich im Nassen ein Idiot bin, aber im ersten Stint hatte ich nicht wirklich eine große Chance zu kämpfen", sagt er.
Ähnlich sieht es auch Russell, der vor allem von Ferrari mehr erwartet hatte: "Ich glaube, Ferrari hat in Melbourne nicht sein wahres Potenzial gezeigt", so der Mercedes-Pilot. "Sie waren am Freitag eines der schnellsten Teams, sahen in Q1 und Q2 stark aus, aber in Q3 ging dann alles schief. Und im Rennen war es natürlich sehr schwierig."
"Die Runden, in denen Lewis draußen geblieben ist - wenn das Safety-Car in genau dieser Runde gekommen wäre, hätte er auf dem Podium gestanden. In diesem Sport geht es um ganz feine Unterschiede. Ich erwarte, dass Ferrari wieder vorne mitmischt", so Russell.