Analyse: Deshalb steht Perez bei Red Bull trotz Vertrag unter Druck
Erst vor wenigen Wochen hat Sergio Perez seinen Vertrag bis 2026 verlängert, doch der Mexikaner gerät zunehmend unter Druck - Verliert Red Bull nun die Geduld?
(Motorsport-Total.com) - Red-Bull-Teamchef Christian Horner hat in der Vergangenheit oft davon gesprochen, dass es seine Pflicht sei, seine Fahrer öffentlich zu unterstützen, egal ob es um Kontroversen oder schwache Leistungen geht. Am vergangenen Wochenende in Österreich gab es jedoch Anzeichen von Frustration über die Leistung von Sergio Perez.
Der Abstand zwischen dem Mexikaner und seinem Teamkollegen Max Verstappen war nur allzu offensichtlich. Die Tatsache, dass Verstappen nach seiner Kollision mit Lando Norris mit einem Reifenschaden langsam an die Box fuhr, um sich frische Reifen zu holen, eine 10-Sekunden-Strafe kassierte und trotzdem 17,4 Sekunden vor dem zweiten Red Bull ins Ziel kam, sagt vielleicht alles über den aktuellen Stand der Dinge aus.
Sicherlich wurde Perez' Potenzial am Sonntag durch einen Schaden am Seitenkasten beeinträchtigt, den er sich bei einer Kollision mit Oscar Piastri in der ersten Runde zugezogen hatte - laut Horner wirkte dieser auf den Geraden "wie eine Luftbremse".
Es lässt sich jedoch nicht leugnen, dass es ein weiteres Wochenende war, an dem Perez nicht an der Spitze war, wo er jetzt im Kampf um die Meisterschaft gebraucht wird. Zufälligerweise beendete er den Sprint mit einem ähnlichen Rückstand von 17,4 Sekunden.
Wo liegt das Problem bei Perez?
Es war Perez' glanzlose Vorstellung am Samstag, die Horner zu der Aussage veranlasste, das Team müsse genauer untersuchen, was genau schiefgelaufen sei. "Wir tun unser Bestes, um herauszufinden, woran es liegt, denn die ersten vier oder fünf Rennen waren sehr konkurrenzfähig, und was auch immer passiert ist, warum er zurückgefallen ist", grübelt Horner gegenüber Sky F1.
"In Suzuka, einer der schwierigsten Strecken der Welt und eine echte Fahrerstrecke, lag er eine Zehntelsekunde hinter Max. Hier mit neun Kurven ist der Abstand viel größer. Wir müssen der Sache auf den Grund gehen und ihm helfen, sich zu erholen."
Die Aufholjagd ist jetzt umso wichtiger, da Red Bull von seinen engsten Verfolgern an der Spitze immer stärker unter Druck gesetzt wird. Nur die solide Teamarbeit bei Strategie und Boxenstopps, gepaart mit Verstappens fahrerischer Brillanz, verhinderte zuletzt eine Siegesserie der Konkurrenz, vor allem von McLaren.
Jede Zehntelsekunde ist entscheidend
Die Bedrohung durch die Konkurrenz bedeutet: Wo früher ein Unterschied von wenigen Zehnteln zwischen Verstappen und Perez in der Startaufstellung kaum wahrnehmbar war, kann sich heute niemand mehr der Tatsache entziehen, dass jedes Zehntel entscheidend ist.
Wenige Zehntel Rückstand auf die Spitze können den Unterschied ausmachen, ob Perez Verstappen im Kampf um den Sieg unterstützt oder ob er in Q1 oder Q2 ausscheidet und sich im Mittelfeld wiederfindet. Und auch in der Konstrukteurs-WM macht es einen Unterschied, denn während Verstappen in der Fahrerwertung immer weiter davon zieht, wird es im Kampf der Teams zunehmend enger.
In den letzten fünf Rennen war Red Bull mit 116 Punkten nur noch das drittbeste Team - hinter Mercedes mit 132 und McLaren mit 144 Punkten. Wenn man bedenkt, dass Verstappen davon 101 und Perez nur 15 Punkte beisteuerte, wird deutlich, wie wichtig es ist, dass das zweite Auto mehr liefert.
Kam der neue Perez-Vertrag zu früh?
Und während Red Bull natürlich hofft, dass es klappt und Perez etwas in sich freisetzen kann, um das Blatt zu wenden, ist die große Frage, was passiert, wenn es nicht klappt. Die andere Sache, die sich seit Japan geändert hat, ist, dass Perez nun einen festen Vertrag in der Tasche hat, denn das Team hat mit ihm eine Verlängerung bis Ende 2026 unterzeichnet.
Dieser Vertrag wurde trotz einiger Probleme abgeschlossen, die Perez bereits in Spanien und Monaco mit dem RB20 hatte. Es wird vermutet, dass Red Bull eine gewisse Jobsicherheit für den Mexikaner für besser hielt, um Ablenkungen außerhalb des Autos zu vermeiden.
Da nun aber das Gegenteil der Fall ist und Perez' derzeitige Talfahrt noch schlimmer aussieht, ohne dass sein Platz gerettet werden muss, führte dies unweigerlich zu der Vermutung, dass Red Bull länger warten hätte sollen, bevor sich das Team festlegte.
Was ist nur mit Sergio Perez los?
Seit Imola geht bei Sergio Perez nichts mehr vorwärts. In diesem Video analysieren wir, wie dramatisch der Abstand bei Red Bull wirklich ist. Weitere Formel-1-Videos
Horner selbst wurde zu diesem Thema befragt und gab eine interessante Antwort auf die Frage, ob er mit der Verpflichtung von Perez nicht zu früh gekommen sei. "Ich denke, dass Checos Position im Team und das, was er zum Team beigetragen hat, diesen [neuen Vertrag] gerechtfertigt haben, aber natürlich gibt es immer Leistungsdruck - und das ist irrelevant für Verträge, über die wir natürlich nie ins Detail gehen werden", so Horner.
Hat Perez eine Erfolgsklausel im Vertrag?
Der Verweis auf den Vertrag ist interessant, da es fast sicher ist, dass Red Bull eine Art Versicherungspolice abgeschlossen hat - eine leistungsbezogene Klausel im Vertrag, die dem Team einen Ausweg bietet, falls es mit Perez nicht klappen sollte.
Solche Vertragselemente haben normalerweise die Form einer Mindestplatzierung in der Fahrerwertung oder eines prozentualen Anteils an der Endpunktzahl der anderen Fahrer zu bestimmten Zeitpunkten des Jahres - höchstwahrscheinlich vor der Sommerpause und am Ende der Saison.
Derzeit ist Perez Fünfter in der Fahrerwertung und hat mit 118 Punkten nur etwas mehr als die Hälfte der 237 Punkte von Verstappen. Es ist unwahrscheinlich, dass diese beiden Zahlen in dem Bereich liegen, den sich Red Bull wünscht.
Es ist klar, dass man sich im Moment darauf konzentriert, alles zu tun, um Perez zu helfen, die Dinge zu ändern, aber man ignoriert auch nicht die Tatsache, dass sich die Dinge verbessern müssen, wenn man nicht anfangen will, darüber nachzudenken, ob man einen anderen Fahrer auf dem zweiten Platz braucht oder nicht.
Keine Perez-Alternativen auf dem Markt?
Die beste Nachricht für Perez ist jedoch, dass es keinen offensichtlichen Kandidaten gibt, der an die Tür klopft und von dem Red Bull glaubt, dass er sofort einen besseren Job machen würde. Daniel Ricciardo sollte Red Bull für 2025 eine Alternative zu Perez bieten, doch er hat sich nicht mit Ruhm bekleckert - und kämpft nun sogar um seine eigene F1-Zukunft.
Und wie es Perez bei Red Bull gerade erfährt, sagt auch Ricciardo, dass Red-Bull-Bosse wie Helmut Marko nur auf harte Ergebnisse aus sind. "Ich kenne Helmut schon so lange, und am Ende des Tages geht es ihm nicht um Persönlichkeit", sagte der Australier. "Was ihn interessiert, sind die Stoppuhr und die Wertung."
Ralf: Red Bull wäre mit Hülkenberg besser dran
Ralf Schumacher spricht aus, was viele denken. Nämlich dass Red Bull besser dran wäre, wenn man Ende 2020 Hülkenberg statt Perez engagiert hätte. Weitere Formel-1-Videos
"Er ist ein Rennfahrer und das ist alles, was er von uns sehen will. Ich weiß, dass ihn das dazu bringen kann, nicht mehr so gut über mich zu denken. Ich denke, dieses Wochenende hat geholfen", glaubt Ricciardo, der sich zuletzt mit Platz acht in Kanada und Rang neun in Österreich steigern konnte. "Hoffentlich liegt er vor der Sommerpause irgendwo an einem Strand und sagt: 'Dieser Ricciardo, der hat es immer noch drauf ...'"
Horner glaubt: Perez hat noch eine Chance!
Bis dieser Moment für Ricciardo kommt oder eine andere Top-Option zur Verfügung steht (und Quellen sagen, dass es einige interessante Angebote gab, die bereits anderweitig fixiert wurden), wird Perez eine gewisse Verschnaufpause haben.
Aber Horner sagt, dass Perez nicht ignorieren wird, dass die Zeit gekommen ist, einen besseren Job zu machen. "Checo weiß, dass die Arbeit unter Druck steht, und er weiß, wie sehr man unter die Lupe genommen wird, besonders in einem Auto, das viele Rennen gewinnt und mit dem anderen Fahrer so gut funktioniert wie es ist", sagt der Red-Bull-Teamchef.
"Das ist die Formel 1, und dieser Druck lastet natürlich auf jedem Teamkollegen, der zu wenig Leistung bringt. Die Medien fangen an, Fragen zu stellen, und da kann man leicht den Kopf verlieren. Was mich an Checo in den letzten vier Jahren beeindruckt hat, ist, dass er immer, wenn er unter Druck stand - und das ist jetzt der Fall -, wieder auf die Beine gekommen ist. Dafür muss er tief in sich gehen."