Daniel Ricciardos Abschied: Schnellste Runde, Fahrer des Tages, Stallregie
Nach dem Formel-1-Rennen in Singapur räumt auch Daniel Ricciardo selbst erstmals ein, dass er vermutlich nicht mehr ins Racing-Bulls-Cockpit zurückkehren wird
(Motorsport-Total.com) - "Natürlich gibt es eine realistische Chance, dass das nicht passieren wird", antwortet Daniel Ricciardo nach dem Großen Preis von Singapur auf die Frage, ob er beim kommenden Formel-1-Rennen in Austin noch immer im Racing-Bulls-Auto sitzen werde?
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Hat sich Daniel Ricciardo in Singapur endgültig aus der Formel 1 verabschiedet? Zoom Download
Es ist das erste Mal, dass der Australier öffentlich das ausspricht, was ohnehin ein offenes Geheimnis war, von Red Bull bislang aber nicht offiziell bestätigt wurde: Das Nachtrennen in Singapur wird mit großer Wahrscheinlichkeit der letzte Grand Prix des 35-Jährigen gewesen sein.
Weil ab Austin Liam Lawson bei den Racing Bulls im Auto sitzen soll, steht Ricciardo zum zweiten Mal nach dem Ende der Saison 2022 ohne Cockpit da. Und weil es für 2025 fast keine Optionen mehr gibt, könnte es dieses Mal das endgültige Ende seiner Formel-1-Karriere sein.
Dementsprechend emotional ist Ricciardo auch bei den ersten Interviews nach dem Rennen. Nicht nur die körperliche Anstrengung nach dem Grand Prix ist ihm anzumerken, er sucht auch immer wieder nach Worten und muss teilweise mit den Tränen kämpfen.
Ricciardo beim Abschied "nicht schnell genug"
Doppelt bitter: Sein Rennen verlief nicht so, wie man sich einen Abschied wünschen würde. Nachdem er bereits im Qualifying am Samstag in Q1 als 16. ausgeschieden war, war auch das Rennen am Sonntag mit P18 nicht besser.
"Wir haben die Softs ausprobiert und versucht, am Start etwas aggressiver zu sein. Wir wussten, dass es ein schwieriger Ort zum Überholen sein würde. Man weiß nie, was in der ersten Runde passiert, und unsere Starts waren dieses Jahr nicht besonders gut", erklärt Ricciardo.
"Außerdem waren wir auf der schmutzigen Seite. Also dachten wir uns: 'Wenn wir einen harten [Reifen] aufziehen, geht es vermutlich nach hinten. Also lasst uns den Soft nehmen und schauen, wo uns das hinbringt'", so der Australier. Doch der Plan ging nicht auf.
Ricciardo konnte beim Start keine Position gewinnen, und auch auf ein Safety-Car wartete er vergeblich. "Letztendlich waren wir nicht schnell genug", fasst der achtmalige Grand-Prix-Sieger sein 257. und eventuell letztes Formel-1-Rennen zusammen.
Stallregie: Ricciardo wollte Tsunodas Rennen nicht "ruinieren""
Zu allem Überfluss musste er Mitte des Rennens auch noch seinen Teamkollegen Yuki Tsunoda vorbeilassen, der auf einer anderen Strategie unterwegs war. Der Japaner beschwerte sich dabei am Funk darüber, dass ihm das alles etwas zu lange dauerte.
"Ich habe nicht versucht, sein Rennen zu ruinieren", stellt Ricciardo klar und erklärt: "Als ich die Start-Ziel-Linie überquerte, wurde mir gesagt: 'Lass Yuki vor Kurve 7 vorbei.' Und das habe ich getan. Ich habe es also nie hinterfragt. Ich wusste, dass er auf einem besseren Reifen unterwegs war."
"Ehrlich gesagt, wusste ich, dass die Entscheidung unvermeidlich war, und ich habe nur darauf gewartet, dass das Team es mir sagt", so Ricciardo, dessen Teamkollege die Punkte als Zwölfter letztendlich aber auch verpasste. Der Australier gesteht, dass er natürlich auf ein besseres Rennen gehofft hatte.
Saison 2024 ein Wechselbad der Gefühle
"Natürlich war ich mir bewusst, dass dies vielleicht mein letztes Rennen war, also habe ich versucht, es zu genießen", so Ricciardo, der über seine Situation in diesem Jahr sagt, dass man bei Red Bull gefühlt immer nur von Rennen zu Rennen geschaut habe.
So gab es bereits früh in der Saison Gerüchte darüber, dass Ricciardo sein Cockpit an Liam Lawson verlieren könnte. Später war es dann Red-Bull-Pilot Sergio Perez, der angeblich auf der Abschussliste stand, und Ricciardo galt dort als möglicher Nachfolger.
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"Manchmal hat man das Gefühl, dass es in die eine Richtung geht, dann wieder in die andere", fasst er selbst dieses Wechselbad der Gefühle zusammen und erklärt: "Offensichtlich gab es an diesem Wochenende ein großes Interesse, und ich hätte mir ein besseres Wochenende gewünscht."
"Wer weiß, ob das etwas geändert hätte oder ob die Entscheidung schon vor dem Wochenende gefallen ist", so der 35-Jährige. Denn bereits vor Singapur waren sich Experten wie Ralf Schumacher sicher, dass es so oder so Ricciardos letztes Rennen sein würde.
Fahrer des Tages "eine wirklich nette Geste"
Zumindest zwei kleine Highlights gab es in diesem dann auch doch noch. Da wäre einmal die Wahl zum offiziellen Fahrer des Tages, die Ricciardo gewinnen konnte. Ein typisches "Abschiedsgeschenk" der Formel-1-Fans, das in der Vergangenheit zum Beispiel auch schon Sebastian Vettel oder Kimi Räikkönen bekommen haben.
Ricciardo verrät: "Ich will ehrlich sein: Ich denke nicht, dass der Fahrer des Tages uns Fahrern normalerweise viel bedeutet. Es ist schön, aber es ist nicht etwas, mit dem wir angeben. Aber ich denke, dass die Fans heute offensichtlich die Nachrichten lesen und wissen, dass dies mein letztes Rennen sein könnte."
Daher sei es dieses Mal "eine wirklich nette Geste" gewesen, "und heute weiß ich es zu schätzen", so Ricciardo. Er danke den Fans dafür, "dass sie dabei waren und meine Bemühungen und meine Liebe zum Sport anerkannt haben."
Schnellste Runde: "Schönes Weihnachtsgeschenk gesichert!"
Das zweite Highlight war die schnellste Runde, die er ganz am Ende noch fahren durfte. Das Team holte ihn kurz vor Rennende, als er ohnehin bereits aussichtslos auf dem 18. Platz lag, extra noch einmal an die Box, um ihm einen neuen Satz frische Reifen zu geben.
Ricciardo ahnte schon, "dass sie mir etwas Spaß gönnen würden, weil wir offensichtlich weit von den Punkten entfernt waren." Nebeneffekt: Durch die schnellste Runde nahm er Lando Norris, der zuvor die schnellste Runde gefahren war, den Bonuspunkt noch weg.
Damit tat er Red Bull und seinem Kumpel Max Verstappen also auch noch einen Gefallen. Mit einem Grinsen erklärt er: "Ich hoffe, dass Max [den Titel] mit einem Punkt Vorsprung gewinnt, denn dann habe ich mir ein sehr schönes Weihnachtsgeschenk gesichert."
Darauf angesprochen bestätigt der Niederländer selbst mit einem Lachen: "Er kann sich alles wünschen, was er will!" Nur sein Wunsch, eines Tages noch einmal als Verstappen-Teamkollege zu Red Bull zurückzukehren, wird sich wohl nicht mehr erfüllen.