• 15. September 2024 · 14:46 Uhr

Rennende nach Sainz-Perez-Crash unter Gelb: Oscar Piastri gewinnt in Baku!

Was für ein Thriller beim Grand Prix von Aserbaidschan: Oscar Piastri behält im Vierkampf um den Sieg die Nerven, Carlos Sainz und Sergio Perez nicht

(Motorsport-Total.com) - Nicht McLarens designierte Nummer 1 Lando Norris oder Polesetter Charles Leclerc hat den Grand Prix von Aserbaidschan 2024 gewonnen, sondern Oscar Piastri. Der 23-jährige Australier feierte in Baku seinen zweiten Grand-Prix-Sieg nach dem Hungaroring im Hochsommer, und das mit einer besonders in den letzten Runden extrem abgeklärten Leistung trotz abbauender Reifen.

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Oscar Piastri feiert in Baku den zweiten Sieg seiner Formel-1-Karriere Zoom Download

Aber die Story des Rennsonntags in Baku ist die Kollision zwischen Carlos Sainz (Ferrari) und Sergio Perez (Red Bull) im Kampf um Platz 3, durch die George Russell (Mercedes) hinter Charles Leclerc (Ferrari) noch auf das Podium vorrückte.

Piastri gewann das Rennen unter Gelb (virtuelles Safety-Car) und wurde zum Fahrer des Tages gewählt.

Lando Norris (McLaren) eroberte nach einer tollen Aufholjagd noch den vierten Platz, vor seinem WM-Rivalen Max Verstappen (Red Bull), der mit dem Fahrverhalten seines Autos am Rennsonntag überhaupt nicht zufrieden war.

Fernando Alonso (Aston Martin) wurde Sechster und rundete gemeinsam mit Alexander Albon (Williams), der wie Norris einen langen ersten Stint fuhr, Franco Colapinto (Williams), dem aus der Boxengasse gestarteten Lewis Hamilton (Mercedes) und Oliver Bearman (Haas) die Top 10 ab.

Nico Hülkenberg (Haas) wurde Elfter, obwohl er Bearman zu Beginn des Rennens mit Teamorder überholt hatte. Zufrieden war er damit nicht: "In den letzten zwei Runden ist einiges schiefgelaufen. Ich möchte gar nicht näher drauf eingehen, aber da haben wir das Rennen verloren."

Bearman ist somit der erste Formel-1-Rookie der Geschichte, der in den ersten beiden Rennen seiner Karriere für zwei unterschiedliche Teams WM-Punkte geholt hat.

Insgesamt sahen 16 Fahrer die Zielflagge. Neben Sainz und Perez schieden auch Lance Stroll (Aston Martin) und Yuki Tsunoda (Racing Bulls) aus.

Auswirkungen hat das Ergebnis in Baku auf die Konstrukteurs-WM. In der hat McLaren jetzt 476 Punkte und damit Red Bull (456) als Spitzenreiter abgelöst. Ferrari liegt mit 425 Punkten auf Platz 3.

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Wer waren die Gewinner und Verlierer der Startphase?

Gewinner am Start waren eindeutig die beiden Red Bulls. Wie zwei Synchronschwimmer überholten Perez und Verstappen zeitgleich die jeweils vor ihnen liegenden Gegner Sainz und Russell und verbesserten sich damit von P4/6 auf P3/5.

Etwas weiter hinten zog sich Stroll bei einem Kontakt mit Tsunoda einen Reifenschaden zu. Der Kanadier fuhr am Ende der ersten Runde an die Box, riss aber eine große Lücke im Feld auf, weil in der engen Altstadtpassage keiner an ihm vorbeikam. So waren nach drei Runden mehr als vier Sekunden zwischen Bearman auf P10 und Norris auf P11.

Norris war 15. der Startaufstellung, obwohl er sich nur als 17. qualifiziert hatte. Denn Pierre Gasly (Alpine) wurde vom Qualifying wegen zu hoher Messwerte beim Benzindurchfluss disqualifiziert, und Hamilton musste wegen eines Powerunit-Wechsels aus der Box starten. Nach drei Runden war Hamilton aber immerhin schon wieder 15.

Wie lief Norris' Aufholjagd?

Norris startete, anders als die Spitze, mit harten Reifen ins Rennen. In der Startphase arbeitete er sich rasch auf Platz 11 nach vorn. Dann benötigte er ein paar Runden, um zu Bearman aufzuschließen. Der war in Runde 7/8 mit DRS bei Start und Ziel ein leichtes Opfer für den McLaren. Damit lag Norris ab Runde 8 erstmals in den Punkterängen.

Bearman geriet jetzt durch Hülkenberg unter Druck, und in Runde 9 wurde der Deutsche informiert: "Nico, wir tauschen bei Start und Ziel die Plätze." Hülkenberg hatte auch noch den Vorteil von DRS, und so verlief das teaminterne "Überholmanöver" zu Beginn von Runde 10 ohne Probleme.

Nach 15 Runden war Norris durch die Boxenstopps der Spitze auf P5 vorgerückt - und hatte Perez hinter sich, der im Fernduell gegen Piastri um Platz 2 kämpfte. McLaren bat Norris um Kooperation: "Kannst du irgendwas tun, Perez hinter dir zu halten, ohne dir selbst wehzutun?" Was Norris bejahte.

Teamwork mit erfolgreichem Ausgang, denn Perez zog zwar am Beginn der 16. Runde an Norris vorbei, aber da war Piastri schon wieder auf dem Weg aus der Box raus - und setzte sich ein paar Wagenlängen vor Perez wieder fest. Was beweist: Auch wenn Norris inzwischen die erklärte Nummer 1 ist, geht das Teamwork bei McLaren in beide Richtungen.

In Runde 30 wollte McLaren Norris dann an die Box holen. Norris hatte eigentlich noch Körner auf seinen Reifen, fand aber keinen Weg an Albon vorbei, dessen Williams mit dem guten Topspeed schwierig zu überholen war. In letzter Sekunde revidierte das Team den Call aber und ließ Norris noch draußen, sodass Albon von den beiden derjenige war, der früher reinkam.

Eine Taktik, die funktionierte: Norris fiel durch den Boxenstopp auf Platz 7 zurück, lag danach 14,7 Sekunden hinter Verstappen, fuhr jetzt aber mit den frischesten Reifen die mit Abstand besten Rundenzeiten im gesamten Feld.

Durch die Sainz-Perez-Kollision am Ende und ein Überholmanöver gegen WM-Rivale Verstappen dank Reifenvorteil im Finish kam Norris letztendlich als Vierter ins Ziel. Mehr als Schadensbegrenzung nach einem völlig verkorksten Qualifying.

Wie lief das Rennen an der Spitze?

Leclerc und Piastri konnten sich schon in den ersten drei Runden leicht von Perez absetzen. Doch Leclerc schaffte es zunächst nicht, Piastri abzuschütteln, der ein paar Runden lang sogar etwas schneller wirkte. Aber dann zündete Leclerc den Turbo. Als Piastri in Runde 15 an die Box kam, betrug Leclercs Vorsprung auf Piastri schon 5,8 Sekunden.

Nach Leclercs Stopp waren es nur noch 2,1 Sekunden, doch immerhin hatte er die "Trackposition" verteidigt. Aber: Auf den harten Reifen gewann plötzlich Piastri Oberwasser. Am Ende der 19. Runde setzte er Ende Start-Ziel eine Attacke auf der letzten Rille, schaffte aber ein Überholmanöver ohne stehende Räder. Führungswechsel im Grand Prix.

"Die pushen wie verrückt", dämmerte Leclerc kurz vor dem Positionsverlust, und: "Ohje, die haben mehr Grip als wir." Sein Renningenieur munterte ihn aber auf: "Achte einfach weiter auf deine Reifen. Es ist noch ein langes Rennen." Und Leclerc schaffte es zunächst, in der DRS-Sekunde zu bleiben und Piastri nicht davonziehen zu lassen.

"Als mich Oscar überholte", analysiert Leclerc, "dachte ich zuerst: 'Ich muss ruhig bleiben, die Reifen am Leben halten und ihn später wieder überholen. Aber das war schwierig. Ich konnte auf den Geraden nicht so dranbleiben, wie ich mir das vorstellte. Wir haben das Rennen verloren, weil ich in der einen Situation nicht gut genug verteidigt habe."

Nach dem Rennen unterhielten sich Piastri und Leclerc im Podiumroom über die Situation. Da gab Piastri zu, dass er beim Überholmanöver viel riskieren musste und es eine 50:50-Chance gewesen sei. Im ersten Interview sagte er dann: "Ich wusste, dass ich nie vorbeikomme, wenn ich es nicht gleich zu Beginn des Stints schaffe."

Und Leclerc ärgert sich, dass er in der Überholsituation nicht aggressiver verteidigt hat. Denn danach war der Konter zu knifflig: "Sie sind mit weniger Downforce gefahren", analysiert er. "Oscar ist auf den Geraden geflogen, und das hat uns heute das Rennen verloren. Ich war im Bereich ums Schloss viel schneller, aber da kannst du halt nicht überholen."

Was passierte hinter Piastri und Leclerc?

Von hinten profitierte Perez vom Duell um die Führung, sodass es ab Runde 20 ein Dreikampf um die Spitze war. Dahinter lagen Albon und Norris, die noch nicht Reifen gewechselt hatten, vor Sainz, Verstappen und Russell. Sainz hatte auf Perez schon 6,6 Sekunden Respektabstand, sodass die Top 3 zu dem Zeitpunkt außer Reichweite schienen.

Verstappen hatte diesmal keine Chance auf das Podum. Schon zu Beginn des Rennens meckerte er: "Ich habe keinen Biss im Auto." Was ServusTV-Experte Philipp Eng so erklärt: "Eine typische Rennfahrer-Aussage, wenn du eine schlechte Vorderachse hast, die nicht gescheit einlenkt."

In Runde 25 lag Verstappen dann mit den um zwölf Runden frischeren Reifen hinter Norris, der noch nicht gestoppt hatte, und war zwar deutlich schneller, musste aber einmal eine Kurve innen abschneiden.

Grund: "Meine Bremsen funktionieren nicht", meldete er an die Red-Bull-Box. Die antwortete: "Temporär, Max, lass sie uns ein paar Runden lang kühlen." So wuchs sein Rückstand auf Sainz, der vor dem Boxenstopp noch 5,5 Sekunden betragen hatte, auf rund zehn Sekunden an.

In Runde 34 verlor Verstappen dann eine Position gegen Russell. "Ich kann das nicht halten", funkte er, und: "Das Auto hüpft hinten. Ich habe keinen Bodenkontakt mehr." Währenddessen lief Russells Mercedes wieder besser, obwohl er zwischendurch vermutet hatte, eine Plastiktüte in den Seitenkasten bekommen zu haben.

"Im ersten Stint", sagt Russell, der am Ende Dritter wurde, "hatten wir ein Auto, das war nicht einmal Top-10-Niveau. Und im zweiten Stint waren wir dann so schnell, dass wir auch gewinnen hätten können. Der einzige Unterschied waren die Reifen."

Danach ging es für Verstappen nur noch drum, Platz 6 gegen den von hinten drückenden Norris zu verteidigen. Was ihm nicht gelang. In der 49. von 51 Runden war der Red Bull mit den abbauenden Reifen gefundenes Fressen für den Norris-McLaren, der damit in der Weltmeisterschaft den Rückstand von 62 auf 59 reduziert (dank Bonuspunkt für die schnellste Rennrunde).

Wurde es zwischen Piastri und Leclerc nochmal spannend?

Wie schon im ersten war es auch im zweiten Stint so, dass der Ferrari mit zunehmendem Reifenverschleiß relativ schneller wurde als der McLaren. In Runde 29 zeigte sich Leclerc Ende Start-Ziel erstmals im Rückspiegel von Piastri und erhöhte den Druck. Und von hinten war Perez ebenfalls dran, dem seine Crew einflüsterte: "Deine Reifen sind noch in einem guten Zustand."

Zwischen McLaren und Ferrari begannen jetzt die Spielchen. Irgendwann wurde an Leclerc gefunkt: "Box opposite McLaren!" Und weil Piastri draußen blieb, hätte das eigentlich suggeriert, dass Leclerc an die Box kommen soll. Doch der Monegasse fuhr an der Boxeneinfahrt vorbei. Also wahrscheinlich nur ein Trick?

Wenig später funkte Leclercs Renningenieur: "Wir denken über Plan C nach." Worauf der Fahrer aus dem Cockpit antwortete: "Nicht dumm." Was genau Plan C war, darüber herrschte jedoch außerhalb des Ferrari-Teams Rätselraten. Denn ein zusätzlicher Boxenstopp schien zu dem späten Zeitpunkt im Rennen eigentlich keine Option mehr zu sein.

Während sich die beiden Führenden bekämpften, teilweise mit querstehenden Autos, rückten von hinten zuerst Perez und dann auch Sainz wieder näher. "Wann haben wir das zuletzt erlebt, dass man zehn Runden vor Schluss nicht weiß, wer den Grand Prix gewinnt?", schwärmte ServusTV-Kommentator Andreas Gröbl in der österreichischen Live-Übertragung.

Den Ferraristi war jetzt klar, dass das Rennen nur noch im Rad-an-Rad-Duell zu gewinnen ist. "Come on", wurde Leclerc angefeuert. "Das ist gut, halte den Druck aufrecht." Aber Piastri fuhr ein abgeklärtes Rennen, streifte einmal ganz zart die Mauer, ließ sich aber in keinen nennenswerten Fehler hetzen. "Benzin ist okay, achte nur auf die Reifen", funkte ihm der McLaren-Kommandostand.

Fünf Runden vor Schluss musste Leclerc dann plötzlich abreißen lassen. "Ich habe keine Hinterreifen mehr. Überhaupt keine Hinterreifen mehr", seufzte er. Jetzt wurde sein Rennen zu einer Verteidigungsschlacht gegen Perez und Sainz, die ihre Reifen in der vorangegangenen Phase besser schonen konnten.

Wie kam es zum Crash in Runde 50?

Ende der 49. Runde spitzte sich der Dreikampf um Platz 2 zu. Perez setzte sich in Kurve 1 außen neben Leclerc, der aber kontern konnte. Perez verlor Schwung - und dadurch zog auch Sainz an Perez vorbei.

Perez ließ aber nicht locker, und zwischen Kurve 2 und 3 kam es zur Kollision Sainz gegen Perez. Sainz hatte die Nase auf gerader Strecke leicht voran, als es krachte. "Was zur Hülle? Was für ein Idiot?", fluchte Perez am Boxenfunk, und Sainz erste Reaktion war: "Was ist da passiert? Ich kapier's nicht."

Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko analysiert im Interview mit ServusTV: "So wie ich das gesehen habe, ist Sainz dem Checo völlig unmotiviert ins Auto gefahren. Es gab keinen Grund, so abrupt nach links zu ziehen."

Da widerspricht ServusTV-Experte Christian Klien: "Abrupt ist Sainz definitiv nicht rübergekommen. Er versucht auch, seine Position gegen Perez hin zur Kurve 3 zu verteidigen. Natürlich zieht Sainz leicht nach links, aber das ist nicht abrupt. Das muss der Hinterherfahrende sehen. Ich sehe die Schuld nicht bei Sainz, aber auch nicht bei Perez."

Rennleiter Niels Wittich aktivierte das virtuelle Safety-Car, sodass das Rennen unter gelber Flagge zu Ende ging. Piastri gewann somit 10,9 Sekunden vor Leclerc. Den dritten Platz erbte durch die Kollision Russell, Vierter wurde Norris, Fünfter Verstappen - der in der Gelbphase noch einen zusätzlichen Boxenstopp einlegte, der ohne Auswirkungen blieb.

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