Lando Norris: "Das war ein bisschen zu eng" mit Oscar Piastri
So reagiert McLaren-Fahrer Lando Norris auf das riskante Überholmanöver seines Teamkollegen Oscar Piastri in der ersten Runde beim Formel-1-Rennen in Monza
(Motorsport-Total.com) - Die erste Runde beim Italien-Grand-Prix 2024 in Monza hatte es in sich für McLaren. Denn schon in der zweiten Schikane hätte alles vorbei sein können, als Oscar Piastri mit einem riskanten Manöver außenrum an Pole-Mann Lando Norris vorbeiging. Genau diese Szene in der Della-Roggia-Schikane sorgt nun für Gesprächsstoff bei McLaren.
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Oscar Piastri gegen Lando Norris: Der McLaren-Zweikampf in Runde eins in Monza 2024 Zoom Download
Vor allem Norris zeigt sich nicht begeistert davon, wie sein Teamkollege mit ihm umgegangen ist. Wohl auch, weil ihn zumindest "ein bisschen" überrascht hat, dass überhaupt ein Angriff erfolgt ist in der ersten Runde, und dann auch noch an einer potenziell gefährlichen Stelle, wie Norris im Gespräch mit Sky betont.
Er sagt: "Das war ein bisschen zu eng, finde ich. Wir hätten leicht beide in dieser Kurve rausfliegen können, wenn ich nur einen Meter später bremse."
Piastri wiederum ist sich keiner Schuld bewusst und meint, er habe einfach "später gebremst" und sei dann auf der Außenseite vorbeigefahren. "Mehr war es eigentlich nicht", sagt Piastri. "Wir kamen ja auch beide unbeschadet durch."
Und das muss auch Norris anerkennen: "Es gab keine Berührung, also hat Oscar das gut gemacht."
Was die "Papaya-Regeln" von McLaren bedeuten
Übrigens völlig im Einklang mit den geltenden Spielregeln bei McLaren, den sogenannten Papaya-Regeln, also dem Pendant zum Mercedes-Verhaltenskodex auf der Rennstrecke, den Toto Wolff einst im eskalierenden Stallkrieg zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg eingeführt hat.
Auf die konkrete Nachfrage, was genau die McLaren-Version dieser Regeln ausmache, antwortet Norris: "Keinen Unfall bauen. Das ist alles."
McLaren-Boss Zak Brown bestätigt Norris' Worte im Gespräch mit Sky. Die Papaya-Regeln zielten darauf ab, dass die Teamkollegen "hart, aber sauber" miteinander kämpfen dürfen, ohne sich dabei zu berühren. "Im Prinzip heißt es: Respektiere deinen Teamkollegen." Er könne deshalb keinen Verstoß seitens Piastri feststellen. Der Australier habe sich in Monza zwar aggressiv, aber korrekt verhalten.
So sieht es auch Teamchef Andrea Stella, der zwar "nicht zu sehr ins Detail gehen" will beim Inhalt der Papaya-Regeln, aber McLarens Offenheit und Transparenz betont. Weiter sagt Stella: "Wir wollen Integrität und Fairness wahren und wir wollen mit gesundem Menschenverstand vorgehen. Aber wir wollen eben auch Erster werden in beiden Gesamtwertungen."
Kann sich McLaren solche internen Zweikämpfe leisten?
Ist ein potenziell gefährliches Manöver wie dieses dann überhaupt vertretbar? Das will McLaren im Nachgang analysieren. Brown und Stella jedenfalls kündigten eine gründliche Aufarbeitung an.
Brown meint: "Es war ein aggressives Manöver und darüber werden wir noch sprechen. Lando war wahrscheinlich überrascht von diesem Manöver. Er ging vermutlich davon aus, wir übernehmen die Doppelführung und versuchen erstmal, einen Abstand rauszufahren. Aber darüber reden wir noch."
Stella will vor allem "die individuellen Perspektiven nachvollziehen" und herausfinden, "ob wir den Vorgaben völlig entsprochen haben oder nicht", erklärt er.
"Wir werden die Lektionen daraus lernen, sofern es etwas zu lernen gibt. Und im zweiten Schritt passen wir unsere Papaya-Regeln an, damit wir auf bestmögliche Art und Weise um die beiden Titel kämpfen können."
Die neuen Saisonziele von McLaren
Und da ist es, das neue Selbstverständnis von McLaren: Dass in der Formel-1-Saison 2024 mehr drin sein könnte als nur einzelne Rennsiege.
"Wir befinden uns jetzt in einer Position, in der wir einräumen müssen: Nicht nur die Konstrukteurs-WM ist möglich", sagt Stella. "Auch aus Fahrersicht ist es definitiv möglich, wenn man unsere aktuelle Leistung und die Probleme bei Red Bull bedenkt. Wenn wir also beides erreichen können als Team, dann müssen wir McLaren als Team und Lando in eine Ausgangslage versetzen, dass es möglich ist."
Kommt jetzt die Stallregie für Norris?
Das klingt nach Stallregie, aber dieses Wort vermeiden die McLaren-Bosse konsequent. Teamchef Stella verweist lediglich auf "Gespräche" mit seinen Fahrern und meint: "Selbst vor dem Rennen in Monza haben wir gesagt, dass Lando am besten positioniert ist in der Fahrer-WM. Wir sprechen deshalb mit Oscar und mit Lando, wir sprechen miteinander. Dann definieren wir unsere Spielregeln."
"Und wie ich schon sagte: Wir müssen uns die erste Runde noch einmal ansehen. Es muss kompetent ablaufen, detailliert, spezifisch. Und dann müssen wir sehen, was wir daraus für künftige Situationen lernen können. Denn wir wollen versuchen, mit Lando um die WM zu fahren."
Die Situation bei McLaren ist aber komplexer, weil laut Brown "Priorität hat, beide Titel zu gewinnen". Dazu erklärt er: "Mir ist schon klar, dass das eigentlich zwei Prioritäten sind. Aber wir haben zwei junge Fahrer, die beide gewinnen wollen. Und wir verfolgen schon immer die Strategie, zwei Nummer-1-Fahrer zu haben. Das war schon immer das McLaren-Motto, auch wenn das manchmal schwierig werden kann."
Brown verweist auf berühmte McLaren-Rivalitäten wie Hamilton/Alonso und davor Senna/Prost und meint: "Es ist eben eine Frage der Einstellung: Bist du als Team auf ein Auto ausgerichtet oder auf zwei?"
Eine Antwort auf seine eigene Frage in Bezug auf die Saison 2024 gibt sich Brown hier nicht. Er sagt aber: "Das Einfachste wäre gewesen, Lando wäre [in Monza] einfach davongefahren. Dann hätten wir keine schwierigen Entscheidungen zu treffen. Aber Andrea und ich nehmen es Rennen für Rennen."
Stella ergänzt: "Wir müssen nur sicherstellen, dass das Ergebnis im besten Sinne ist für das Team und die Fahrer-WM."
Was Norris hätte anders machen können
Was wiederum zu der Frage führt, ob nicht Norris selbst hätte energischer auftreten können oder gar müssen, um seine Titelchancen gegen Max Verstappen zu wahren. Doch in seiner ersten Reaktion nach dem Rennen gab sich Norris ratlos: "Ich weiß nicht, was ich da hätte anders machen sollen."
"Wenn ich zurückspulen könnte, würde ich es ein bisschen anders machen. Aber wenn ich einen Meter später bremse, dann wäre ich wahrscheinlich verunfallt."
Und manchmal sei es eben auch "leichter gesagt als getan", meint Norris. "Oscar hat am Limit gebremst und mir Platz gelassen. Es hat gerade so gereicht. Ich habe mein Bestes getan, um alles andere zu vermeiden. Aber wenn ich zwei Meter später bremse, dann weißt du das nicht und du kannst es nicht vorhersehen. Dann hätte es leicht krachen können. Also: schwierig."
"Das Einfachste wäre, deutlich später zu bremsen, ihn von der Bahn zu drücken und nicht anders zu behandeln als jeden anderen im Feld", sagt Norris, wohl wissend, dass er damit gegen die Papaya-Regeln verstoßen hätte. Darauf hat Norris beim Zweikampf in Runde eins verzichtet.
Und ein bisschen Selbstkritik schwingt mit, wenn er sagt: "Wir hatten viel Puffer nach hinten, also war ich vielleicht einen Tick auf der vorsichtigen Seite und habe den Preis bezahlt. Aber es ist, wie es ist. Oscar ist ein gutes Rennen gefahren, Charles [Leclerc] ebenfalls."