"Seltsames Gefühl": Albon will Punkte für "Gentleman" Sargeant holen
Alexander Albon weiß, dass er nach der Entscheidung von Williams besonders in der Verantwortung steht - Er gehe Melbourne trotzdem wie ein normales Wochenende an
(Motorsport-Total.com) - "Es ist ein seltsames Gefühl, wenn ich ehrlich bin", sagt Alexander Albon nach dem Qualifying in Melbourne und erklärt: "Es ist eine Sache, einen Fehler zu machen und dann unter Druck zu stehen, wenn man versucht, im Qualifying eine Leistung abzuliefern."
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Alexander Albon qualifizierte sich in Australien auf Startplatz zwölf Zoom Download
Er habe nun aber zusätzlich noch die "Verantwortung" für das komplette Team, weil Williams sich nach seinem Unfall am Freitag dazu entschieden hat, ihm das Auto von Teamkollege Logan Sargeant zu überlassen. Für ein weiteres Fahrzeug fehlen die nötigen Ersatzteile.
Ein großer Vertrauensbeweis des Teams, der aber auch zusätzlichen Druck mit sich bringt. "Das würde ich niemandem wünschen", sagt Albon bei Sky über seine Situation an diesem Wochenende. Doch auf der Strecke ändere sich für ihn dadurch nichts.
Denn das einzige, was man tun könne, sei es, "sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, [...] und das Wochenende wie ein normales Wochenende zu behandeln." Es sei die beste Möglichkeit, sich beim Team zu bedanken, "heute und morgen einen guten Job zu machen", so Albon.
"Und ich denke, wir haben bisher gute Arbeit geleistet", so der Williams-Pilot, der am Qualifying-Samstag in Australien auch noch seinen 28. Geburtstag feierte - und sich selbst mit Platz zwölf "beschenkte". Viel mehr wäre laut eigener Aussage nicht drin gewesen.
Warum wurde Albon in Q2 nicht mehr schneller?
Er hätte "vielleicht ein halbes Zehntel" mehr herauskitzeln können, grübelt Albon. Für seine Endplatzierung hätte das aber keinen Unterschied gemacht, denn Lewis Hamilton war in Q2 als Elfter vor ihm mehr als zwei Zehntelsekunden schneller.
Seine Q1-Runde sei bereits "sehr stark" gewesen, sagt Albon und verrät: "Bei Williams hatte ich das schon ein paar Mal, dass es, vor allem wenn die Reifen sehr weich sind, für mich sehr schwer ist, noch viel schneller zu fahren."
"Wenn ich schneller durch eine Kurve fahre, neige ich dazu, die Reifen zu überhitzen", erklärt er. In der Tat hatte ihn eine 1:17.130 in Q1 sogar auf P7 gebracht. In Q2 konnte er sich jedoch nicht mehr steigern und fuhr sogar 0,037 Sekunden langsamer als in Q1.
Es sei für ihn im Williams "knifflig", sich nach einem guten Versuch noch einmal zu verbessern, betont er, stellt jedoch auch klar: "Wenn man bedenkt, was in den vergangenen Tagen alles passiert ist, ist [der zwölfte Platz] ein gutes Ergebnis."
Albon muss ohne Rennvorbereitung in den Grand Prix
Doch was ist im Rennen am Sonntag von dort aus möglich? Albon erklärt zwar, er würde gerne für das ganze Team und vor allem auch für seinen Teamkollegen Punkte holen. Gleichzeitig müsse man aber auch "realistisch" sein, stellt er klar.
"Ich stehe neben einem Mercedes [in der Startaufstellung]. Ich glaube nicht, dass ich ihn allzu lange sehen werde", schmunzelt er und orientiert sich eher an Yuki Tsunoda. Der qualifizierte sich zwar auf Platz acht, wird laut Albon im Rennen aber eher in Reichweite als Hamilton sein.
"Ich denke, unser Rennen wird mit ihm sein, und dann ist es das normale Australien. Hoffentlich gibt es drei rote Flaggen und eine Gelegenheit, ein paar Punkte zu holen", grinst Albon, der jedoch fast ohne Rennvorbereitung in den Grand Prix gehen wird.
Dave Robson, Leiter der Fahrzeug-Performance bei Williams, erklärt: "Alex wird schnell verstehen müssen, wie er die Reifen bei hohem Benzinverbrauch handhaben muss." Denn weil er Sargeants Auto erst am Samstag übernahm, hatte Albon kein zweites Training.
Albon: Kein spürbarer Unterschied zwischen den Autos
Folglich verpasste er dort die Longruns, doch Robson ist trotzdem vorsichtig optimistisch und erklärt: "Morgen wird es ein interessantes Rennen geben, da die weichen Reifenmischungen möglicherweise eine Vielzahl von Strategien zulassen, um konkurrenzfähig zu sein."
"Es wird nicht einfach sein, aber P12 bietet die Chance, mit den Autos vor ihm um die letzten Punkte zu kämpfen", so Robson. Albon selbst berichtet derweil, dass er am Samstag immerhin keinen großen Unterschied zwischen Sargeants Auto und seinem eigenen Chassis zuvor gespürt habe.
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"Um ehrlich zu sein, fühlen sie sich sehr ähnlich an. Fast identisch", verrät er und erklärt: "Es ging einfach darum, mein Selbstvertrauen wiederaufzubauen und wieder in den Rhythmus der Strecke zu kommen." Dabei habe ihm dann auch sein Teamkollege geholfen.
"Wir sprechen immer miteinander. Wir sind als Team sehr offen, betont Albon und verrät: "Ich habe ihm in FT2 geholfen. Und als dann diese Entscheidung getroffen wurde, hat er mir geholfen. Er war ein wahrer Gentleman. Er war in dieser ganzen Situation ein echter Teamplayer."
Albon: Dürfen keine Angst vor weiterem Unfall haben
Mit angezogener Handbremse, um einen weiteren Unfall zu vermeiden, fahre er übrigens nicht, stellt er klar. "Wenn man so denkt, ist es schon vorbei. Also behandelt man es einfach wie ein normales Wochenende, so gut es geht", erklärt Albon.
Zudem erinnert er im Hinblick auf das fehlende Ersatzchassis: "Wir sind seit dem ersten Rennen so gefahren. Es hat sich also nicht verändert." Und im aktuell engen Mittelfeld der Formel 1 könne man es sich nicht leisten, sich wegen so etwas zurückzunehmen.
"Man kann keinen Prozentpunkt liegenlassen", stellt Albon klar und betont, die Situation sei seit dem Winter bekannt gewesen, und man habe gewusst, dass sie das Team irgendwann einholen könne. Er hofft nun, dass sich die Lage womöglich schon ab dem Rennen in China etwas entspannt.
Die Entscheidung, Albon das Sargeant-Auto zu geben, finden in diesem Zusammenhang nicht alle Formel-1-Fans korrekt. Helmut Marko hat jedoch Verständnis dafür und erklärt bei ServusTV: "Albon ist der deutlich schnellere Fahrer und Williams kämpft wie die anderen hinteren fünf Teams um Punkte."
"Deshalb müssen sie alles machen, um den stärksten Fahrer im Rennen zu haben. Deshalb ist es strategisch und taktisch die völlig richtige Entscheidung gewesen", so Marko. Nun bleibt abzuwarten, ob diese womöglich auch noch mit WM-Punkten belohnt wird.