Strafe nach Unfall: Problem am Auto oder pure Absicht von Alonso?
George Russell wurde vom plötzlich langsamer werdenden Fernando Alonso überrascht und crashte: War es Absicht vom zweimaligen Weltmeister?
(Motorsport-Total.com) - Hat Fernando Alonso seinen Kollegen George Russell absichtlich ausgebremst und damit den Unfall des Mercedes-Piloten in der Schlussphase des Formel-1-Rennens in Australien ausgelöst? Mit dieser Frage beschäftigten sich die Kommissare nach den Grand Prix in Australien.
Ihr Urteil: Durchfahrtsstrafe für den zweimaligen Weltmeister und drei Strafpunkte. Weil die Strafe nach dem Rennen in eine 20-Sekunden-Strafe gewandelt wird, fällt Alonso hinter Teamkollege Lance Stroll und Yuki Tsunoda (Racing Bulls) auf Position acht zurück.
Die Kommissare sahen es als erwiesen an, dass Alonso mehr als 100 Meter früher als sonst und an einem unübliche Punkt bremste. Dadurch sei der Spanier "potenziell gefährlich" gefahren, was normalerweise eine 10-Sekunden-Strafe zur Folge hat. Aufgrund der Umstände entschieden sich die Stewards aber für eine umfassendere Sanktion.
Alonso und Russell hatten sich in den letzten Runden in einem Zweikampf befunden. Russell fuhr in der vorletzten Rennrunde mit rund einer halben Sekunde Abstand hinter dem Aston-Martin-Piloten her, als dieser vor Kurve 6 überraschend langsamer wurde.
Russell verlor hinter Alonso das Auto aus der Kontrolle und schlug im Kiesbett in die Streckenbegrenzung ein, bevor er mitten auf die Strecke rutschte und auf der Seite zum Liegen kam - effektiv war das Rennen damit für alle beendet, weil das Virtuelle Safety-Car in der letzten Runde ausgerufen wurde.
Russell blieb unverletzt, doch der mögliche sechste Platz war für ihn weg. "Mir geht es gut, aber es war kein angenehmer Ort, mitten in einer Highspeed-Kurve auf der Ideallinie zu liegen."
Das konnte man auch am Funk anmerken, wo Russell um eine rote Flagge bettelte, doch die Rennleitung rief nur das Virtuelle Safety-Car aus. "Das hat zehn oder 15 Sekunden gedauert", schildert er. "Das klingt nicht nach viel, aber innerhalb von zehn Sekunden können drei Autos um die Kurve kommen - und das bei 250 Sachen. Ich war echt besorgt."
Nach dem Vorfall schwenkte das Thema jedoch schnell zu der Frage, wie es dazu gekommen war. Denn Alonsos Auto wurde vor der Kurve überraschend langsam, sodass eventuell Absicht von Alonso im Raum stand, was die Kommissare nach dem Rennen auch untersuchten.
Glock glaubt an Alonso-Taktik
"Ich bin abgeflogen und das geht auf meine Kappe", sagt Russell. "Aber ich war 100 Meter vor der Kurve eine halbe Sekunde hinter ihm, und plötzlich kam er extrem schnell auf mich zu und ich hing ihm genau im Getriebe", so der Brite, der von "bizarren Umständen" spricht. "Ich weiß nicht, ob er ein Problem hatte oder nicht."
"Die Idee von Alonso war, Russell auf dem falschen Fuß zu erwischen, ihn zu verlangsamen und dann früh am Gas zu sein, um eine Lücke zu öffnen", glaubt Sky-Experte Timo Glock. "Das war so extrem, dass Russell damit überhaupt nicht gerechnet hat. Alonso fährt die Ellbogen aus und nutzt den Graubereich, um sich einen Vorteil zu verschaffen."
In den Telemetriedaten ist zu sehen, dass Alonso deutlich früher vom Gas ging als sonst und dass er unüblicherweise auch zwei Mal bremste. "Er hat gebremst, ist voll wieder auf's Gas und hat dann die Kurve normal genommen. Das haben wir in den Daten gesehen", sagt Russell.
"Aber ich werde ihn nicht beschuldigen, bis wir weitergesehen haben. Aber ich war viele, viele Runden hinter ihm, und plötzlich ist er so drastisch langsamer geworden und hat dann wieder Gas gegeben. Das habe ich nicht erwartet."
Auch Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff sagt: "Es gab diesen Bremsvorgang, und in den fünf Runden davor, die ich gesehen habe, gab es dieses Anbremsen nicht. Aber in dieser einen Runde gab es den", so der Österreicher, der aber betont: "Ich möchte Alonso nichts unterstellen, weil ich nur auf diese paar Runden geschaut habe."
Alonso betont: Hatte Probleme am Auto
Alonso selbst sagt, dass er sich nur auf die Autos vor sich und nicht dahinter konzentriert habe und dass er in den letzten 15 Runden des Rennens Probleme mit der Batterie hatte. "Ich hatte gegen Ende also ein paar Schwierigkeiten", so der Spanier. "Aber er ist offensichtlich okay. Ich habe das Auto gesehen und habe mir große Sorgen gemacht."
Im letzten Funk vor dem Unfall von Russell hatte Alonso gemeint: "Ich kann das Gas nicht voll treten, es ist sehr, sehr steif."
Noch einmal näher nach den Problemen gefragt, antwortet er aber nur ausweichend: "Ich wusste, dass er kommt. Er war schon fünf oder sechs Runden im DRS-Bereich, von daher war es sehr eng. Ich bin Qualifying-Runden gefahren und habe versucht, die Pace zu maximieren."
Russell: Interessant, dass sie uns deswegen vorladen
Auf die Aussagen von Alonso angesprochen, dass er ein Problem gehabt haben will, grinst Russell nur. "Ich kann das nicht kommentieren", winkt er ab. "Aber so viel, wie er langsamer wurde, schätze ich, dass er ein Problem gehabt haben muss."
"Aber die FIA wird alle Daten haben. Und es ist interessant, dass sie uns deswegen zu den Kommissaren gerufen haben", meint der Mercedes-Pilot weiter, der in den Runden davor keine ähnliche Aktion erkannt hat - außer einmal ein klein wenig vor Kurve 9.
"Ich werde aber niemanden beschuldigen. Ich war derjenige, der das Auto verloren hat. Aber ich war schon überrascht, denn du fährst am Limit und gegen die besten Fahrer der Welt, von daher habe ich nicht erwartet, dass jemand so langsam ist. Aber wenn er ein Problem hatte, ergibt das total Sinn ..."