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George Russell: Krücke und Siegerauto im gleichen Rennen
Erst eine Sekunde langsamer als die Spitze, dann auf einmal eine Sekunde schneller: Die Pace von Mercedes beim Formel-1-Grand-Prix von Baku wirft Fragezeichen auf
(Motorsport-Total.com) - George Russell hat beim Großen Preis von Aserbaidschan ein Podium für Mercedes geerbt, nachdem die an Rang drei und vier liegenden Sergio Perez und Carlos Sainz in der vorletzten Runde crashten. Platz drei ist nach der gezeigten Leistung der Silberpfeile am Rennsonntag aber mehr als nur schmeichelhaft, denn gerade zu Rennbeginn hatte der W15 überhaupt keine Pace.
Während Lewis Hamilton, der aus der Box starten musste wegen eines Motorenwechsels, kaum signifikante Fortschritte machen konnte, hatte Russell in der Spitzengruppe Mühe, die Pace von Ferrari, McLaren und Red Bull mitzugehen. Allerdings war der Mercedes-Speed am Rennende dann wieder überraschend stark, was für Verwunderung gesorgt hat.
"Im ersten Stint waren wir wirklich langsam", sagt Russell. "Ich war in den meisten Runden etwa eineinhalb Sekunden langsamer als Charles. Und das fühlte sich alles ziemlich katastrophal an. Aber dann waren wir in den letzten 20 Runden des Rennens eine Sekunde schneller als Piastri und Charles und drei oder vier Zehntel schneller als Max und Carlos und Checo. Ich bin also ein bisschen ratlos, warum das so ist. Der einzige Unterschied ist der Wechsel von einem gelben zu einem weißen Reifen."
Erfahrungvorteil? Mercedes mit alternativer Reifenwahl in Baku
Mithilfe der Daten unseres Technologiepartners PACETEQ haben wir uns die Mercedes-Rundenzeiten noch einmal genau angesehen. Im Schnitt war Russell im ersten Stint auf den Mediums 1,027 Sekunden pro Runde langsamer als Charles Leclerc an der Spitze. Im zweiten Stint auf den harten Reifen fehlten dafür nur 0,018 Sekunden pro Runde. Nach dem Reifenwechsel hat der Brite damit praktisch keine Zeit mehr auf die Spitze verloren.
Mercedes war am Freitag das einzige Team, was einen Longrun auf dem harten C3-Reifen gemacht hat. Dafür hat man sich eine Rennsimulation auf dem Medium geschenkt. Bei Ferrari war die Reifenwahl genau umgekehrt und man konnte sehen, dass die Scuderia auf dem mittleren C4 deutlich besser performte als auf dem Hard. Ist es also alles nur eine Sache der Trainingserfahrung?
"Nicht wirklich, um ehrlich zu sein", glaubt Russell. "Im Training am Freitag ... Die Strecke war an diesem Wochenende sehr schmutzig, und am Freitag lag ich etwa drei Sekunden hinter der Pace, also habe ich nichts dazu beigetragen." Dennoch war Mercedes in den Longruns am Freitag im Schnitt das schnellste Team.
Mercedes-Ingenieur: Warum der Medium nicht funktioniert hat
"Wir müssen verstehen, was im Rennen passiert ist, denn im letzten Stint hatten wir ein Auto, das durchaus in der Lage war, dieses Rennen zu gewinnen", so Russell weiter. "Und im ersten Stint hatten wir ein Auto, das es wahrscheinlich nicht verdient hatte, in den Top 10 zu sein. Und der einzige Unterschied sind die Reifen."
"Wir sind nicht das einzige Team, das darüber spricht. Es ist für uns alle manchmal ziemlich frustrierend, wenn man die Leistungsschwankungen zwischen einem Q1 und einem Q2 oder von einem Stint zum anderen nicht versteht. Ja, das ist eine Herausforderung."
Andrew Shovlin, der leitende Mercedes-Ingenieur an der Strecke, hat eine Erklärung, warum der Medium für Mercedes überhaupt nicht funktionierte: "Der erste Stint war für beide Fahrer schwach. Wir konnten nicht verhindern, dass die Hinterreifen überhitzten, und irgendwann sah es so aus, als ob uns ein sehr schwieriger Nachmittag bevorstehen würde."
Die harten Reifen lagen uns viel besser. George hatte freie Fahrt, um herauszufinden, wie er das Beste aus den Reifen herausholen und sie in einem guten Fenster halten konnte. Das hat ihm später im Rennen sehr geholfen. Wir haben zu Beginn des Rennens zu viel Zeit verloren, um mit den Führenden mithalten zu können, aber es war gut, Verstappen zu überholen - das war entscheidend für das Podium."
Shovlin will auf der anderen Seite aber auch nicht zu euphorisch werden: "Es war schön, ein Auto auf dem Podium zu haben, aber wir dürfen uns nichts vormachen: Dieses Wochenende war nicht gut genug und wir müssen uns verbessern."
Toto Wolff: Mercedes noch weit weg von der Pace
Ein weiterer Fakt verblüfft. Lando Norris fuhr mit Abstand die schnellsten Runden des Rennens, da er gegen Ende des Grand Prix noch einmal neue Mediums aufschnallte. Die schnellste Runde eines anderen Fahrers legte aber Russell hin, der auf der gleichen Strategie wie Oscar Piastri oder auch Charles Leclerc unterwegs war und daher auch kein Reifenvorteil hatte. Seine Runde war zudem über vier Zehntel schneller als die jeweils schnellste Runde der beiden vor ihm.
Teamchef Toto Wolff fügt hinzu: "Ich denke, es ist knifflig, wenn man in einem Zug ist und um die Position kämpft, aber unser Auto ist eindeutig nicht gut genug. Die Balance ist nicht gut genug, um wirklich mithalten zu können. Darunter haben wir gelitten."
"Und der zweite Stint war wirklich erstaunlich. Am Anfang war es schwierig. Aber sobald das Auto seine Balance gefunden hatte, weil George es so fuhr, wie es gefahren werden muss. Ich meine, wir waren zeitweise das schnellste Auto."
Zeitweise habe man bei Mercedes sogar mal gesponnen, ob man möglicherweise noch in den Spitzenkampf aufschließen kann: "Wir haben im Rennen noch gescherzt, wo wir gesagt haben, die werden jetzt abbauen, was sie dann aber nicht gemacht haben", so Wolff. "Die haben sich so gejagt, dass die Möglichkeit bestand, dass sie den Reifen einfach in Grund und Boden fahren."
"Am Ende war die Pace von Piastri und Leclerc natürlich weit weg für uns, weil die haben den Reifen total massakriert und waren trotzdem schnell und das können wir nicht. Aber trotzdem gab es viel zu lernen und kann hoffentlich schon in Singapur angewendet werden."