Christian Horner: Warum zur Hölle singt Verstappen alte Tom-Jones-Songs?
Max Verstappen gehört zu den besten Rennfahrern aller Zeiten, aber eher nicht zu den besten Sängern, wie die Formel-1-Welt seit Sao Paulo weiß
(Motorsport-Total.com) - Gianpiero Lambiases Berechnungen waren wie immer präzise: "Max, hier ist ein kleines Geheimnis. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, dann hast du gerade Ascari übertroffen - seinen Rekord aus 1952, was die prozentuale Siegquote in einer Saison betrifft", funkt der Renningenieur unmittelbar nach der Zieldurchfahrt beim Grand Prix von Sao Paulo.
Max Verstappen hatte im 20. Rennen seinen 17. Sieg gefeiert, was einer Quote von 85 Prozent entspricht. Dazu kommen vier Siege aus sechs F1-Sprints, also kombiniert 21 Siege in 26 Rennen (immer noch 81 Prozent). Selbst wenn Verstappen in Las Vegas und Abu Dhabi nicht mehr gewinnen sollte, wird er Alberto Ascaris 75 Prozent (sechs Siege in acht Rennen 1952) übertreffen.
"Wir alle haben das geschafft, zusammen", funkt der inzwischen dreimalige Weltmeister, und Teamchef Christian Horner meldet sich vom Kommandostand: "Wieder ein historischer Moment." Und historische Momente, die weiß man bei Red Bull bekanntlich zu feiern: "Vielleicht erkennst du das?", fragt Horner mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
Jetzt hört Verstappen am Boxenfunk plötzlich nicht mehr seinen Renningenieur oder Teamchef, sondern den alten Tom-Jones-Hit "Green Green Grass of Home". "Yes, they'll all come to meet me", heißt es in den ersten Takten der Nummer, die von einem Häftling vor seiner Entlassung handelt - und die den derzeitigen Superstar der Formel 1 zum Lachen bringen: "Haha, sehr nett!"
Horner will's jetzt wissen: "Sing mit!", fordert er Verstappen auf, während Tom Jones auf dem Band gerade "Arms reaching, smiling sweetly" trällert. Aber Verstappen ist zunächst wenig begeistert ob der Aussicht, sich jetzt vor einem Millionenpublikum zum Affen zu machen.
"Ich bin kein guter Sänger. Ich hör's mir lieber an", sagt er, will dann aber doch kein Spielverderber sein ("Let's go!") und stimmt ein: "... of home. The old house is still standing, though the paint is cracked and dry, and there's that old oak tree that I used to play on."
"Radio Red Bull": Die Geschichte, die dahinter steckt
"Gut gemacht, Kumpel. Radio Red Bull!", lacht Horner, und Verstappen lacht mit: "Wieder was Neues, was wir anfangen können." Jetzt schaltet sich auch Lambiase wieder in die Boxenfunkparty ein. Er fleht Verstappen an: "Bitte, gib deinen jetzigen Job nicht auf!" Aber das hat der ohnehin nicht vor: "Ich denke, darin bin ich besser."
Das wirft erstmal Fragen auf: Warum singt Verstappen am Boxenfunk? Und wenn schon, warum dann "ausgerechnet Tom Jones, was zur Hölle?", wie es Horner bei seiner Medienrunde nach dem Rennen unter großem Gelächter der anwesenden Journalisten formuliert.
Katar: Wie bei der WM-Party alles angefangen hat
Die Geschichte beginnt beim Grand Prix von Katar mit einer Unterhaltung zwischen Horner und Verstappens Vater Jos. "Wir haben heute etwas über Max gelernt", grinst der Red-Bull-Teamchef. "Als er mit seinem Vater nach den Kartrennen nach Hause gefahren ist, hatte Jos im Auto nämlich die ganze Zeit irgendwelche alten Tom-Jones-Nummern laufen."
Also organisierte Horner, dass für die Zieldurchfahrt "Green Green Grass of Home" auf die Intercom gelegt wurde. Der Ehemann von "Spice Girl" Geri Halliwell (heute Horner) muss laut lachen, während er erzählt: "Ich dachte, er hört vielleicht die Spice Girls, oder er steht total auf Ed Sheeran, irgendwas Zeitgemäßes, was zu seinem Alter passt. Aber Tom Jones, verflucht nochmal!"
"Mir ist verdammt nochmal schleierhaft, warum ein 26-Jähriger 'Green Green Grass' hören sollte. Das ist der Song, mit dem ich am wenigsten gerechnet hätte. Aber Jos hat es mir in Katar erzählt. Ich habe ihn nach Max' Lieblingssong gefragt, damit wir ihn auflegen können. Und Jos meinte: 'Green Green Grass' von Tom Jones."
Was übrigens schon in Katar für Amüsement bei Red Bull sorgte, denn als Horner Pressesprecher Paul Smith darum bat, er möge bitte "Green Green Grass" von Tom Jones auflegen, extra für Verstappen, schaute der völlig entgeistert drein und fragte: "Was zur Hölle soll das sein?"
Verstappen: Es ging mir nie um die Rekorde
Was von Sao Paulo hängen bleibt, sind aber nicht die Gesangskünste. Es ist der Ascari-Rekord, mit dem Verstappen einen weiteren Meilenstein erreicht hat. Was ihn selbst übrigens nur am Rande tangiert: "Darum geht's mir nicht", winkt er ab. "Als ich in die Formel 1 kam, dachte ich nicht, dass es super wäre, eine 75-Prozent-Siegquote in einer Saison zu erreichen."
"Diese Dinge passieren einfach, wenn es gut läuft", sagt er. "Ich habe ein gutes Gefühl im Auto, das Auto ist sehr konkurrenzfähig, und das Team macht fast keine Fehler. Dann kommt so eine Saison dabei raus, wie wir sie gerade haben. Für mich geht es mehr darum, den Moment zu genießen und jede einzelne Chance zu nutzen."
Doch wenn man schon dabei ist, könnte man auch die nächsten Meilensteine gleich mitnehmen, findet Horner: "Wir haben 19 von 20 Rennen gewonnen. Max hat den Ascari-Rekord übertroffen. Er hat jetzt 52 Siege, um einen mehr als Alain Prost, und liegt nur noch einen hinter Sebastian. Und auch wenn ihm das alles nichts bedeutet: Ich bin mir sicher, er kennt die Zahlen ganz genau!"