"Sorry, deine Drecksrunde war gut genug": Norris glaubte nicht an Pole
Lando Norris holt die Pole mit einer Runde, die er am Funk als "letzten Dreck" bezeichnet - Beide McLaren-Piloten nicht mit sich zufrieden, trotzdem erste Reihe
(Motorsport-Total.com) - Die Überlegenheit eines Pakets in der Formel 1 (hier im Liveticker!) zeigt sich an großen Vorsprüngen, wenn es läuft. Und an kleinen Vorsprüngen, wenn etwas daneben geht. Trotz einer Runde, für die Lando Norris nur Fäkalsprache übrig hatte, steht der McLaren-Pilot zum vierten Mal in dieser Saison und zum fünften Mal in seiner Karriere auf der Poleposition (plus eine weitere für den Sprint in China).
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Lando Norris verbockte Kurve 1 komplett und fuhr trotzdem auf Pole Zoom Download
Dass es dazu reichte, konnte er zunächst gar nicht glauben. "Das war eine absolute Drecksrunde, sorry. Mein Fehler", sagte er zu seinem Renningenieur William Joseph auf der Auslaufrunde. Norris fuhr im Monza-Qualifying als einer der ersten Top-Piloten seine letzte gezeitete Runde und musste entsprechend lange warten, bis das Ergebnis feststand.
Dann kam die Nachricht, mit der er nicht mehr gerechnet hatte: "Okay, tut mir leid, deine absolute Drecksrunde war gut genug für die Pole." Norris Antwort: "Cool, das bedeutet, dass dein Set-up perfekt war." Wieder einmal steht McLaren in der ersten Startreihe, nachdem zuvor alles auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen vier Teams hingedeutet hatte.
Am Ende also Pole für Norris, aber was war auf der Runde los? "Es fühlte sich nicht rund an", antwortet der 24-Jährige. "Man will eine perfekte Runde fahren und richtig im Flow sein, aber das war hier nicht der Fall. Das war einfach kein sauberes Qualifying. Irgendwie ist es schwierig, hier eine Runde hinzukriegen."
Kurve 1 geht in die Hose
Tatsächlich schien die Runde schon beim Anbremsen der ersten Kurve dahin zu sein. Norris lenkte minimal zu früh ein, versuchte die Lenkung wieder zu öffnen. Der Grund: Diesmal bremste er die Kurve härter an als beim ersten Versuch, was zu einer besseren Verzögerung führte.
"Ich habe [Kurve] 1 so gut erwischt, dass ich in Kurve 2 den inneren Randstein getroffen habe, weil ich zu früh eingelenkt habe", kommentiert Norris seine Durchfahrt durch die modifizierte Variante Rettifilo. Er erwischte den Baguette-Randstein mit dem Unterboden auf der linken Seite, was beim Herausbeschleunigen zu durchdrehenden Rädern führte. Eineinhalb Zehntelsekunden habe er verloren, so Norris.
Doch danach lief es nur noch besser: "Ich habe die zweite Schikane [Variante della Roggia] wirklich perfekt getroffen und die eineinhalb Zehntelsekunden sofort wieder gutgemacht". In seiner ersten fliegenden Runde hatte Norris bei der Einfahrt links den Randstein etwas zu hart getroffen und dort Unruhe ins Auto gebracht. In der zweiten Runde lief es viel besser durch.
"Von da an habe ich in jeder Kurve ein paar Hundertstel gut gemacht", so Norris weiter. Die beiden Lesmo-Kurven liefen gut. In der Ascari-Schikane konnte er weitere Hundertstelsekunden gutmachen. Im ersten Versuch hatte er den Randstein am Eingang verfehlt.
So reichte eine Zeit von 1:19.327 Minuten für die Poleposition. "Aber es fühlte sich nicht wie eine auf den Punkt getroffene Runde an. Es fühlte sich nicht so gut an wie am vergangenen Wochenende [in Zandvoort]. Aber es war gut genug für die Pole, das ist ein gutes Gefühl."
Schließlich hatte alles auf einen spannenden Vierkampf hingedeutet, doch am Ende brach Red Bull völlig ein, Ferrari war besser, aber auch zu langsam, und Lewis Hamilton verpatzte seine fliegende Runde. So blieb es bei Startreihe eins für McLaren.
Norris ließ nach dem dritten Training noch Änderungen am Set-up vornehmen. Was genau, verrät er nicht: "Man baut das Auto vom dritten Training bis zum Qualifying nicht komplett um. Man geht minimal in verschiedene Richtungen und versucht, das Auto so abzustimmen, dass man sich wohlfühlt und gute Rundenzeiten fahren kann."
"In dieser Hinsicht haben wir einige Fortschritte erzielt. Aber es scheint auch, dass das Auto mit wenig Benzin wirklich zum Leben erwacht ist. Da scheinen unsere Fortschritte größer zu sein als bei den anderen."
Piastris letzter Schuss sitzt wieder nicht
"Meine erste Runde in Q3 war ziemlich gut, die zweite nicht so sehr. Ich glaube, das habe ich in dieser Saison schon ein paar Mal zu oft gesagt", gesteht Oscar Piastri zerknirscht ein. Qualifying-Niederlage Nummer 13 gegen Norris war besiegelt.
"Eine ähnliche Geschichte in Kurve 1", erklärt der 23-jährige Australier. "Das war der Auftakt für meine ganze weitere Runde. Ich hatte am Ausgang der ersten Kurve heftig durchdrehende Räder und von da an ging es etwas ruppig zur Sache."
Die Variante della Roggia war vergleichbar mit Norris erster Durchfahrt - das Auto sprang ein wenig, weil Piastri etwas zu viel Randstein mitnahm. Auf dem Rest der Runde unterliefen ihm keine größeren Fehler mehr.
Dennoch sieht er es positiv: "Das Auto hat gut funktioniert und nach dem Training sah es nicht so aus, als wäre dieses Ergebnis garantiert. Wir dachten, dass wir schnell auf die Plätze sieben und acht zurückfallen könnten, wenn wir es nicht richtig hinbekommen. Hier in der ersten Startreihe zu stehen, ist ein gutes Ergebnis für das Team."
Der neue Asphalt im Autodromo Nazionale di Monza erwies sich als große Herausforderung, wie Piastri erklärt: "Der Asphalt ist wirklich schwer einzuschätzen. Wenn man sich die Fernsehbilder anschaut, sieht man oft zwei schwarze Spuren, auf denen wir fahren, und der Rest ist grau bis braun. Aus irgendeinem Grund ist das ein schwieriger Asphalt."
Das gilt auch für die Reifen, denn Piastri hatte im Training mit Graining zu kämpfen. "Das liegt nicht unbedingt an den Temperaturen. Ich denke, es war für alle an diesem Wochenende sehr schwierig, eine saubere Runde zu fahren."
Eine Schrecksekunde gab es noch im Q1, als Piastri in der Boxengasse Max Verstappen in die Quere kam. McLaren wurde dafür mit einer Strafe von 10.000 Euro belegt. "Ich habe das noch nicht gesehen, ich muss das erst mit dem Team besprechen", wehrt Piastri jeden Kommentar ab.