Leclerc lässt Perez vorbei: Warum bremste er Russell am Ende nicht ein?
Hätte Charles Leclerc George Russell in der letzten Runde in Abu Dhabi bewusst einbremsen müssen, um Ferrari in der WM noch auf Platz zwei zu bringen?
(Motorsport-Total.com) - "Verdammt nochmal!" So ärgerte sich Charles Leclerc nach der Zieldurchfahrt beim Formel-1-Saisonfinale 2023 in Abu Dhabi. Denn zwar wurde er selbst im Rennen Zweiter, in der Weltmeisterschaft verlor Ferrari aber das Duell gegen Mercedes um Rang zwei.
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Charles Leclerc wurde hinter Max Verstappen und vor George Russell Zweiter Zoom Download
Mit 409:406 Punkten ging P2 am Ende hauchdünn an das Team aus Brackley - obwohl Leclerc am Ende noch einmal tief in die Trickkiste griff, um Ferrari doch noch vor Mercedes zu bringen. Denn kurz vor Rennende lag er vor George Russell und Sergio Perez auf P2.
Weil Perez aber eine Fünf-Sekunden-Strafe als Hypothek hatte, hatte Leclerc eine Idee, nachdem der Mexikaner Russell überholt hatte: "Sagt mir die Lücke zwischen Checo und Russell", forderte Leclerc am Funk von seinem Renningenieur Xavier Marcos Padros.
"Wenn es weniger als fünf Sekunden sind, dann gebe ihm Windschatten und lasse ihn im letzten Sektor vorbei", so Leclerc, der sich kurz danach noch einmal vergewisserte: "Und du kannst bestätigen, dass er eine Fünf-Sekunden-Strafe hat, richtig?"
Leclercs Ziel war es, Perez trotz der Strafe auf P3 vor Russell zu bekommen, wobei er selbst natürlich vor dem Mexikaner bleiben musste. Wegen der Strafe konnte er es sich aber sogar erlauben, hinter Perez ins Ziel zu kommen, wenn der Rückstand dabei weniger als fünf Sekunden betragen hätte.
1,1 Sekunden fehlen zu Platz zwei in der WM
Wäre dieser Plan aufgegangen, hätte das Ferrari doch noch auf den zweiten Platz in der WM gebracht. Weil Russell dann für P4 statt P3 drei Punkte weniger bekommen hätte, wären Ferrari und Mercedes mit jeweils 406 Zählern punktgleich gewesen.
Weil Ferrari in dieser Saison aber ein Rennen (und damit eins mehr als Mercedes) gewinnen konnte, was bei Punktgleichheit über die Position in der Weltmeisterschaft entscheidet, wäre man damit noch an Mercedes vorbeigezogen.
Tatsächlich ließ Leclerc Perez in der letzten Runde bewusst vorbei. Er habe das bereits "ein paar Runden vorher" geplant, verrät er, nämlich "sobald ich von der Fünf-Sekunden-Strafe wusste", so Leclerc, der verrät: "Ich habe dann regelmäßig nach der Lücke zwischen George und Checo gefragt."
"Ich habe es [meinen Renningenieur] auch wissen lassen, dass das mein Plan war. Aber es hat nicht funktioniert", ärgert er sich. Denn im Ziel hatte Perez schließlich 1,5 Sekunden Vorsprung auf Leclerc und 3,9 auf Russell - womit er im Ergebnis hinter beide zurückfiel.
Auf die Frage, ob die Idee von Leclerc selbst gekommen sei, bestätigt Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur bei Sky: "Ja, es kam von Charles. Er hätte noch etwas aggressiver sein und versuchen können, Russell einzubremsen."
Tatsächlich rechnete auch der Mercedes-Pilot selbst damit, von Leclerc am Ende noch eingebremst zu werden. "Ich dachte, Charles würde mich aufhalten, aber Respekt dafür, dass er sauber geblieben ist", lobt Russell.
Perez "überrascht": Warum hat Leclerc Russell nicht eingebremst?
Denn weil das Überholen im letzten Sektor in Abu Dhabi fast unmöglich ist, hätte Leclerc dort theoretisch vom Gas gehen können, damit Russell mehr als fünf Sekunden hinter Perez zurückfällt. Dabei hätte er aber natürlich auch selbst aufpassen müssen, nicht zu weit hinter den Red Bull zu fallen.
Perez selbst verrät in dem Zusammenhang übrigens ebenfalls: "Ich war überrascht. Ich hätte gedacht, dass Charles George am Ende im letzten Sektor aufhalten würde. [...] Er hätte ihn aufhalten können, das ist im letzten Sektor ziemlich einfach."
Wie das gehen kann, das zeigte Perez vor zwei Jahren selbst, als er Lewis Hamilton im Zweikampf in Abu Dhabi einige wertvolle Sekunden abnahm. "Er hat das Rennen vermutlich nicht gesehen", schmunzelt Perez im Hinblick auf Leclerc.
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"Vielleicht hatte er nicht alle Informationen", so der Mexikaner. Leclerc selbst betont: "Es ist einfach schade, dass wir Dritter in der Konstrukteurswertung geworden sind. Das ist das Einzige, was für mich am Ende der Saison zählt, und das haben wir nicht erreicht."
Ferrari habe an diesem Wochenende "einen unglaublichen Job und alles richtig gemacht", betont er und stellt klar: "Ich bin wirklich glücklich, denn an einem Wochenende wie diesem gab es ehrlich gesagt nicht eine Sache, die wir als Team hätten besser machen können."
Der zweite WM-Platz ging am Ende aber trotzdem nach Brackley. "Es bedeutet sehr viel. Es gibt so viele Leute in der Fabrik, in Brackley und Brixworth, die so hart gearbeitet haben, um dies zu erreichen", atmet Russell durch.