• 28. Juli 2024 · 09:53 Uhr

Warum McLaren trotzdem Favorit auf den Sieg in Spa ist

McLaren holte im Qualifying nur die Positionen fünf und sechs, doch Teamchef Andrea Stella baut auf die Stärke im Rennen - Max Verstappen wird zur Gefahr

(Motorsport-Total.com) - Ist McLaren trotz der Plätze fünf und sechs im Qualifying der Favorit beim Formel-1-Rennen in Spa-Francorchamps? Am Freitag waren Lando Norris und Oscar Piastri mit ihrem MCL38 noch die beiden Schnellsten, doch in der nassen Qualifikation war von dem Speed nichts mehr viel zu sehen: Die beiden Dominatoren von Ungarn mussten sich hinter der Konkurrenz einordnen.

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Am Samstag war Lando Norris nicht vorne dabei - aber am Sonntag? Zoom Download

Beide Red Bulls, ein Ferrari und ein Mercedes lagen am Samstag vor McLaren - und trotzdem gelten die Papaya-Autos am Sonntag als Favorit auf den Sieg. Denn einerseits werden die Bedingungen am Sonntag wieder eher so sein, wie man sie am Freitag vorfinden konnte, und andererseits ist der größte Gegner fürs Erste aus dem Weg.

Denn seine Poleposition wird Max Verstappen am Sonntag nicht einnehmen dürfen. Eine Strafversetzung für einen neuen Motor bringt den Niederländer auf Startplatz elf und damit hinter beide McLaren zurück, die so natürlich noch jeweils eine Position aufrücken. Norris startet neben Lewis Hamilton aus der zweiten Startreihe, Piastri dahinter von Rang fünf.

Doch wo war am Samstag die Pace der vergangenen Wochen? "Wir sahen zwar gestern im Trockenen konkurrenzfähig aus, aber es gibt keinen Grund, warum wir auf Intermediates dominieren sollten", sagt Teamchef Andrea Stella gegenüber Sky. Dazu sei die Pace der Top-4-Teams in der jüngeren Vergangenheit zu nah beieinander gewesen.

Laut Lando Norris sei das Bild am Freitag ohnehin etwas verzerrt gewesen: "Red Bull war das ganze Wochenende einen Schritt vor uns - auch wenn wir gestern ein kleines bisschen schneller waren", sagt er. "Ich denke nicht, dass Red Bull seine Karten aufgedeckt hatte. Aber wir hatten es. Was wir gestern gezeigt haben, war im Grunde alles, was wir haben."

Daher war ihm immer klar, dass die Pace nicht auch am Samstag so gut aussehen würde. "Trotzdem waren wir heute optimistisch", so der Brite. Doch irgendwie machte es bei ihm und seinem Auto in Spa noch nicht so klick wie in den Wochen davor. "Ich muss einfach sehr hart versuchen, zu verstehen, wie man das Auto in jeder Kurve fährt", meint er.

"In den letzten Wochen und Rennen war das einfach natürlicher und ich habe Dinge verstanden. Das ist vielleicht einfach so ein Wochenende, an dem ich Probleme habe, dieses schöne, natürliche Gefühl zu bekommen." Und gerade im Regen ist Vertrauen ins Auto wichtig, um eine gute Rundenzeit zu bekommen.

Fehler bei der Reifenentscheidung?

Auch Piastri ist der Meinung, dass die vermeintlich schlechten Positionen den Bedingungen geschuldet sind: "Die Strecke hat verschiedene Flecken Asphalt. Die neuen haben viel Grip, die alten haben keinen Grip. Es ist ziemlich schwierig, das über eine Runde zu managen, aber ich denke, das Auto ist noch schnell", sagt der Australier.

"Ich habe einfach ein paar Fehler gemacht, und auch die Reifenstrategie am Ende von Q3 hat nicht funktioniert." McLaren hatte erwartet, dass der Regen am Ende von Q3 zunehmen würde. Daher war man schon früh auf seinen letzten neuen Satz Intermediates gegangen, was laut Piastri wie eine "vernünftige Entscheidung" erschien.

Denn: "Du willst einfach die ganze Zeit draußen sein und sicherstellen, dass du eine Runde drehst, wenn die Strecke am trockensten ist", erklärt Stella, der diese Taktik für die sicherere Variante hielt.

Doch weil der Regen nicht schlimmer und die Strecke sogar leicht besser wurde, konnte man die besten Bedingungen nicht ganz ausnutzen, während etwa Fahrer wie Charles Leclerc von frischen Reifen am Ende profitierten.

Stella verteidigt Strategie

Entscheidend war hierfür aber bereits der erste Qualifying-Abschnitt, in dem McLaren einen zusätzlichen neuen Intermediate wählte, der dann am Ende fehlte. Doch laut Stella sei das zu dem Zeitpunkt die richtige Entscheidung gewesen.

"In solchen Qualifyings können sich die Dinge schnell in die eine oder andere Richtung entwickeln. Wenn wir auf dem gleichen Satz geblieben wären, dann wären wir gegen alle anderen Autos, die in der Box waren, verwundbar gewesen", erklärt er. "Nur Verstappen konnte mit seiner Pace komfortabel mit einem Satz fahren."

"Aber selbst wenn unser Auto schnell gewesen wäre, hielten wir es definitiv für gescheit, auf einen weiteren Satz zu gehen und alle anderen zu covern, die auf einen zweiten Satz gegangen waren", so Stella.

"Und man muss ja auch sagen, dass man solche Entscheidungen in Spa ziemlich schnell treffen muss, denn wenn du zu lange wartest, dann hast du aufgrund der langen Runde am Ende keine Zeit mehr, um den neuen Satz zu nutzen", sagt er.

"Von daher fühlen wir uns mit der Entscheidung wohl, wir haben ein schnelles Auto und es ist wichtig, dass wir eine gute Startposition haben", so der Teamchef. "Und das haben wir heute erreicht."

McLaren setzt auf Sonntag

Und das könnte für McLaren am Sonntag noch sehr wertvoll sein. Angesichts der Umstände ist Norris überrascht, dass noch Platz fünf herausgesprungen ist. "Von daher bin ich auch zufrieden damit", sagt der Engländer.

"Es ist natürlich nicht das Ergebnis, das ich wollte, und ich muss morgen ein paar schnelle Autos wie den Red Bull von Perez überholen. Aber vielleicht hat der etwas geringere Abtrieb uns heute geschadet. Hoffentlich wird sich das morgen auszahlen."

Denn das sollte für McLaren eigentlich das Faustpfand sein. Trotz der regnerischen Bedingungen setzte das Team auf einen schmalen Heckflügel und wenig Abtrieb - in dem Wissen, dass es am Sonntag trocken sein würde und man da auf den Geraden einen hohen Topspeed braucht.

Laut Stella sei man bereit gewesen, "den Preis im Qualifying zu bezahlen", um das beste Auto bei trockenen Bedingungen zu haben. "Wir wollten sicherstellen, dass wir nicht einen glorreichen Samstag haben, dann aber nicht das Auto haben, um am Sonntag daraus Kapital schlagen zu können."

Stella über Flügel: Erst Vorteil, dann doch nicht?

Die große Frage ist aber: Was ist diesbezüglich mit Red Bull? Max Verstappen hatte am Samstag einen etwas steileren Heckflügel, weil er sich mit diesem wohler fühlt. Das könnte auch im Nassen geholfen haben, um ihm seinen Vorsprung von sechs Zehntelsekunden zu verschaffen. Und direkt nach dem Qualifying war das auch noch der große Pluspunkt aus Sicht von McLaren.

"Sie scheinen einen großen Heckflügel zu haben. Hoffentlich ist das für morgen nicht ideal", sagte Teamchef Stella vor den TV-Kameras. Doch ein paar Stunden später in der üblichen Medienrunde musste der Italiener seinen Eindruck korrigieren.


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"Als ich nach dem Qualifying auf die GPS-Vergleiche mit unseren direkten Gegnern wie Red Bull, Mercedes und Ferrari geschaut habe, dachte ich, dass wir ein bisschen mehr Topspeed-Vorteil haben würden", sagt er. "Aber sie sind nicht auf einem Regen-Set-up. Ich denke, sie waren heute einfach ordentlich konkurrenzfähig."

"Und sie scheinen auch für morgen auf einem vernünftigen Niveau mit dem Heckflügel zu sein. Von daher denke ich nicht, dass McLaren sagen kann, dass wir heute aufgrund eines Trocken-Set-ups ein paar Zehntel haben liegen lassen. Denn wir sehen, dass unsere Konkurrenten auf einem ähnlichen Niveau fahren", so Stella.

Und trotzdem: Angesichts der Ausgangslage scheint McLaren am Sonntag der Favorit zu sein. Beide Piloten sagen, dass sie sich zum Ziel gesetzt haben, das Rennen zu gewinnen. "Unsere Pace im Trockenen sah stark aus", weiß Norris. Und in Spa kann man definitiv überholen - und das auch gerne schon auf der Kemmel-Geraden in der ersten Runde, wenn man nicht in Startreihe eins steht.

Verstappen für Stella der Favorit

Doch die Frage ist nicht nur, ob man Sergio Perez, Charles Leclerc und Lewis Hamilton vor sich überholen kann, sondern auch, was Max Verstappen macht, der am Samstag brutal überlegen war, aber eben nur von Position elf kommt.

"Max ist definitiv eine Gefahr", warnt Stella. Laut Norris sei Verstappen das ganze Wochenende über ganz klar der Schnellste gewesen. McLaren sei am Freitag nur vorne gewesen, weil man den Motor im Gegensatz zu Red Bull schon aufgedreht hatte. "Wenn man bedenkt, dass wir nur zwei Zehntel vorne waren, dann haben sie noch einiges in der Hinterhand", so der Brite.

Schon in Ungarn sei der dreimalige Weltmeister auf Augenhöhe gewesen und habe lediglich mehr Fehler gemacht. Und Spa dürfte hingegen eine Strecke sein, die Red Bull entgegenkommt, wie sich in den vergangenen Jahren gezeigt hat, als Verstappen ebenfalls von weit hinten recht easy durchs Feld gepflügt war.

"Er bleibt also der Favorit auf den Sieg, selbst wenn er außerhalb der Top 10 startet", schiebt Stella die Favoritenrolle von McLaren weg. Das sieht auch Norris so: "Zu 100 Prozent wird er sehr schnell durchkommen. Und ich bin sicher, dass er irgendwann zu einer Gefahr für uns werden wird."

Die beste Verteidigung wäre natürlich ein Angriff nach vorne, denn die Startpositionen sind der große Vorteil von McLaren gegenüber dem Niederländer. "Wir müssen auf uns selbst schauen und das Beste aus dem Fakt machen, dass wir auch konkurrenzfähig sind", gibt der Teamchef die Richtung vor.

"Wir haben eine Reifenstrategie, mit der wir zufrieden sind - nämlich zwei harte Reifen -, und wir müssen gut fahren und die Stärken des Autos nutzen und können am Start hoffentlich einen Zeitvorsprung rausfahren, sodass wir weit genug vorne sind, wenn es Max durch das Feld geschafft hat."

Blockt Perez McLaren für Verstappen ein?

Aber: Da wäre ja auch noch ein anderer Red Bull, den eigentlich keiner so richtig auf dem Zettel hat. Doch Sergio Perez startet in der ersten Reihe, das ist Fakt. Auch er hat wie Verstappen ein schnelles Auto und muss alles tun, um sein Cockpit nach der Sommerpause zu behalten.

Und dazu könnte auch gehören, dass er die McLaren bestmöglich einbremst, um Verstappen zu helfen. Das ist den Fahrern natürlich bewusst. "Max führt die WM an, also erwarte ich natürlich, dass Checo kämpft", sagt Piastri. "Aber auch einfach für sein eigenes Wohl."


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"Er hatte zuletzt nicht die einfachste Zeit und wird sicherlich in erster Linie ein gutes Ergebnis für sich selbst holen wollen", so der Australier. "Ich denke, er wird hart kämpfen, aber ich denke nicht, dass es härter sein wird als in jeder anderen Situation."

Auch für Norris ist dieses Szenario keine große Sorge: "Wenn wir gegen Max fahren, dann müssen wir sowieso an allen vorbei", sagt er. "Ich weiß, dass Checo ein bisschen defensiver ausgerichtet sein wird als die anderen, aber auch Charles wird von der Pole hart um den Sieg kämpfen, und das gleiche gilt für Hamilton, der immer aggressiv und defensiv ist, wenn es nötig ist."

"Ich würde daher nicht sagen, dass Perez in der Hinsicht eine größere Gefahr ist, aber er sitzt im schnellsten Auto", so Norris. "Unsere Reifen müssen einfach besser halten, und das wird bei ihm schwieriger werden als bei einigen anderen."

McLaren glaubt an guten Sonntag

"Aber wenn man sich die Pace vom Freitag anschaut, dann gibt uns das eine Menge Zuversicht, dass wir, wenn wir uns einfach auf uns selbst fokussieren, irgendwann im Rennen an ihnen vorbeikommen werden", sagt der WM-Zweite.

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Die gleiche Zuversicht versprüht auch Stella, der von den Plätzen vier und fünf nichts verloren sieht: "Es ist ein langes Rennen, auf der Strecke kann man am einfachsten überholen und das Rennen wird vom Reifenverhalten dominiert werden", sagt er. "Ich denke daher, dass die Startposition nicht der ausschlaggebende Faktor sein wird."

"Es wird wichtig sein, dass wir am Ende des Rennens da sein werden, dass wir die Reifen gut managen und dass wir das Potenzial des Autos in Sachen Topspeed nutzen werden. Und wenn wir all diese Faktoren zusammenmischen, dann können wir einen guten Sonntag haben."

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