Red Bull: Zwei Runden mehr und Max Verstappen hätte gewonnen!

Bei Red Bull glaubt man, dass man mit zwei weiteren Runden gute Chancen auf den Sieg in Silverstone gehabt hätte - Helmut Marko zieht den Hut vor Lewis Hamilton

(Motorsport-Total.com) - Lange Zeit sah es danach aus, als würde Max Verstappen beim Formel-1-Rennen in Silverstone ein ernüchterndes Ergebnis abseits des Podiums einfahren, doch am Ende hätte der Niederländer das Rennen sogar noch gewinnen können - glaubt man zumindest bei Red Bull. "Zwei Runden haben uns gefehlt", meint Motorsportkonsulent Helmut Marko im ORF.

Max Verstappen musste sich in Silverstone Lewis Hamilton geschlagen geben

Wäre das Rennen zwei Runden länger gewesen, dann hätte Verstappen Lewis Hamilton vor ihm noch knacken können, glaubt der Österreicher. Verstappen hatte beim Wechsel von Intermediates auf Slicks die harten Reifen genommen, Hamilton hingegen die weichen Reifen - wie auch Lando Norris.

Doch während der McLaren damit einbrach, konnte Hamilton sein Auto auf den weichen Reifen ins Ziel tragen und mit 1,4 Sekunden Vorsprung seinen neunten Heimsieg feiern, was sogar Marko zu Lobeshymnen bringt. "Das war wieder Hamiltons Stärke", zollt der Österreicher Respekt.

"Seine Reifen haben schon leicht angefangen zu grainen, das sehen wir ja. Und wir dachten, es geht sich aus, aber da sieht man, welch Meister er ist, der ein Rennen lesen kann und der die Reifen genau so fordert, dass sie nicht einbrechen", lobt Marko.

Und so musste sich Verstappen heute mit dem zweiten Platz und dem zweiten sieglosen Rennen in Folge begnügen. Das ist dem Niederländer seit Beginn der Ground-Effect-Ärä übrigens bislang nur einmal passiert: ausgerechnet beim gleichen Doppel aus Silverstone und Spielberg vor zwei Jahren.

Doch der Niederländer weiß, dass es am Sonntag auch deutlich schlimmer hätte ausgehen können. Vor allem im ersten Stint verlor er gegen die direkte Konkurrenz deutlich. Obwohl er am Start an Norris vorbeigegangen war, konnte er den Briten mit abbauenden Reifen nicht halten - und auch nicht dessen Teamkollegen Oscar Piastri.

"Der Anfang war nicht sonderlich gut", sagt er selbst nach dem Rennen. "Ich habe versucht mitzuhalten, aber mir gingen einfach die Reifen aus. Alles ist heiß geworden und ich hatte einfach Probleme mit dem Grip", so Verstappen. "Also ist Lando vorbeigekommen, und dann ist auch Oscar vorbeigekommen."

Als es dann auch noch zu regnen anfing, wurde es für den dreimaligen Weltmeister, der eigentlich als starker Regenfahrer gilt, nicht besser. "Ich hatte überhaupt keinen Grip. Ich wollte nicht zu viel Risiko eingehen, weil ich mich einfach nicht wohlgefühlt habe", beschreibt er. "Also dachte ich mir: 'Ich sitze einfach hier und versuche zu überleben.' Und genau das habe ich gemacht."

Erster Reifenwechsel ging auf

Als dann auch noch Carlos Sainz von hinten drückte, schien es für Verstappen ein schlechter Nachmittag zu werden. Doch dann ging es für ihn und Red Bull aufwärts. Verstappen traf beim Reifenwechsel auf Intermediates die goldrichtige Entscheidung und machte so gleich wieder zwei Positionen gut.

Denn er kam als erster Spitzenpilot an die Box, während McLaren und Mercedes vor ihm noch eine weitere Runde auf Slicks blieben. "Max hatte eine wirklich gute Outlap und war im Mittelsektor fünf Sekunden schneller, was ihn vor Russell und Piastri gebracht hat", lobt Teamchef Christian Horner.

"Aber in den nächsten drei oder vier Runden waren wir nirgendwo und es war so, als würde uns die zusätzliche Runde wirklich weh tun", schildert er. "Aber dann hat es sich beruhigt, und als die Strecke wieder in Richtung Slicks ging, war Max wieder das schnellste Auto auf der Strecke."

Für Horner ist es daher ein "sehr seltsames Rennen" gewesen, bei dem es nur auf die Reifen ankam. "Es geht nur darum, dass die Reifen zu einem bestimmten Zeitpunkt funktionieren. Und unterschiedliche Autos arbeiten unterschiedlich mit den Reifen. Und diese Extremitäten hat man heute gesehen, als die Strecke von feucht zu nass und wieder zu trocken gegangen ist."

Verstappen vertraut auf sein Gefühl

Der finale Ausschlag in Richtung gutes Ergebnis kam dann durch die erneut richtige Entscheidung beim Wechsel von Intermediates auf Slicks. Erneut erwischte Verstappen die richtige Runde und wählte dabei mit Hard auch den richtigen Reifen für seine Taktik aus - im Gegensatz zu Norris, der auf Softs einbrach und Verstappen Rang zwei brachte.

In Sachen Zeitpunkt verließ sich der Red-Bull-Pilot ganz auf sein Gefühl und setzte sich dabei auch gegenüber seinem Team durch - ebenfalls etwas, das ihm im Vergleich zu Norris Vorteile brachte.

Zwar gibt ihm sein Renningenieur Gianpiero Lambiase über Funk in solchen Fällen alle Informationen durch, die er hat, "aber wenn du als Fahrer das Gefühl hast, nicht mehr mit Slicks weiterfahren zu können oder dass es Zeit für den Inter ist, dann musst du einfach über Funk schreien, dass du reinkommst. Und das haben wir gemacht", schildert er.

"Und von Inter auf Slick ist es das gleiche. Natürlich kann dir das Team manchmal etwas mehr helfen, wenn schon jemand Slicks hat, aber am Ende des Tages kam die Sonne raus, trocknete die Strecke schnell und ich bin etwas Risiko gegangen", so der Niederländer.

"Ich war mir nicht 100 Prozent sicher, dass es die richtige Runde ist, aber wir haben es einfach gemacht, und am Ende des Tages war es die richtige Runde."

Warum der Hard alternativlos war

Und es war natürlich auch der richtige Reifen: "Wir konnten auf dem Reifen pushen, weil der Medium schon nicht gut genug für uns war", erklärt Verstappen. "Um Vollgas zu fahren, war der Hard das Beste."

Der Soft, den Hamilton und Norris nahmen, war für Red Bull hingegen keine Option. "Es schien, dass der Soft im ersten Stint scheiße war", sagt Horner mit Blick auf Guanyu Zhou und Esteban Ocon, die zu Beginn mit dem Soft gefahren waren und am Ende weit abgeschlagen waren. "Der Vorderreifen hat sich ziemlich schnell geöffnet, das konnten wir schon am Freitag sehen."

Der Hard sei hingegen haltbarer und daher besser geeignet gewesen. "Uns war auch eigentlich egal, was die anderen haben, weil wir wussten, dass der harte Reifen besser für uns sein würde", meint der Teamchef. "Wir hatten schon durch Checo zu Beginn des Rennens ein paar Informationen, dass er ziemlich gut zu performen schien."

Red Bull verwundert über McLaren

Eines wunderte Red Bull aber: "Dass McLaren das einzige Team war, dass einen neuen Medium hatte und diesen nicht nutzte", sagt Horner. "Dieser wäre ideal für die Bedingungen gewesen."

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Diesen Fehler hatte man bei McLaren nach dem Rennen bereits selbst eingesehen. Das war aber gut für Red Bull, die so noch am McLaren vorbeikamen und Zweiter wurden - und das nach einem Rennen, bei dem Verstappen mit einem zusammengeflickten Unterboden (ein neuer war nach dem Q1-Abflug nicht verfügbar) auskommen musste und zeitweise auf Kurs zu Rang fünf oder sechs schien.

"Nach einem schlechten Nachmittag in Sachen Performance noch Zweiter zu werden, das nehme ich mit", so Verstappen.