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Pirelli-Analyse: War der weiche Reifen eigentlich gar nicht so schlecht?
Pirelli-Chefingenieur Simone Berra analysiert den F1-Sprint in Sao Paulo aus Reifensicht und prognostiziert für den Grand Prix eine Zweistoppstrategie
(Motorsport-Total.com) - Der F1-Sprint beim Grand Prix von Brasilien erwies sich als Überlebenskampf für die Reifen, denn die Fahrer mussten sich mehr um die Schonung der Reifen kümmern als um die Fähigkeit, Vollgas zu geben. Der spätere Rennsieger Max Verstappen, der einmal mehr bewies, wie gut sein Red Bull RB19 mit den Reifen umgeht, gestand etwa, dass er sofort nach dem Verlassen der Boxen in den Managementmodus geschaltet hatte.
© Motorsport Images
Pirelli ist davon überzeugt, dass der weiche Reifen im F1-Sprint die beste Wahl war Zoom Download
"In der Auslaufrunde", antwortet der Niederländer auf die Frage, wann er begonnen habe, auf seine Reifen zu achten. "Es gab keine einzige Runde, in der ich Vollgas gegeben habe. Das kann man nicht. Das ist unmöglich."
Nach dem Rennen gaben einige Fahrer zu, dass es extrem gewesen sei, den weichen Reifen für das 24-Runden-Rennen am Leben zu erhalten. Williams-Pilot Alex Albon beklagt sich: "Der Abbau ist einfach massiv. Um ehrlich zu sein, fühlt es sich schrecklich an, damit zu fahren."
Da der weiche Reifen alles andere als ideal war, hätte man annehmen können, dass die Fahrer einen Fehler begangen haben, indem sie nicht auf den Mediumreifen wechselten - der theoretisch eine bessere Haltbarkeit für einen kleinen Kompromiss bei der ultimativen Leistung hätte bieten müssen.
Doch diese Option erwies sich für die drei Fahrer, die sie ausprobierten - Nico Hülkenberg, Kevin Magnussen und Logan Sargeant - als alles andere als ideal, denn sie konnten im Rennen keinen Eindruck hinterlassen und litten ebenso stark unter dem Reifenverschleiß.
Fahrer hatten nur die Wahl des geringeren Übels
Der Sprint in Brasilien scheint also ein Szenario hervorgebracht zu haben, bei dem Teams und Fahrer gezwungen waren, das geringere Übel auszumachen - ein weicher Reifen, der zu sehr gemanagt werden musste, und ein Medium, der nicht seine beste Leistung brachte.
Warum der weiche Reifen für alle Topfahrer die bevorzugte Wahl war, ist schwierig zu verstehen, aber der Formel-1-Reifenhersteller glaubt, dass eine Reihe von Umständen zusammenkam. Pirelli-Chefingenieur Simone Berra sagt: "Auch wir waren überrascht, wie viele Teams sich für den weichen Reifen entschieden haben."
"Wir untersuchen die Gründe dafür, aber es scheint, dass der weiche Reifen sehr beständig war. Ich denke, der Vorteil des weichen Reifens gegenüber dem Medium ist, dass man generell ein höheres Gripniveau hat. Mit dem Soft rutscht man weniger, und man erzeugt weniger Überhitzung, sodass man die Temperaturen etwas besser kontrollieren kann."
Berra ist der Meinung, dass der Mediumreifen zwar theoretisch haltbarer ist, aber in Bezug auf die Lebensdauer des Reifens schlechter abschneidet als er sollte, weil er auf der Strecke mehr rutscht und daher schneller überhitzt. Verschärft wurde die Situation dadurch, dass der Asphalt "grün" war - wegen des Sturms, der am Freitagabend den gesamten Belag weggespült hatte - und dass die Temperaturen so hoch waren.
"Wir glauben, dass dies das Rutschen des Mediums beeinträchtigte und zu einer stärkeren Überhitzung und einem stärkeren Abbau führte", sagt er. "Aber wir haben kein klares Bild vom gesamten Starterfeld. Wir hatten nur Haas und einen Fahrer von Williams auf Medium, also haben wir kein klares Bild davon, was wirklich passiert ist."
Fragezeichen: Wie wäre der Medium an anderen Autos gewesen?
"Wir wissen nicht, wie andere Teams mit dem Medium gefahren wären und wie sie hätten abschneiden können. Was man sagen muss, ist, dass wir bei diesen Temperaturen, die wir hatten, 47, 48 Grad zu Beginn der Session, erwartet hatten, dass die Reifenwahl härter ausfallen würde. Ich denke, es war eher der Zustand der Strecke, der die Teams dazu zwang, den weichen Reifen zu verwenden."
Die Erkenntnisse aus dem F1-Sprint und warum der weiche Reifen in Brasilien ein besserer Rennreifen sein kann als der mittlere haben die Aussicht auf einige aggressive Strategien für den Grand Prix eröffnet.
Vorteil für Fahrer, die Reifen gespart haben?
Berra glaubt, dass die Fahrer, die für das Rennen zusätzliche Softs zur Verfügung haben - darunter Max Verstappen, Charles Leclerc, das Aston-Martin-Duo und Lando Norris -, einen Vorteil gegenüber denjenigen haben könnten, die keine frischen Softs mehr haben (beide Mercedes-Fahrer, Sergio Perez und Carlos Sainz).
"Der Medium könnte angesichts der Streckenentwicklung und der vielen Autos, die auf der Rennstrecke herumfahren, besser sein", sagt er. "Im Moment ist es die beste Strategie, den weichen Reifen für den ersten Stint zu verwenden, um zusätzlichen Grip für den Start zu haben, bevor man auf den mittleren wechselt. Danach kann man entscheiden, ob man mit dem zweiten Medium oder mit dem weichen bis zum Ende fährt."
Berra glaubt sogar, dass einige Fahrer die Möglichkeit haben, eine Dreistoppstrategie zu fahren - vor allem diejenigen, die einen zusätzlichen Satz Softs haben. Zu den Fahrern, die diese haben, gehören Valtteri Bottas, Guanyu Zhou, Daniel Ricciardo und Logan Sargeant.
"Es ist nur drei, vier Sekunden langsamer", sagt er. "Es werden hauptsächlich die weichen Mischungen verwendet, vor allem für die Fahrer, die noch zwei Sätze der neuen Softs haben. Es könnte also eine Möglichkeit sein, mehr zu pushen, weniger auf den Reifen zu achten und aggressiver zu sein. Ein Stopp ist viel langsamer, etwa sieben bis neun Sekunden, und erfordert die Verwendung der harten Mischung, die nicht wirklich der ideale Rennreifen ist."