Carlos Sainz: "Als würde man eine Münze werfen"
Warum Ferrari-Fahrer Carlos Sainz in Monza nicht ebenfalls unter die Top 3 kam und wie sich die Pirelli-Reifen auf wundersame Weise selbst wieder "geheilt" haben
(Motorsport-Total.com) - Ferrari hat den Italien-Grand-Prix in Monza gewonnen, aber Ferrari ist im gleichen Rennen auch "nur" Vierter geworden. Denn während Charles Leclerc als Erster die Ziellinie kreuzte, blieb Carlos Sainz gut 15 Sekunden dahinter nur die erste Position nach den Podestplätzen. Aber warum eigentlich?
Sainz selbst meint: "Eigentlich ging es in diesem Rennen nur darum, wer die Strategie am besten an die Gegebenheiten anpasst. Mit einem Auto haben wir das richtig hinbekommen."
Leclerc stoppte bereits in Runde 15 und wechselte von Medium auf Hard. "Wir aber sind vielleicht fünf, sechs Runden zu lange draußen geblieben, und das hat mich sechs, sieben Sekunden gekostet auf den Mediums mit Graining", sagt Sainz.
Tatsächlich kam er nur vier Runden nach Leclerc ebenfalls zum Service, verlor in der Boxengasse aber zusätzliche Zehntelsekunden auf die Spitze - und danach die Tuchfühlung zur Gruppe davor.
"Der Windschatten ist hier ganz entscheidend. Als die McLaren um Runde 15 an die Box fuhren, fehlte mir der Windschatten. Da merkte ich erst, wie langsam man ohne Windschatten ist. Dann bildete sich ein Zug aus drei Autos heraus und ich hing mitten im Nirgendwo fest und hatte noch dazu Lewis [Hamilton] hinter mir hängen", erklärt Sainz.
In Zahlen ausgedrückt: Wo er vor dem Stopp noch bis auf drei Sekunden dran war an seinem Vordermann, klaffte nach dem Reifenwechsel eine Lücke von mehr als neun Sekunden.
War Sainz nicht aggressiv genug?
Ob es Sainz in dieser Phase dann zu ruhig hat angehen lassen? Er selbst räumt ein, in diesem Abschnitt des Rennens viel spekuliert zu haben: "Wir dachten halt, dass die Leute, die schon um Runde 15 herum reingefahren waren, auf zwei Stopps gehen würden." Und auch Ferrari selbst stellte Überlegungen an, was wohl die bessere Strategie sein würde.
Teamchef Frederic Vasseur findet das nicht verwerflich: "Wenn du in manchen Runden über einen Stopp und in manchen Runden über zwei Stopps nachdenkst, dann machst du mal weniger, mal mehr Druck. Vielleicht hat Carlos eher dazu tendiert, einen Stopp zu machen, und deshalb unbewusst etwas weniger gepusht. Das ist eine Fahrersache, ob man das Gefühl hat, man beansprucht die Reifen zu sehr."
Tatsächlich fühlte sich Sainz durch die Pirelli-Reifen eingeschränkt. Zwar sei der Verschleiß mit Hard im zweiten Stint "nicht so gewaltig" ausgefallen, aber als die Konkurrenz zum zweiten Stopp abbog, seien die Ferrari-Reifen dennoch "fast schon hinüber" gewesen, betont Sainz.
Denn Sainz und auch Leclerc hatten auf einmal erneut mit starkem Graining zu kämpfen, dieses Mal bei der harten Mischung: Die Lauffläche des Reifens begann sich aufzulösen. "Da steckten wir wirklich in einer Krise", meint Sainz. "Reinkommen oder draußenbleiben: Es war, als würde man eine Münze werfen."
Riskante Strategie bei Ferrari mit nur einem Stopp
Ferrari entschied sich für die Risiko-Strategie ohne weiteren Boxenstopp und wurde für dieses Risiko belohnt: "Charles und das Team haben es perfekt hingekriegt", sagt Sainz. Der Schlüssel dazu seien die Pirelli-Reifen gewesen, die sich "auf wundersame Weise wieder erholt" hätten. "Deshalb konnten wir damit durchfahren, und sogar mit ordentlicher Pace."
Und zwischendurch sah es daher nach der ganz großen Sensation aus, weil Ferrari eine Doppelführung hatte. Dann aber geriet Sainz auf P2 immer mehr unter Druck durch Oscar Piastri im McLaren. "Ich tat mein Bestes, um ihn eine Runde lang einzubremsen. Aber er war zu diesem Zeitpunkt eineinhalb Sekunden schneller. Da kannst du in Monza nicht viel mehr tun als ihn eine Runde lang aufzuhalten."
Drei Runden später war auch Lando Norris im zweiten McLaren vorbei. Und damit war das Podium futsch für Sainz, der dennoch von seinem letzten Monza-Wochenende in Rot schwärmt: "Es war unglaublich! Ich habe es sehr genossen. Es war sehr schön, das Team siegen zu sehen. Schade nur, dass ich nicht mit auf dem Podium dabei war. Aber Charles hat den Sieg verdient, mehr als jeder andere."
"Klasse" sei außerdem gewesen, dass Ferrari habe mit McLaren kämpfen können. "Andererseits ist Monza außergewöhnlich. Deshalb müssen wir abwarten, wie sich unser Update auf anderen Strecken bewährt und ob es die Trendwende einläutet", sagt Sainz. "Ob wir damit künftig um Siege kämpfen können oder ob es eher wieder so läuft wie in Zandvoort."