"Nicht erwartet": Perez-Experiment verhilft Verstappen zur Poleposition
Was Red Bull mit Sergio Perez unternommen hat, um dem RB20 Beine zu machen und Max Verstappen im vorletzten Qualifying des Jahres zur Poleposition zu verhelfen
(Motorsport-Total.com) - Max Verstappen ist zurück an der Spitze der Zeitenliste, und das aus seiner Sicht "völlig unerwartet". Denn eigentlich hatte sich Red Bull bislang beim Katar-Grand-Prix 2024 damit schwergetan, eine geeignete Abstimmung für den RB20 zu finden. Verstappen hatte damit nur P6 im Sprintqualifying und gar nur P8 im Sprint belegt. Die Poleposition schien nicht in Reichweite zu sein, aber trotzdem fuhr Verstappen im Qualifying Bestzeit.
Woher also kommt diese plötzliche Trendwende? Im Gespräch mit Sky verweist Red-Bull-Sportchef Helmut Marko auf "drastische Änderungen" am Auto, wodurch es "plötzlich funktioniert" habe. "Das ist ein Manko von uns: Wir haben nur eine ganz kleine Bandbreite, wo das Auto funktioniert. Und wenn du da rausfällst, bist du weg, und jetzt sind wir Gott sei Dank mittendrin im optimalen Fenster."
Red-Bull-Teamchef Christian Horner spricht bei Sky England sogar von einem "großartigen Comeback", nachdem sein Rennstall tags zuvor noch "wirklich Probleme" gehabt habe. Vor allem die Kurven 1, 2 "und besonders die Zielkurve" seien für den RB20 Gift gewesen. Am Samstagabend aber sei Verstappen "tadellos" durchgekommen und habe die Fahrzeugleistung "auf den Punkt" umgesetzt.
Das heißt: Der Weltmeister fuhr im Qualifying mit 1:20.520 Minuten auf Platz eins und war damit gut acht Zehntel schneller als im Sprintqualifying am Abend zuvor. Das verblüffte selbst Verstappen. Er gibt an, dergleichen "nicht erwartet" zu haben: "Ich hatte schon gedacht, dass uns Verbesserungen gelingen würden, aber nicht in dieser Dimension, ganz klar."
Aber was genau hat Red Bull unternommen, um jetzt auf einmal vorne zu sein? Laut Verstappen habe sich das Team "die Sache einfach angeschaut" und ausführlich analysiert. Restlos verstanden habe man die Lage allerdings nicht. "Wir sagten uns aber: 'Wir müssen jetzt diese Richtung einschlagen [beim Set-up].' Das haben wir dann so umgesetzt und es hat funktioniert."
Wer alles mitgewirkt hat an der Red-Bull-Trendwende
Im Kontrast zu den Äußerungen von Horner klingt das wie die Kurzfassung dessen, was hinter den Kulissen passiert ist. Denn Horner verweist auf intensives Teamwork zwischen der Red-Bull-Crew an der Rennstrecke und dem Personal zuhause in Milton Keynes. Beide Seiten hätten "sehr hart gearbeitet", um die Abstimmung des RB20 zu verfeinern.
Red Bull habe es nicht bei Details belassen, betont Horner: "Im Prinzip haben wir alles versucht und alles verändert, was man nur verändern kann. Und da weißt du nie, ob es dann für die Balance zusammenpasst. Doch das hat gepasst. Max' erster Kommentar war: 'Es fühlt sich deutlich besser an.' Und dann ist er einfach gefahren und hat es auf die spektakulärste Art und Weise umgesetzt."
Perez nutzt den Katar-Sprint als Testfahrt
Was aber weder Verstappen noch Horner erwähnen: Red Bull hat Verstappen-Teamkollege Sergio Perez im Katar-Sprint als "Versuchskaninchen" eingesetzt. Denn Perez hatte sich in einem verkorksten Sprintqualifying nur den 16. Platz für die Sprint-Startaufstellung gesichert. Statt P16 wurde für Perez dann aber ein Boxengassen-Start angesetzt, damit das Team nochmals das Set-up anpassen konnte.
Mehr noch: Perez probierte im Sprint gar nicht erst, in Richtung der Punkteränge vorzudringen, sondern konzentrierte sich auf möglichst freies Fahren am Ende des Feldes. Er nutzte den Sprint also schlicht als Test für die veränderte Abstimmung an seinem Auto.
Ob ihm das nicht schwergefallen sei, wird Perez gefragt. Antwort: "Naja, wenn du so weit weg bist und ein so kurzes Rennen vor dir hast, dann kann es sinnvoll sein, den Rest des Wochenendes vorzubereiten. Es gibt [im Sprint] ja nicht viele Punkte - und der Grand Prix kommt erst noch."
Perez' Erkenntnisse bringen Red Bull zurück in die Spur
Was genau Red Bull am Perez-Auto verändert hat, dazu schweigt sich das Team aus. Der RB20 mit der Startnummer 11 aber sei "ziemlich umgebaut" worden, beteuert Perez. Er habe so "viele wichtige Informationen" sammeln und "eine gute Richtung" für das Set-up finden können. Insgesamt habe Red Bull dadurch "gute Fortschritte" gemacht.
Tenor: "Am Sonntag sollten wir konkurrenzfähig sein", sagt Perez bei Fox Sports Mexico. "Das war das Ziel: im Rennen stark zu sein. Die Balance dürfte dann viel besser sein."
Vorarbeit von Perez, ja, aber ...
Für Verstappen war die Balance schon im Qualifying ein großer Fortschritt: "Das Auto fühlte sich von der ersten Q1-Runde an deutlich stabiler an beim Kurveneingang und bei Kurvenmitte. Alles, was vorher schlecht gewesen war, war jetzt ziemlich verbessert. Alles fühlte sich etwas konstanter an", so beschreibt es der Red-Bull-Fahrer. Nachsatz: "Genau das hatte es gebraucht, um etwas konkurrenzfähiger zu sein."
Das Comeback sei aber nicht nur Perez' Einsatz im Sprint zuzuschreiben, meint Verstappen. Sein Teamkollege habe lediglich "einen Schritt in diese Richtung unternommen". Verstappen selbst gibt an, er und seine Crew hätten die Abstimmung "dann insgesamt noch aggressiver umgesetzt", was Perez übrigens ähnlich sieht.
Und Verstappen betont: Man habe sich erst einmal darauf einlassen müssen. Denn die Analyse und Tests vorab seien das Eine. "Unterm Strich musst du dann vor Ort an der Rennstrecke die Entscheidung treffen, ob du das willst oder nicht." Und Verstappen wollte es.
Wie gut der RB20 im Qualifying wirklich war
So oder so: Der Erfolg gibt Red Bull recht. Denn Verstappen hatte im Qualifying "ein Auto, das etwas besser zusammenwirkt", erklärt er. "Es fühlt sich über eine Runde viel stabiler und vielversprechender an. Und wenn das Auto erstmal besser funktioniert, kannst du mehr Druck machen."
Das habe ihn wieder "Vertrauen" fassen lassen in sein Fahrzeug, sagt Verstappen weiter. "Es fühlte sich insgesamt einfach stimmiger an und ich war überall einen Tick besser. Dann kannst du auch in den Kurven besser attackieren. Das hat uns die Poleposition beschert, und das ist großartig."
Verstappen gesteht: "Ich hätte niemals gedacht, dass unsere Änderungen derart große Auswirkungen auf die Leistung haben würden. Daher Kompliment an das Team. Hoffentlich setzt sich das im Rennen so fort." (Den Grand Prix hier im Formel-1-Liveticker verfolgen!)
Über die Grand-Prix-Distanz werde es vor allem darauf ankommen, reifenschonend zu fahren, meint Verstappen. "Vor allem der linke Vorderreifen leidet hier ziemlich. Das muss man am Sonntag im Griff haben. Und hoffentlich gelingt uns das mit dem jetzigen Set-up ein bisschen besser. Aber das finden wir am Sonntag heraus."