Ferrari ist "mehr als zufrieden" mit aggressivem Carlos Sainz
Der bald ehemalige Ferrari-Fahrer Carlos Sainz überholte beim Formel-1-Auftakt 2024 in Bahrain seinen Teamkollegen und wird (auch) dafür vom Team gefeiert
(Motorsport-Total.com) - Das Teamduell bei Ferrari zwischen Charles Leclerc und Carlos Sainz ist in der Formel-1-Saison 2024 eines mit besonderer Brisanz. Denn seit dem angekündigten Ferrari-Wechsel von Lewis Hamilton für 2025 steht fest, dass Sainz das Team verlassen wird. Umso mehr will sich der Spanier dieses Jahr in Szene setzen - und hat das gleich beim Auftaktrennen in Bahrain getan, indem er Leclerc überholt hat.
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Carlos Sainz im Duell mit Ferrari-Teamkollege Charles Leclerc beim Formel-1-Auftakt 2024 in Bahrain Zoom Download
Mehr noch: Mit Platz drei hinter den beiden Red Bull war Sainz "best of the rest" im Feld und erzielte den ersten Ferrari-Podestplatz der Saison.
Für Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur aber kommt das nicht überraschend: "Ich war ehrlich gesagt überzeugt davon, dass Carlos so eine Reaktion zeigen würde."
Genau deshalb habe Ferrari die Hamilton-Ankündigung noch vor Saisonbeginn vollzogen. "So können wir uns vollkommen auf die Rennsaison verkünden", erklärt Vasseur. "Und die Reaktion von Carlos war mehr als professionell."
Zu rustikales Manöver? Sainz widerspricht
Aber war Sainz' Überholmanöver gegen Leclerc nicht eine Spur zu rustikal? Sainz selbst hat das nicht so empfunden und meint: "Im Auto fühlte es sich nie eng an. Wann auch immer ich meinen Teamkollegen überhole, versuche ich immer, so viel Platz wie möglich zu lassen. Und ich mache das auch nur, wenn ich den Eindruck habe, ich habe alles unter Kontrolle und es geht ohne Risiko für beide Autos."
"Genau so habe ich das [in diesem Fall] gemacht. Es fühlte sich wie ein gutes Manöver an. Und ich hatte stets Charles im Auge, damit er nicht noch zusätzlich Zeit verliert oder dergleichen."
Dieses Verhalten ist Ferrari-Teamchef Vasseur positiv aufgefallen. Sainz habe - nicht nur in der geschilderten Situation mit Leclerc - "einen guten Job gemacht", sagt Vasseur. "Ich bin mehr als zufrieden mit seinem Einsatz."
Sainz will weiter Werbung machen für sich selbst
Und Sainz selbst deutet an: So soll es weitergehen. O-Ton: "Ich möchte in jedem Rennen beweisen, zu was ich fähig bin, dass jeder weiß, was ich kann."
Denn anders als einige Topfahrer in der Formel 1 hat Sainz bislang kein Cockpit für 2025. Sorgen bereitet ihm dieser Zustand laut eigener Aussage aber nicht: "An meine Zukunft denke ich aktuell nicht. Das mache ich nur in meiner Freizeit. In der restlichen Zeit konzentriere ich mich auf die Rennen. So, wie ich es auch [in Bahrain] gemacht habe."
Experten sehen Ferrari-Teamduell eskalieren
Das lässt für Sky-Experte Timo Glock nur einen Schluss zu: "Sainz wird auch in den kommenden Rennen für sich fahren, um mit guten Resultaten zu überzeugen und sich auf dem Fahrermarkt in Position zu bringen."
Sainz' Auftreten in Bahrain habe "intern ein klares Ausrufezeichen" gesetzt, meint Glock. "Er hat ganz klar gezeigt, dass er definitiv nicht auf eine Teamorder achtet, sondern sein Ding macht." Und Sainz sei "sehr, sehr aggressiv" gegenüber Leclerc vorgegangen.
Ralf Schumacher wiederum sagt ebenfalls bei Sky, beim Ferrari-Teamduell sei in Bahrain "alles im Rahmen" gewesen. Man stelle als Beobachter aber fest, "die zwei sind sich nicht mehr ganz so grün".
Er hätte in dieser Situation mehr Fingerspitzengefühl seitens Ferrari erwartet: "Vielleicht hätte das Team sagen müssen, 'Charles, pass auf, du hast ein Problem mit den Bremsen, lass deinen Teamkollegen durch'. Das würde man umgekehrt als Teamkollege erwarten."
Auch bei Sainz überhitzen die Bremsen
Was allerdings außer Acht lässt, dass auch die Bremsen am Ferrari SF-24 von Sainz nicht in optimalem Zustand waren. "Im ersten Stint und zu Beginn des zweiten Stints" nämlich kämpfte Sainz ebenfalls mit dem Material: "Immer, wenn wir im Verkehr waren."
Es seien "starke Bremsvibrationen" aufgetreten und "irgendwann wurde mein Pedal lang", sagt Sainz. Für ihn sei das Fahren deshalb zum "Balanceakt" geworden, weil er ständig habe abwägen müssen: "Probiere ich was und fahre raus aus der Dirty-Air und überhole? Oder schone ich die Bremsen, damit sie nicht versagen oder sonst was passiert?"
Er habe sich dann für einen Mittelweg entschieden. "Ich fuhr auf den Geraden etwas zur Seite, um die Bremsen zu kühlen. Dann ließen die Vibrationen nach", erklärt Sainz. "Damit konnte ich auch attackieren und Boden gutmachen. Als ich meine Pace fahren konnte, konnte ich überholen und mich in Richtung Podium orientieren."
Warum die Bremsprobleme neu waren für Ferrari
Aber hätte Ferrari das Bremsproblem nicht schon bei den Formel-1-Wintertests in Bahrain auffallen müssen? Sainz verneint: "Das kannst du bei den Tests nicht feststellen, weil du da nie zehn Runden lang hinter vier Autos fährst und [deshalb nicht] die ganze heiße Luft abkriegst."
Er habe also spontan mit der Situation zurechtkommen müssen. Sainz' Rezept: "Ich habe versucht, nicht in Panik zu geraten und die erhitzte Seite abzukühlen. Sobald die Bremsen etwas frische Luft abbekamen, ging es wieder besser. Aber das ist etwas, was wir bei den kommenden Rennen definitiv etwas mehr berücksichtigen müssen."