Charles Leclerc: Ferrari war in Spa nur "das viertschnellste Auto"
Charles Leclerc wäre mit seiner Position in Spa zufrieden gewesen, wenn Red Bull und McLaren vor ihm gewesen wären - aber nicht Mercedes
(Motorsport-Total.com) - Das Formel-1-Rennen von Belgien reihte sich nahtlos in eine für Charles Leclerc unschöne Statistik ein. Zum 25. Mal stand der Ferrari-Pilot am vergangenen Sonntag auf der Poleposition, entstanden sind daraus aber lediglich fünf Grand-Prix-Siege.
Auch in Spa-Francorchamps konnte Leclerc die beste Startposition nicht für sich nutzen und fuhr am Ende als Vierter über den Zielstrich, was nach der Disqualifikation von George Russell noch den nachträglichen Podestplatz bedeutete.
"Der vierte Platz war das Beste, was heute möglich war", sagt Leclerc nach dem Rennen und scheint damit das optimale Ergebnis aus Sicht der Scuderia herausgeholt zu haben. Und doch schwingt bei ihm ein bisschen Unzufriedenheit mit, denn der vierte Plätz hätte für ihn unter anderen Umständen ein gutes Ergebnis bedeutet.
Denn Leclerc dachte eigentlich, dass die beiden McLaren sowie ein Red Bull vor ihm landen würden. "Dann wäre es ein positives Wochenende gewesen", sagt er. Stattdessen musste er sich aber hinter beiden Mercedes einsortieren. "Wir dachten, dass wir auf Augenhöhe mit ihnen sein würden, aber sie hatten die Oberhand über uns, von daher erachte ich das Ergebnis nicht als positiv."
Mercedes hatte in Spa einen unerwarteten Doppelsieg eingefahren, bei dem George Russell mit einer alternativen Einstoppstrategie die Konkurrenz überrascht hatte. Am Ende wurde der Brite allerdings aufgrund eines um 1,5 Kilogramm zu leichten Autos disqualifiziert.
Auch Leclerc verlor so die Position gegen Russell und hatte zudem im direkten Zweikampf gegen Lewis Hamilton und Oscar Piastri das Nachsehen. "Wir waren einfach nicht schnell genug", analysiert Leclerc die Probleme von Ferrari.
"Wir waren nur das viertschnellste Auto. McLaren und Red Bull waren wie erwartet, aber Mercedes war schneller als erwartet. Und bei einem normalen Rennen auf trockener Strecke ist es hier eh sehr schwierig, sie hinter dir zu halten", sagt er. "Aber wir haben einen guten Job gemacht, Max [Verstappen] und Lando [Norris] hinter uns zu halten."
Warum Ferrari den Einstopp nicht probierte
Doch wäre für Leclerc vielleicht sogar der Sieg möglich gewesen, wenn er wie Russell auf die Einstoppstrategie gegangen wäre? Das sollte man theoretisch meinen, denn der Monegasse kam erst zwei Runden nach dem Mercedes-Piloten zum ersten Stopp und lag anschließend auch weiterhin vor diesem.
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"Das Problem ist, dass du die Entscheidung in Runde elf triffst, wenn alle anderen in die Box fahren und du keine Ahnung hast, wie der Abbau auf dem harten Reifen ist", entgegnet Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur. "Als wir Charles reingeholt haben, war es zu früh, um uns so etwas vorzustellen."
Allerdings war Russell natürlich noch früher beim Stopp, und Mercedes hat es gemacht. Doch Vasseur meint: "Häufig werden Strategien durch die Position auf der Strecke bestimmt. Wenn du hinten bist, kannst du eher ein Risiko gehen", weiß er, dass Russell weniger zu verlieren hatte. "Nach dem Rennen kann man sagen: Okay, hätte funktionieren können."
Leclerc: "Du kannst machen, was du willst..."
Der Ansicht würde sich auch Leclerc anschließen. Ein Stopp sei zwar auch einer der Pläne von Ferrari gewesen, "aber ich wusste, dass es für mich sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich sein würde, das zu schaffen", sagt er. "Wir wussten gar nicht, wie der Hard sein würde, weil wir ihn vor dem Rennen nicht gefahren sind."
"Und wenn du vorne bist und einfach weiterfährst, dann wirst du durch einen Undercut von drei, vier Autos überholt und verlierst einfach so viele Positionen, wenn der Einstopp nicht funktioniert", so Leclerc. "Von daher war es besser, wenn wir einfach das Gleiche machen wie die Jungs hinter uns."
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Mercedes habe hingegen einfach mehr Pace gehabt und habe so auch die Einstoppstrategie zum Funktionieren gebracht. "Sie waren einfach super, super stark", sagt Leclerc. "Wir hatten es auf unserer Liste, aber in unserer Rennsituation war es einfach nicht möglich."
"Ich denke nicht, dass man sagen kann, dass wir einen Fehler gemacht haben", betont er. "Aber ich hatte einfach das Gefühl, dass unsere reine Pace nicht gut genug ist. Und wenn es so ist, dann kannst du leider machen, was du willst mit der Strategie, aber du wirst immer Plätze verlieren."
Am Ende kam Ferrari WM-technisch aber noch relativ glimpflich aus Belgien weg. Lediglich zwei Punkte büßten die Roten auf Hauptkonkurrent Mercedes ein, die in den vergangenen Wochen zwar stärker schienen, aber immer noch 79 Punkte Rückstand auf Ferraris dritten Rang haben. Und für die Scuderia ist auch McLaren noch in Reichweite - 21 Punkte fehlen nur auf diese.
Vom starken Saisonstart wenig übrig
Zuletzt hatte Ferrari ein paar Schwierigkeiten und schien nur noch die vierte Kraft zu sein. "Die Top 3 wechseln sich ab, aber wir sind konstant hinter ihnen", hadert Leclerc. "Wir brauchen einfach mehr Pace."
Noch zehrt Ferrari vom starken Saisonbeginn, wo man sogar in Australien und Monaco zwei Siege einfahren konnte. "Ich denke, wir haben das Potenzial des Autos maximiert", sagt Leclerc. "Dann hatten wir aber vier Rennen, in denen wir von einem extremen Set-up zum anderen extremen Set-up gegangen sind."
"Für mich war es einfach unmöglich, in der Qualifikation zu wissen, wo das Limit des Autos ist, und wir haben viele Punkte verloren", sagt er. "In den vergangenen beiden Rennen haben wir uns aber wieder darauf fokussiert, das Ergebnis zu maximieren. Ich denke, das haben wir geschafft, aber wir waren einfach nicht schnell genug."
"Und deswegen müssen wir uns einfach wirklich fokussieren und in der zweiten Hälfte einen Schritt machen, wenn wir bessere Ergebnisse erzielen wollen."