• 26. Mai 2024 · 08:51 Uhr

Max Verstappen: "Kommt mir vor, als hätte ich keine Radaufhängung!"

Die Randsteine in Monaco sind Gift für den RB20 - und Max Verstappen befürchtet: "Ich weiß nicht, ob wir das dieses Jahr noch lösen können"

(Motorsport-Total.com) - Max Verstappen war am Samstagabend in Monaco nicht happy. "Wir haben alles versucht", seufzt er, "haben das Auto weicher eingestellt, steifer, haben alles durchprobiert. Aber das Auto fährt sich wie ein Go-Kart. Es kommt mir vor, als hätte ich keine Radaufhängung! Das Auto hüpft, absorbiert keine Randsteine oder Bodenwellen. Und wie oft ich in der letzten Kurve fast in der Mauer gelandet wäre, ist unglaublich."

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Max Verstappen muss in Monaco weiter von den Randsteinen fernbleiben Zoom Download

Am Ende passierte ihm das nicht bei Rascasse, sondern am Ausgang von Sainte Devote - also ausgerechnet in jenem Sektor, in dem Red Bull noch am ehesten mit der Weltspitze mithalten konnte. "Der erste Sektor war heute unser starker Sektor", analysiert Teamchef Christian Horner im Interview mit Sky. "Unsere Schwächen haben wir vor allem bei Loews, in Kurve 5 und Kurve 10."

Vergleicht man Leclercs Polerunde mit Verstappens P6-Zeit, dann fällt auf: Bis Loews sind die beiden fast gleichauf, hat Verstappen nur 0,05 Sekunden Rückstand. Durch Loews ist der Ferrari wendiger und gewinnt (kurzzeitig) fast eine halbe Sekunde, weil Verstappen zwar durch Loews deutlich langsamer ist, dafür aber früher ans Gas gehen kann.

Bei der Hafenschikane wächst der Abstand auf fast 0,6 Sekunden an, während Verstappen eingangs Rascasse sogar um 0,003 Sekunden vor Leclerc liegt! Ein Vorsprung, den er hinten raus, durch die enge Zielkurve Anthony Noghes, aber wieder verliert. Das zeigt: Überall da, wo es eng ist und man brutal über die Randsteine brettern muss, ist Red Bull chancenlos.

Verstappen: "Fundamentales Problem" seit 2022 bekannt

"Das ist nichts Neues, wir haben das Problem seit 2022", sagt Verstappen. "In den letzten Jahren war nur unser Vorsprung so groß, dass das ein bisschen kaschiert wurde. Aber jetzt, wo alle aufholen und du selbst deinen schwächsten Punkt nicht verbessern kannst, fliegt dir das um die Ohren. Und das ist genau, was dieses Wochenende passiert."

Ein Thema, das Verstappen Kopfzerbrechen bereitet: "Das ist ein fundamentales Problem. Das werden wir nicht innerhalb von ein paar Wochen gelöst haben", befürchtet er - und blickt damit skeptisch auf Grands Prix wie Kanada oder Singapur, wo ein sanfter Ritt über die Randsteine zu den entscheidenden Performancekriterien gehört.

In der WM ist vorerst noch keine Panik angesagt. Verstappen hat 48 Punkte Vorsprung auf Charles Leclerc und 60 auf Lando Norris. Aber 2024 ist kein Selbstläufer mehr: "Die Saison hat angefangen, dass man gedacht hat, es wird ein Durchmarsch. Und dann gab es schon in Australien die erste Ernüchterung", analysiert Helmut Marko im Interview mit Sky.

Marko ortet Korrelationsproblem zwischen Simulation und Strecke

Während Teamchef Horner die Probleme relativiert und davon spricht, dass man sich in der WM in einer "beherrschenden Position" befinde, kann Marko schon die dunklen Wolken orten, die auf dem Horizont heranziehen. Denn: "Das Grundproblem sind ja nicht die Strecken, sondern dass die Korrelation zwischen Simulator und Strecke nicht funktioniert."

"Im Simulator fahren wir ohne Probleme über die Randsteine. Hier, verwenden wir die Verstappen-Ausdrucksweise, hüpft das Auto wie ein Känguru. Das ist das Problem, das hat sich auch in der Abstimmung und teilweise in Imola gezeigt. Da müssen wir ansetzen", weiß der 80-Jährige.

Im Qualifying am Samstag saß selbst Adrian Newey, der eigentlich nur noch als Botschafter für den Supersportwagen RB17 zu den Formel-1-Rennen kommt und sonst aus allen entwicklungstechnischen Vorgängen ausgeschlossen ist, am Kommandostand. Er zeichnet keine neuen Flügel mehr, kann aber offenbar gar nicht anders, als sich am Rennwochenende mit Rat und Tat einzubringen.

Horner weiß, dass eine WM schnell kippen kann: "Es ist erst ein Drittel der Saison gefahren, und es sind noch viele Punkte zu vergeben. Wenn wir Monaco nicht gewinnen können, dann müssen wir halt schauen, so viele Punkte wie möglich mitzunehmen." Was vom sechsten Startplatz aus kein leichtes Unterfangen wird.

Hätte Verstappen auf Pole fahren können?

Verstappen hätte ohne Fehler ziemlich sicher in die zweite Startreihe fahren können. Womöglich wäre sogar die Pole drin gewesen - aber nur, weil der Niederländer so ans Limit ging. "In schnelleren Kurven ist das Auto richtig gut", sagt er. "Aber in den langsamen Ecken und auf Bodenwellen hüpft es total und ich muss das irgendwie umfahren."

Das ging so weit, dass Verstappen im dritten Freien Training versuchte, die Randsteine einfach weniger stark zu nehmen als am Freitag. Das brachte eine Verbesserung. Auch wenn die theoretisch optimale Fahrweise die direkteste Linie ist, die möglichst weit innen über die Randsteine führt. Zumindest, wenn das Auto das schlucken kann.

Loews, Hafenschikane: "Und das sind nur die Kurven, die mir spontan einfallen. Es gibt da noch ein paar weitere Stellen, wo wir Zeit verlieren. Aber in den zwei Kurven sind wir richtig scheiße", sagt Verstappen. "Ich bin überrascht, dass wir überhaupt so nah dran waren. Wahrscheinlich haben einige andere keine guten Runden hinbekommen."

"Man muss sich ja nur anschauen, wo wir stehen. Wir sind P18 und P6. Checo ist normalerweise ein Spezialist für Stadtkurse. Da blüht er sonst richtig auf. Dass er in Q1 ausscheidet, sagt alles darüber aus, wie gut unser Auto ist. Da kann ich dann mit Platz 6 auch nicht großartig enttäuscht sein", sagt der amtierende Weltmeister.

Dass es im Rennen noch in Richtung Podium gehen kann, glaubt er eher nicht: "Wenn es normal läuft, kannst du nicht viel machen. Die Autos sind so breit, dass du nicht überholen kannst. Wir müssen versuchen dranzubleiben, obwohl wir nicht das schnellste Auto haben. Es ist nicht so, dass P6 'out of Position' wäre. Das ist genau, wo wir hingehören."

Trotz Punkterückstand in der WM: McLaren wittert Chance

Währenddessen wittert die Konkurrenz Morgenluft. Lando Norris zum Beispiel, dessen Wettquoten auf Weltmeister 2024 bei 1:15 stehen (genau wie jene von Leclerc). Zum Vergleich: Verstappen wird nur mit 1:1,07 gehandelt. Da sind die Zinsen bei einem halbwegs vernünftig angelegten Aktienfonds besser.

Der Punkterückstand ist noch groß, aber die Formkurven überlappen sich langsam: "Wir sind schon das ganze Jahr näher dran", sagt Norris, in Monaco Vierter der Startaufstellung. "Ich habe am Saisonbeginn prognostiziert, dass wir anfangen werden, Red Bull einzuholen und zu besiegen. Das ist uns jetzt vielleicht ein bisschen früher gelungen als erwartet."

Norris, der in Miami seinen ersten Grand Prix gewonnen hat, ist davon überzeugt, "dass wir dieses Jahr noch einige Rennen gewinnen können" - im Falle seines Teamkollegen Oscar Piastri vielleicht sogar schon in Monaco. Der Australier wirkt zuversichtlich und sagt: "Wir haben schon vor dem Wochenende damit gerechnet, dass es gut laufen würde. Und das bestätigt sich jetzt."

Die Zeiten, in denen McLaren nur auf Strecken mit vielen schnellen Kurven ein Gegner für Red Bull war, sind vorbei. Zwar stimmt es, dass das Auto in langsamen Kurven nicht optimal funktioniert, wenn eine Strecke langsame und schnelle Kurven beinhaltet. In Monaco gibt's aber nur langsame Kurven, für die kein Set-up-Kompromiss erforderlich ist. Und das kriegt McLaren gut hin.

Ist Monaco nur ein Ausreißer?

"Unsere Rennpace", analysiert Horner, "war ganz gut im Training. Ob wir das zeigen können, ist freilich eine andere Frage. [...] Wir haben gerade acht Poles hintereinander geholt, und es war klar, dass diese Serie irgendwann enden würde. Wir wussten, dass Monaco schwierig wird. Ein Auto nur für eine Strecke zu bauen, würde aber auch keinen Sinn ergeben."

Horner ist ein Fan davon, die Kirche im Dorf zu lassen, wie es Marko unlängst in einem Interview auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de formuliert hat. Eine Saison wie 2023 zu erwarten, in der man alles in Grund und Boden gewinnt, wäre ohnehin unrealistisch. "2023 war ein einmaliges Jahr. Das wird sich nicht so schnell wiederholen", ist dem Teamchef bewusst.


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Und Monaco, weiß Verstappen, sei quasi das "Worst-Case-Szenario" für den RB20: "Die letzten zwei, drei Rennen waren schon unglaublich schwierig. Aber das jetzt ist unsere schlimmste Strecke. Es gibt halt ein paar Strecken, wo du über die Randsteine fahren musst. Und die sind eindeutig nicht ideal für uns."

Marko wirft ein: "Wenn wir wieder auf richtige Rennstrecken kommen, wie zum Beispiel Barcelona, sollten wir zu unserer alten Form zurückfinden." Was Verstappen ebenfalls glaubt: "Ich bin sicher, es werden Rennen kommen, die uns liegen. Aber wahrscheinlich ein paar weniger als früher. Deswegen müssen wir hart an diesen Themen arbeiten."

Verstappen: Team hat es nicht geschafft, Schwächen zu eliminieren

"Es gibt ganz eindeutig einen Bereich, in dem uns viel Performance fehlt", kritisiert er. "Wenn wir das hinkriegen, dann wird unser Auto ganz automatisch auf allen Strecken viel besser sein." Die Schwachstellen des RB19 mit dem RB20 auszumerzen, hatte man sich eigentlich schon über den Winter vorgenommen. "Aber das ist offensichtlich nicht passiert", knurrt Verstappen.

"Erstmal müssen wir verstehen, was genau das Problem ist. Im Moment verstehen wir es eindeutig noch nicht. Ich weiß nicht, ob wir das dieses Jahr noch lösen können, aber für nächstes Jahr hoffentlich schon", sagt er und ergänzt: "Wir sind nicht perfekt. Wir müssen an uns arbeiten und unsere Grenzen besser verstehen, damit wir sie wieder verschieben können."

Verstappen analysiert: "Es waren unterschiedliche Probleme. In Miami haben wir wahrscheinlich die Balance nicht getroffen. Auch mit den Reifen hat es nicht gepasst. In Imola haben wir die Wende ganz gut hinbekommen, aber wegen des schwierigen Trainings hatten wir den harten Reifen nicht ganz im Griff. Aber insgesamt war die Performance dort okay."


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2023 sei auch Singapur "ziemlich schlecht" gewesen, und so geht Verstappen aktuell nicht davon aus, den WM-Titel 2024 auf dem Silbertablett serviert zu bekommen: "Daran denke ich im Moment nicht einmal", winkt er ab. "Es ist eine lange WM, und ein Rennen definiert nicht die ganze Meisterschaft. Um einen Titel zu gewinnen, musst du konstant sein. Das werden wir versuchen."

Dass Red Bull seit Schanghai gefühlt wackelt, wundert Verstappen nicht. Das sei eine logische Folge des Entwicklungsrennens: "Die anderen haben danach Upgrades gebracht. Wir hatten unseres schon in Japan. Da hatten wir noch ein bisschen Vorsprung, und dann kamen die anderen mit ihren neuen Teilen, die offensichtlich gut funktionieren."

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