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Nico Hülkenberg: "In unserer Welt sind zwölf Punkte sehr viel"
Wie Formel-1-Fahrer Nico Hülkenberg die Haas-Situation vor dem Rennwochenende in Brasilien einschätzt und wie gut das Update für den VF-23 wirklich ist
(Motorsport-Total.com) - Drei Rennwochenenden verbleiben in der Formel-1-Saison 2023 und damit drei Chancen für Haas, die "rote Laterne" in der Konstrukteurswertung noch abzugeben. Denn aktuell steht der Rennstall um Nico Hülkenberg und Kevin Magnussen auf dem letzten Platz.
© Motorsport Images
Formel-1-Fahrer Nico Hülkenberg erwartet ein stressiges Wochenende in Brasilien Zoom Download
Theoretisch ist auf den hinteren Rängen noch einiges möglich. Doch Hülkenberg gibt sich realistisch: Williams auf P7 sei mit 28 Punkten "schon weit weg". Realistisch liegen wohl nur AlphaTauri und Alfa Romeo mit jeweils 16 Punkten noch in Reichweite für Haas, das bei zwölf Punkten steht. Und Hülkenberg meint: "In unserer Welt sind zwölf Punkte sehr viel."
Denn Haas hat den VF-23 über die Saison hinweg kaum weiterentwickelt. Einzig in Austin bekamen Hülkenberg und Magnussen neue Teile, aber nicht den erhofften Leistungssprung. Ist das Update also zu klein ausgefallen und zu spät gekommen?
Hülkenberg sagt: "Austin war ein Sprintwochenende und damit schwierig. Mexiko war immer schon sehr besonders mit der Höhenlage. Und jetzt sehen wir: Das Update ist kein großer Schritt, sodass wir solide in den Top 10 wären. Das ist nicht eingetreten."
Sein Team habe lediglich "ein paar Hinweise und Ansätze für die Zukunft" ausgemacht. "Wir hätten aber eigentlich sofort etwas Leistung gebraucht", meint Hülkenberg. "Das ist aber leider nicht passiert."
Steiner: Brasilien sollte Haas eher liegen als Austin oder Mexiko
Und so ist weiter unklar, wo Haas auch mit dem Update steht. Das Rennwochenende in Brasilien könnte hier neue Erkenntnisse liefern. Und in zweiter Instanz seien bei Haas "die Leute im Werk" gefragt. "Sie müssen beweisen, dass die Sache im Griff haben, indem sie uns ein konkurrenzfähigeres Paket hinstellen", sagt Hülkenberg.
Laut Haas-Teamchef Günther Steiner ist das Team im Vergleich zu Austin und Mexiko aber schon einen Schritt weiter. "Wir wissen jetzt etwas mehr über das Update und kriegen [in Brasilien] hoffentlich ein gutes Set-up hin."
"In Austin hatte es sehr große Bodenwellen, die niemand so erwartet hatte. Da sind wir ein bisschen ins Hintertreffen geraten. In Mexiko hatten wir nicht genug Abtrieb. Das ist alles. Hier sollten wir im Fenster sein beim Abtrieb. Auch wenn es nicht einfach wird."
Sprint-Stress verschärft Haas-Situation
Käme Haas also vielleicht der für Freitag angekündigte Regen gerade recht? Hülkenberg will sich nicht aufs Wetter verlassen: "Ich hoffe auf gar nichts. Wir brauchen Leistung, sonst nichts. Das ist das Einzige, was helfen kann."
Schlechtwetter könne aber "Chancen schaffen", betont der Deutsche. "Allerdings in beide Richtungen. Man weiß nie. Es ist ein Sprintwochenende. Wir müssen einfach schauen, wie sich das Auto am Freitag im Training verhält. Ich muss wieder einen guten Rhythmus finden. Dann sehen wir weiter."
Doch viel Zeit ist nicht: Unter dem Sprintformat gibt es nur ein Freies Training über eine Stunde, dann folgt alsbald das Qualifying. Das sei "zweifelsohne sehr stressig", sagt Hülkenberg. "Es hat so einen Nonstop-Charakter."
"Was nicht so toll ist: Du gehst nach nur einer Trainingseinheit in den Parc ferme und hängst dann in dem fest, was du hast. Mit nur einemTraining ist es schwierig, vor allem dann, wenn du nicht im richtigen Fenster beginnst. Mein Gefühl ist: Es ist nicht so toll, wenn du so früh im Wochenende schon festgelegt bist."
Set-up-Änderungen trotz Parc ferme?
Was Raum lässt für ungewöhnliche Vorgehensweisen. Zum Beispiel könnten Teams nach schwachen Qualifyings und/oder einem schwachen Sprint absichtlich einen Boxengassen-Start herbeiführen, indem sie das Set-up nochmal umbauen - so wie Aston Martin in Austin.
Hülkenberg hält das für ein "denkbares Szenario" und meint: "Es kommt aber immer darauf an, wo du startest. Es gibt hier keine Pauschalantwort, weil das immer von mehreren Faktoren abhängt."
Teamchef Steiner hält dergleichen für realistisch und glaubt "mehr und mehr, dass es einige Leute so machen werden", wie er sagt. "Denn wenn du auf P18 oder P19 bist, dann hast du nichts zu verlieren. Nach zwei Runden hast du eh aufgeschlossen, und du hältst dich nach dem Start aus dem Chaos in der ersten Kurve oder im ersten Sektor raus. Dann holst du auf bei freier Fahrt."
"Ich schätze, es wird mehr und mehr normal, dass Autos aus der Boxengasse nachstarten. Man würde aber nie auf die Idee kommen, deshalb das Qualifying aufs Spiel zu setzen, um strategisch aus der Boxengasse loszufahren. Das machst du nur dann, wenn du dich schlecht qualifizierst", erklärt er.
Erinnerungen an 2022
2022 hat Haas in Brasilien genau das Gegenteil erlebt: Schlechtwetter brachte eine Chance, die Magnussen nutzte - Poleposition für den Sprint am Samstag!
Doch emotional wird Steiner ein Jahr später nicht: "Da erinnert man sich gut, aber es ist nichts, worüber man sich lange Gedanken machen würde. Du bist stolz in dem Moment, in dem es passiert. Es geht in die Teamgeschichte ein. Man hat es geschafft, steht auf der Pole. Aber sobald das Wochenende durch ist, konzentrieren sich alle schon wieder auf das nächste."
"Die Formel 1 ist so ein schnelllebiges Geschäft. Es ist keine Zeit für sentimentale Erinnerungen. Du musst morgen deine Leistung bringen. Was im vergangenen Jahr passiert ist, ist Vergangenheit. Es ändert sich alles so schnell."
"Natürlich ist man immer stolz auf so was. Man denkt aber nicht jeden Abend daran zurück. Die Frage ist eher: Was kommt morgen?"