• 05. November 2023 · 22:16 Uhr

Russell: "Arbeiten wir zusammen oder fährt jeder sein eigenes Rennen?"

Warum George Russell beim Formel-1-Rennen in Brasilien am Funk meckerte, was das mit Lewis Hamilton zu tun hatte und warum Mercedes keinen Stich machte

(Motorsport-Total.com) - "Arbeiten wir hier zusammen oder fährt jeder sein eigenes Rennen?" So fauchte Mercedes-Fahrer George Russell beim Sao-Paulo-Grand-Prix 2023 in Brasilien in den Funk, und das schon in der Anfangsphase. Und seine Stimmung besserte sich nicht im weiteren Rennverlauf.

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Lewis Hamilton im Mercedes vor Teamkollege George Russell in Brasilien 2023 Zoom Download

Denn Russell fühlte sich von seinem Mercedes-Teamkollegen Lewis Hamilton aufgehalten, hatte die Box wiederholt darauf hingewiesen und drängte auf einen Positionstausch. Tenor: "Wenn wir zusammenarbeiten sollen, dann müssen wir Kurve 11 besser managen. Ich muss in den Kurven 11 und 12 zu sehr pushen. Entweder ich überhole oder [Hamilton] muss dort mehr schonen", so Russell.

Zwar versicherte Renningenieur Marcus Dudley, dass Hamilton wiederholt zum Materialschonen aufgefordert werde, doch weil der Platztausch ausblieb und auch Russell verstärkt zum Schonen angehalten wurde, ereiferte sich Russell immer mehr und blaffte in den Funk: "Wollt ihr, dass ich ein Rennen fahre oder Positionen hergebe? Wenn ich mehr schonen soll, dann falle ich zurück."

Auch der Renningenieur wirkt genervt

Und er fiel zurück ans Ende der Top 10, weil Mercedes laut Dudley nur sicherstellen wollte, "dass die Reifen den Stint überstehen". Etwas genervt fügte der Renningenieur am Funk noch hinzu: "Mach es, wie du willst, aber wir wollen den Stint durchkriegen."

Kurz entspannte sich die Situation wieder, aber als Russell später erneut hinter Hamilton fuhr, begann der Funkstreit erneut: "Ich habe [für eine Weile] nicht gefunkt, weil ich es für ziemlich offensichtlich hielt. Ich hänge hier rum", sagte Russell.

Wieder reagierte Mercedes nicht auf die indirekte Forderung zum Positionstausch, lobte Russell stattdessen ("gute Arbeit mit den Reifen!") und empfahl "ein bisschen mehr [Schonen] in Kurve 11", woraufhin Russell endgültig die Geduld verlor: "Lasst mich einfach fahren. Ich mache das schon."

Kurze Zeit danach aber war er aus dem Rennen: Mercedes rief den W14 von Russell aufgrund drohender Überhitzung zurück an die Box und nahm das Auto aus dem Rennen. Hamilton wiederum kam durch und wurde mit über einer Minute Rückstand Achter - ohne dass Mercedes mit Hamilton im Detail auf Russells Wünsche eingegangen wäre. Hamilton erhielt immer nur Abstandsangaben, mehr nicht.

Teamchef Wolff fehlen die Worte zur fehlenden Leistung

Nach dem Rennen aber kommentierten die Beteiligten die Funkszenen nicht weiter. Zu schwer wog der Frust über das insgesamt schwache Abschneiden der Mercedes-Fahrer.

Teamchef Toto Wolff wurde bei Sky entsprechend deutlich: "Lewis hat da draußen überlebt, aber George ... Ich kann den beiden nur mein Mitgefühl dafür aussprechen, so ein schlechtes Ding fahren zu müssen. Das zeigt, wie schwierig das Auto ist. Es steht auf Messers Schneide."

"Wir müssen für nächstes Jahr besser entwickeln. Denn es kann nicht sein, dass du innerhalb von sieben Tagen solide auf dem Podium ankommst als eines der beiden schnellsten Autos und dann bist du im Nirgendwo auf P8."

Der W14-Mercedes sei in Brasilien "fast wie auf drei Rädern und nicht wie auf vier" gefahren, meint Wolff. "Die Leistung heute war ... da fehlen mir die Worte."

Mercedes sogar noch schwächer als im Sprint

Russell gibt an, sein Team habe am Wochenende "klarerweise etwas falsch gemacht". Er könne aber bisher nicht benennen, wo genau Mercedes in Brasilien falsch abgebogen sei. "Die Pace war einfach nicht da", sagt er bei Sky.


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"Wir hatten noch gedacht, der Samstag wäre ein Ausreißer, aber das war er eben nicht. Wir müssen uns das anschauen. Denn vor zwölf Monaten war Brasilien unser stärkstes Rennen. Jetzt ist es bei Weitem unser schwächstes Rennen. Sehr seltsam. Wir waren einfach langsam."

Der Datenvergleich zeigt die Mercedes-Schwäche deutlich auf

Wie langsam, das zeigt der Datenvergleich bei F1 Tempo schonungslos auf: Mit Soft-Reifen gleich zu Beginn verlor Russell auf Spitzenreiter Max Verstappen auf gleichen Reifen zwischen 0,5 und 1,2 Sekunden pro Runde. Auf Medium waren es im zweiten Stint zunächst ebenfalls 0,5 Sekunden, aber eben auch 1,7 Sekunden oder mehr.

Wo Mercedes die Zeit verloren hat? Praktisch überall, so lautet die aus Teamsicht ernüchternde Antwort. Der W14 hatte nicht den Hauch einer Chance gegen den RB19.

Hamiltons These zur Mercedes-Form

Zu den möglichen Ursachen äußert Hamilton eine Vermutung: "Der Unterboden funktioniert nicht. Das treibt uns zu einem steileren Flügel. Damit aber haben wir unheimlich viel Luftwiderstand auf den Geraden und verlieren viel Zeit. Und in den Kurven rutschen wir auch noch und die Reifen haben überhitzt. Da kannst du dann nichts machen", so der Ex-Champion.

Russell meint: "Da passt was nicht zusammen, wie ich schon sagte. Wir sind nur gerutscht. Und man verliert nicht einfach so eine Sekunde. Wir hatten aber einfach keine Pace, obwohl das Auto genau gleich ist wie bei den beiden Rennwochenenden davor", sagt der Mercedes-Fahrer.

Laut Hamilton sei die Schwäche auch nicht mit einer etwaigen falschen Abstimmung zu erklären. "Da steckt sicher noch was im Set-up drin. Aber ob uns das weiter nach vorne gebracht hätte, das kann ich nicht sagen. Unterm Strich hat das Auto hier nicht funktioniert." Für Russell gibt es daher "so viele Fragezeichen und noch gar keine Antworten".

Nur die Ausfallursache von Russell steht schon fest

Einzig über die Ausfallursache von Russell 14 Runden vor Schluss herrscht Klarheit. Teamchef Wolff verweist auf den Antrieb und sagt: "Wir waren bei allen Messbereichen über die Höchsttemperaturen hinaus." Man habe Russell also aus Sicherheitsgründen an die Box geholt, um nicht den Motor zu zerstören.

Das sei angesichts der Gesamtsituation aber noch "das geringste Problem", meint Wolff. Für Russell war der Beinahe-Motorschaden indes "die Krönung für den Tag".

Und Hamilton machte abschließend keinen Hehl aus seiner Erleichterung, als er auf die restlichen beiden Rennwochenende mit dem W14 angesprochen wurde. Also nur noch zweimal das aktuelle Auto fahren. Hamilton: "Gott sei Dank!"

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