Analyse: Wo war die vielversprechende Ferrari-Pace im Qualifying?
Ferrari galt beim Italien-Heimspiel als Favorit auf die Pole, doch am Ende landet Charles Leclerc nur auf der vierten Position! Wo ist die Pace vom Freitag geblieben?
(Motorsport-Total.com) - Nanu, wo ist plötzlich die vielversprechende Ferrari-Pace vom Freitag geblieben? Charles Leclerc und Carlos Sainz galten angesichts der umfangreichen Updates am SF-24 und der starken Leistungen im Training als Favoriten auf die Poleposition - doch am Ende verpassten beide Ferrari-Piloten einen Startplatz in den Top 3!
Leclerc landete mit 0,224 Sekunden Rückstand auf dem vierten Platz, gefolgt von Teamkollege Sainz, der fast eine halbe Sekunde langsamer war als Polesetter Max Verstappen. "Wir haben unser Ziel, auf der Poleposition zu stehen, nicht erreicht", zeigt sich der Monegasse unzufrieden.
Dass es am Freitag so gut lief, lag offenbar an den verschiedenen Strategien der Teams und den unterschiedlichen Mengen an Kraftstoff. Leclerc, der ab Imola einen neuen Renningenieur hat: "Jetzt gibt es keinen Zweifel mehr über die Benzinmenge im Qualifying, und wir sind weiter weg, als wir dachten." Rumms!
Der 26-Jährige hat die Vermutung, dass die Konkurrenz "ihr Spiel ein bisschen mehr versteckt hat" und am Freitag mit mehr Benzin gefahren ist. "Oder sie hatten weniger Motorleistung, oder was auch immer sie gemacht haben", grübelt Leclerc, der am Samstag offenbar auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurde.
Leclerc: "Nicht mehr viel drin gewesen"
"Meine Runde war gut, ich glaube nicht, dass viel mehr drin gewesen wäre", stellt der Ferrari-Pilot klar, dass der große Zeitverlust nicht auf einen Fahrerfehler zurückzuführen ist. Dass das vielversprechende Update nutzlos war, möchte er aber nicht behaupten.
"Ich denke, wir müssen ein paar Rennen abwarten, bevor wir das beurteilen können, weil wir vielleicht noch nicht im optimalen Fenster für das neue Paket fahren", sagt Leclerc, der sicher ist, dass es noch mehr Potenzial gibt.
"Wie immer, wenn man ein neues Paket am Auto hat, braucht es ein oder zwei Rennen, um das optimale Arbeitsfenster zu finden und das Auto so abzustimmen, dass es immer seine beste Leistung bringt. Daraus werden wir für die nächsten Rennen lernen und das wird uns helfen, das Maximum aus dem Auto herauszuholen. Und hoffentlich werden wir dadurch wieder vor McLaren liegen."
Der Ferrari-Pilot sieht aber auch die positiven Aspekte: "Alles, was wir uns von diesem Upgrade erhofft haben, haben wir bekommen. Die Zahlen haben bestätigt, was wir vermutet haben", verrät der Monegasse, der aber auch zugibt, dass der Samstag "doch etwas schlechter war als erwartet, denn wir hatten erwartet, etwas näher dran zu sein".
Das Autodromo Enzo e Dino Ferrari sei nicht die beste Strecke, um die Auswirkungen des Updates zu beurteilen, meint Leclerc. Wenn das Auto gut über die Randsteine fährt, könnte das einen größeren Unterschied machen als ein Aero-Upgrade. "Das meinte ich damit, dass wir in Imola vielleicht nicht das volle Potenzial der Verbesserungen sehen werden, die wir mitgebracht haben."
Ferrari verliert vor allem im ersten Sektor
Besonders auffällig: Im ersten Sektor verliert Ferrari im Vergleich zur Konkurrenz die meiste Zeit! "Wir verstehen nicht, was uns dort [in Tamburello] fehlt", rätselt Lerclerc im Gespräch mit Sky. "Die Vorbereitung der Reifen ist wichtig, aber es ist seltsam. Wir haben viele Dinge ausprobiert, aber es sind immer die gleichen Kurven, die uns bestrafen."
"Das ist etwas, das wir kennen und an dem wir arbeiten, aber es ist nichts, was wir jetzt entdecken", spricht der Ferrari-Pilot die altbekannten Schwächen an. "Wir wissen, dass wir damit zu kämpfen haben, und wir wissen, dass eine Stärke der Red Bulls ist, wie weit sie über die Randsteine gehen können."
"Ich weiß nicht, wie weit Max im Qualifying über die Randsteine gefahren ist, aber ich weiß, dass er es vor diesem Wochenende oft getan hat", erinnert sich Leclerc. "Ich habe versucht, über die Randsteine zu fahren, aber mit unserem Auto können wir das im Moment nicht. Wir werden uns das anschauen, aber die Tendenz ist schon seit einigen Rennen so."
"In meinen Augen ist das ein Thema, was wahrscheinlich eher die Reifentemperatur angeht, dass man im ersten Sektor den Reifen noch nicht so hat, wie man das gerne hätte", vermutet Sky-Experte Timo Glock, der von einem Zeitverlust von "zweieinhalb bis drei Zehntelsekunden zu McLaren und zu Red Bull" spricht.
Die Daten zeigen: Schon auf dem Weg zur ersten Kurve verlieren die beiden Ferrari-Piloten rund zweieinhalb Zehntelsekunden auf Verstappens Bestzeit, weil ihnen vor dem Anbremsen der Tamburello-Schikane mehr als 10 km/h Topspeed fehlen! Das könnte allerdings auch mit dem Windschatten durch Nico Hülkenberg zusammenhängen.
Sainz dämpft Erwartungen: "Zahlen außerhalb der Realität"
Wie schon am Freitag hatte Sainz zudem mit den weichen Reifen zu kämpfen. "Wir haben den weichen Reifen aufgezogen und ich habe kaum Rundenzeiten gefunden, was mich ein wenig überrascht", rätselt der Spanier. "Das ist etwas, woran ich arbeiten muss."
Als Ursache sieht der Ferrari-Pilot sowohl die Balanceverschiebung als auch den Wind. "Der Rückenwind in den Kurven 2, 5 und 7 ist immer noch unsere größte Schwäche mit diesem Auto", verrät Sainz. "Wir wissen, dass wir uns verbessern müssen und arbeiten schon seit einiger Zeit daran."
Der 29-Jährige bestätigt auch, dass das Update "genau so funktioniert, wie wir es erwartet haben". Allerdings waren die Erwartungen bei Sainz gedämpft. "Aus irgendeinem Grund hat jeder erwartet, dass wir an diesem Wochenende mit dem neuen Paket fliegen. Ich habe Zahlen über unser Paket gesehen, die völlig außerhalb der Realität lagen. Heutzutage ist es eine gute Leistung des Teams, ein Zehntel herauszuholen."
"Das können wir natürlich nicht sehen, das kriegen wir jetzt erst gesagt von ihm, aber interessant zu hören, dass er so eine Aussage nach außen macht", sagt Glock, der nicht glaubt, dass es sich um eine Schutzbehauptung handelt. "Ich glaube eher, dass Carlos Sainz kein Blatt mehr vor den Mund nimmt, weil er nächstes Jahr nicht mehr bei Ferrari ist."
"Charles Leclerc hätte es genauso sagen können, hat er aber nicht", erinnert der Sky-Experte. "Und das zeigt auch ein bisschen die Tendenz, aber grundlegend verspricht man sich wahrscheinlich von dem Paket in Zukunft mehr Entwicklungspotential."
"Aber ja, so eine Aussage hilft natürlich nicht weiter", sagt Glock. "Wir sehen nur neue Teile und wir haben natürlich keine Relation zu, was das Update an Zeit bringt, aber jetzt wissen wir es relativ genau, nämlich nicht ganz so viel."
Sainz: "Auto besser als in Miami"
Wie groß der Zeitgewinn durch das neue Ferrari-Update ist, konnte Sainz allerdings nicht beantworten. "Das darf ich nicht, also kann ich es nicht sagen", schmunzelt der Australien-Sieger. "Aber indem ich sage, dass die Zahlen nicht der Realität entsprechen, sage ich genug und das Rätsel löst sich von selbst."
Insgesamt sei das Auto besser als in Miami, bestätigt der Ferrari-Pilot. "Wir messen mehr Abtrieb und alles funktioniert gut. Es ist nur noch nicht genug für eine Strecke, die unserem Auto nicht liegt. Positiv ist, dass wir genau wissen, wo unsere Schwächen in den Kurven liegen, die ich erwähnt habe."
"Jetzt können wir uns hoffentlich darauf konzentrieren, das Auto zu verbessern, um diese Schwächen auszumerzen", hofft Sainz, der sich auch darauf konzentrieren will, die weichen Reifen besser zum Arbeiten zu bringen, um vor allem im Qualifying konkurrenzfähiger zu sein.
"Die Saison ist noch lang und wir haben noch viele Ideen, wie wir mehr aus diesem Paket herausholen können und ich bin sicher, dass wir das in den nächsten Rennen tun werden", ist Leclerc zuversichtlich. Das wird für den Rest der Saison entscheidend sein", glaubt der Ferrari-Pilot.
Leclerc will weiterhin "den Sieg anpeilen"
Auch für das Rennen in Imola hat der Monegasse noch Hoffnung. "Im Rennen sind wir ziemlich stark. Aber auf einer Strecke wie dieser ist die Position alles und vor allem mit dem reduzierten DRS wird es morgen noch schwieriger zu überholen", erinnert Leclerc.
"Der Start wird wichtig sein, aber es ist keine breite Strecke, also hat man normalerweise nicht viele Chancen am Start", ergänzt Sainz. "Wir müssen positiv denken und sehen, was wir tun können. Es gibt eine Chance auf das Podium, wenn wir die McLarens schlagen und das ist es, was wir als Team brauchen."
Der Spanier hofft, dass er im Rennen auf die weichen Reifen verzichten und "mit den Medium- und harten Reifen besser fahren kann, wenn es um Punkte geht". Teamkollege Leclerc weiß: "Es wird kein einfaches Rennen. Aber wir werden den Sieg anpeilen und dann sehen, wo wir landen."