Ferrari: Wenn du mehr Pace hast, schonst du automatisch die Reifen
Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur erklärt den Formanstieg seines Teams in den letzten Rennen der F1-Saison: Reifenverschleiß nicht Ursache, sondern Symptom
(Motorsport-Total.com) - Zwar hat es Ferrari in Abu Dhabi nicht geschafft, Mercedes für den zweiten Platz in der Konstrukteurswertung zu überholen, doch die gezeigte Leistung auf dem Yas Marina Circuit sollte auf jeden Fall Mut für 2024 machen, da der SF-23 in den letzten Rennen immer besser in Sachen Rennpace und Reifenmanagement geworden ist.
Beim Blick auf die Daten des Rennens hatte in Abu Dhabi nur Max Verstappen die Reifen besser im Griff als Ferrari-Pilot Charles Leclerc, wovon der Monegasse selbst überrascht war: "Ich denke, wir waren etwas konkurrenzfähiger, als wir erwartet hatten. Wir haben eigentlich erwartet, dass wir im Vergleich zu Mercedes oder McLaren ein wenig im Hintertreffen sind."
"Aber dafür war Max stärker als erwartet, aber wir hatten ein recht gutes Reifenmanagement. Es war zu erwarten, dass wir vor allem mit Überhitzung zu kämpfen haben würden. Das ist normalerweise eine unserer Schwächen. Aber heute haben wir in dieser Hinsicht recht gute Arbeit geleistet."
Vasseur: Es geht nicht um das Reifenmanagement
Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur betont schon über die komplette Saison, dass das Hauptproblem der Scuderia nicht der Reifenverschleiß an sich ist, sondern die mangelnde Rennpace, die die Fahrer dazu zwingt, mehr zu pushen und dadurch die Reifen mehr zu beanspruchen.
"Ich bin kein großer Fan davon", sagt er auf die Frage, ob er zufrieden mit den Fortschritten beim Reifenmanagement besonders im Vergleich zu Mercedes ist. "Denn es ist auch eine Frage des Tempos. Wenn man nicht die Pace hat, muss man mehr pushen, aber wenn man mehr pusht, schadet man den Reifen."
"Die beiden McLarens haben die Reifen in den Kurven zwei und drei überhaupt nicht geschont, daher denke ich, dass wir insgesamt einen Pace-Vorteil hatten und wenn man einen Pace-Vorteil hat, kann man zurechtkommen. Es war ziemlich offensichtlich, dass einige unserer Konkurrenten am Ende des Stints zu kämpfen hatten, weil sie in den Kurven zwei und drei zu viel gegeben haben. Und das ist der Punkt, an dem man alles kaputt macht."
Vasseur hadert: Viele Punkte verloren
Doch auch wenn Ferrari in den letzten Rennen einen Aufwärtstrend hingelegt hat, hadert Vasseur mit verpassten Punktechancen, die der Scuderia Platz zwei in der Teamwertung gekostet haben: "Sicherlich war Carlos [in Abu Dhabi] nicht auf der Höhe, das ist klar, und wir müssen verstehen, warum. Aber ehrlich gesagt ist es nicht so, dass wir da etwas verpasst haben."
Tost tobt: "Zu blöd, eine richtige Strategie zu wählen!" | Datenanalyse GP Abu Dhabi 2023
Yuki Tsunoda war einer der Fahrer des Rennens, doch seine Einstoppstrategie war eine Fehlentscheidung. Weitere Formel-1-Videos
"Wenn man sich die Meisterschaft anschaut, das hatten wir Miami und Zandvoort, was die Pace angeht, und wir hatten einige Veranstaltungen, bei denen wir ein Zuverlässigkeitsproblem hatten, und das war viel schmerzhafter als heute. Heute hatten wir als Team eine so starke Pace, dass wir in der Lage waren, um Poleposition zu kämpfen. Und wir haben fast das ganze Rennen über mit dem Red Bull gekämpft."
"Aber wir haben in dieser Saison aus verschiedenen Gründen zu viele Punkte verschenkt, wegen der Zuverlässigkeit, wegen der Disqualifikation in Austin, wegen Behinderungen im Quali", sagt er. "Und wir müssen uns bei der Aerodynamik, beim Motor, bei jedem einzelnen Thema [für 2024] verbessern."
Vasseur lobt Fortschritte: Zu Beginn noch fast überrundet
Beim Blick auf das Ferrari-Jahr 2023 hat es ohnehin mehr den Anschein, dass es vorwiegend darum ging, neue Strukturen im Team zu schaffen und die Saison als Aufbaujahr zu nutzen, nachdem es vor der Saison den Teamchefwechsel von Mattia Binotto hin zu Frederic Vasseur gab und auch zahlreiche Ingenieure Maranello verlassen haben.
"Sicherlich war die Erwartungshaltung zu Beginn der Saison etwas zu hoch, und wir haben die Situation schnell verstanden", meint Vasseur. "Ich denke, schon nach ein paar Runden in Bahrain. Und sogar ein paar Runden im Simulator, bevor wir nach Bahrain gekommen sind. Aber was ich in dieser Saison im Hinterkopf behalten würde, ist die Reaktion des Teams."
"Wir hatten einen schwierigen Moment, aber man sollte daran denken, dass wir in Dschidda, Miami, Spanien oder Zandvoort fast überrundet wurden. Ich denke, dass wir im Vergleich zu Zandvoort gemeinsam einen großen Schritt nach vorne gemacht haben, und das ist gut für die Zukunft."
"Ich bin mehr als zufrieden, denn zwischen Zandvoort und heute haben wir das Auto nicht großartig verändert. Ich glaube, wir hatten in Japan ein Upgrade, aber im Grunde haben wir das gleiche Auto behalten, und wir waren in der Lage, einen viel besseren Job zu machen, mit einem besseren Verständnis des Autos, einer besseren Abstimmung des Autos und einem besseren Ansatz der Fahrer."
Vasseur: Auf was es jetzt für Ferrari ankommt
Der Schritt Richtung Red Bull ist trotzdem noch ein großer. Im Schnitt war der RB19 über die komplette Saison sechs Zehntel pro Runde schneller im Rennen als der Ferrari SF-23, obwohl der Rückstand in den vergangenen Rennen eher halbiert wurde.
"Ich denke, es wäre ein Fehler zu glauben, dass Red Bull ein Patentrezept von fünf Zehnteln hat oder dass wir einen Schritt nach vorne gemacht haben", so Vasseur. "Die Leistung kommt von überall her aus dem Unternehmen, aus der Tatsache, dass wir in der Lage sind, Teile schneller zu produzieren, dass wir eine bessere Zuverlässigkeit haben."
"Es geht nicht darum, dass wir etwas Falsches und etwas Gutes haben und man etwas verbessert und dann einen Schritt von vier oder fünf Zehnteln macht. Das Wichtigste ist, dass die tausend Leute, die wir im Team haben, davon überzeugt sind, dass sie alle ihren Beitrag leisten, und dass sie alle versuchen, ein bisschen ans Limit zu gehen, selbst wenn es nur um Tausendstelsekunden geht, die dann reichen, um einen großen Schritt zu machen."