Rekordsieg mit Stolperfallen: Kerbs & Abbruch stoppen Verstappen nicht
Auch ein hartnäckiger Randstein und die Rote Flagge können Max Verstappen in Mexiko-Stadt nicht bremsen - Der Rekord-Saisonsieg ist eingetütet
(Motorsport-Total.com) - Was kann Max Verstappen in diesem Jahr eigentlich bremsen? Der Randstein in Kurve 3 des Autodromo Hermanos Rodriguez und der Rennabbruch jedenfalls nicht. Die 16 steht. Max Verstappen hat beim Grand Prix von Mexiko 2023 seinen eigenen Rekord von 15 Siegen in einer Saison aus dem Vorjahr übertroffen.
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Saisonsieg Nummer 16: Max Verstappen führt die Formel 1 einmal mehr ins Neuland Zoom Download
"Es ist ein Flow, auf dem das ganze Team schwimmt, getragen von der überragenden Leistung von Max", schwärmte Helmut Marko nach dem Rekordsieg im ORF. Stolpersteine bei Verstappen 2023 zu finden, gleicht der Suche nach dem Haar in der Suppe, doch diesmal findet man es tatsächlich.
Während der Vorsprung mit 13,875 Sekunden - wohlgemerkt nach einem "halben" Grand Prix wegen der Rennunterbrechung - wieder an den Saisonbeginn erinnerte, war es am Boxenfunk diesmal nicht ganz so ruhig wie sonst. Verstappen und sein Renningenieur Gianpiero Lambiase diskutierten vor allem über die Fahrweise in Kurve 3.
"GP" Lambiase funkte Verstappen noch in der erweiterten Anfangsphase des Rennens ins Cockpit: "Pass auf den Randstein in Kurve 3 auf, der hilft uns nicht, glaube ich. Wir verlieren dort viel Zeit." Verstappen erwiderte: "Ja, ich versuche, ihn richtig zu erwischen, aber mit unserem Auto ist das dort nicht so schön."
Tatsächlich vermied Verstappen in der Folge den Randstein - allerdings nur einmal. Nur zwei Runden nach dem Funkspruch bretterte er erneut mit voller Wucht über die orangefarbene Abdeckung, die allzu aggressives Cutten verhindert. Doch jetzt hatte er den Dreh raus, fuhr die Platte im richtigen Winkel an und hüpfte danach nicht mehr in der Gegend herum.
Nach dem Rennen spielt er die Situation herunter: "Ich habe einfach versucht, den Randstein zu nehmen wie alle anderen auch. Aber das hat bei mir nicht so gut geklappt. Also habe ich verschiedene Linien ausprobiert."
Er scherzt: "'GP' ist mein Renningenieur und diesmal hat er wohl versucht, der Fahrer zu sein. Manchmal sind wir eben so. Manchmal tauschen wir einfach die Rollen."
Helmut Marko ergänzt: "Das war für den Reifenverschleiß. Wenn man zu hart über die Randsteine fährt, wird die Reifentemperatur zu hoch. Wir wollten sicher ankommen." Marko meint hier die Hinterräder durch den Powerslide beim Herausbeschleunigen, wenn das Auto im falschen Winkel über den Teller fährt.
Abbruch durchkreuzt Strategie
Viel kritischer war der Rennabbruch. Verstappen war von Anfang an auf eine Zweistoppstrategie gesetzt und kam deutlich früher zum ersten Stopp als die Konkurrenz, die mit einem Stopp durchkommen wollte. Durch die Rote Flagge musste er nun wie alle Konkurrenten das halbe Rennen auf einem Reifensatz durchfahren, was so nicht geplant war.
Verstappen schien über die Rote Flagge fast verärgert. Schon aus dem Cockpit funkte er: "Das ist doch ein Witz! Warum zeigen die Rot? Ich habe gesehen, dass das Auto [von Kevin Magnussen] ein bisschen gebrannt hat, aber es ist doch alles wieder sauber!" Lambiase antwortete nur, dass es zu viele Störgeräusche im Funk gäbe, wie sich Max sicher denken könne.
Die Red-Bull-Strategie war durchkreuzt. Auch nach dem Rennen trauert Verstappen den Möglichkeiten der Strategie ohne Unterbrechung hinterher: "Es wäre spannend gewesen, am Ende zu sehen, wie viel ich mit einem frischen Reifensatz hätte herausfahren können. Das wären sicherlich ein paar Sekunden gewesen, die auf dem Papier gut ausgesehen hätten. Die Strategie sah wirklich gut aus, aber dann kam der Abbruch."
Marko stößt ins gleiche Horn: "Zweistopp war sicher die schnellste Rennvariante und ja, dieser Abbruch kam für uns nicht ganz günstig, denn ohne den Abbruch wäre unser Vorsprung glaube ich noch etwas deutlicher ausgefallen."
Verstappen musste an diesem Sonntag zwei Starts überstehen, die in Mexiko wegen der langen Anfahrt zu Kurve 1 immer kritisch sind. Beim eigentlichen Rennstart übernahm er sofort die Führung. Anschließend ging Verstappen innen in die erste Kurve und hatte daher bei der Kollision, die seinen Teamkollegen Sergio Perez aus dem Rennen riss, nichts zu befürchten.
"Ich war da nicht nervös. Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir zu zweit oder dritt in die erste Kurve gehen. Natürlich vertrauen wir uns gegenseitig", meint er lapidar. Doch diesmal lief zwischen den dreien nicht alles glatt, denn Sergio Perez fuhr Charles Leclerc ins Auto. Dadurch geriet auch der Ferrari aus der Spur und Verstappen hatte den ganzen Raum für sich, während die beiden anderen Autos entweder geradeaus fuhren oder durch die Luft flogen.
"Wir waren beim Anbremsen der Kurve alle am Limit. Aber bei mir lief alles glatt. Ich habe dann gesehen, dass außen etwas passiert ist, aber ich konnte mich innen aus allem raushalten", kommentiert der dreimalige Weltmeister die Szene.
Zweiter Rennabschnitt auf Hamilton ausgerichtet
Beim zweiten Start waren die Voraussetzungen umgekehrt: Jetzt war Verstappen der Gejagte auf der eigentlich nachteiligen Poleposition. Doch auch diesen Start meisterte der Red-Bull-Pilot: "Der harte Reifen ist aus der Box heraus etwas schwieriger, aber es war auch mit diesem Reifen ein ziemlich guter Start", so Verstappen.
Marko geht noch etwas mehr ins Detail: "Er wusste, dass Hamilton den Medium-Reifen aufgezogen und zudem die dritte Startposition hatte, die hier aufgrund des Windschattens eigentlich fast besser ist als die Poleposition."
"Und er wusste, dass er sofort eine Lücke zwischen sich und Hamilton bringen musste. Und dann hat er wieder seine tollen, optimalen Runden hingelegt. Er ist aus dem Stand absolut am Limit gefahren, das kann er, und dann hat er es in der üblichen Art und Weise kontrolliert."
Nur eine Szene war noch einmal halbwegs kritisch. Als Lance Stroll mit Valtteri Bottas kollidierte, kam Verstappen gerade angeflogen und wurde erst in letzter Sekunde gewarnt. Stroll hatte sich aber aus dem Staub gemacht, bevor Verstappen die Unfallstelle erreicht hatte.
Marko: "'GP' hat sofort 'Gelb' durchgegeben und Max hat auch Tempo rausgenommen. Ich habe gesehen, dass Hamilton drei Sekunden oder so gut gemacht hat. Aber das ist die Übersicht des gesamten Teams. Auch die Boxenstopps waren wieder sehr gut." Und das, obwohl Teile des Teams mit einem Virus zu kämpfen hatten.
Das macht die derzeitige Dominanz von Red Bull aus: Selbst wenn die Umstände im Rennen gegen das Team sprechen, findet es mit Verstappen immer eine Antwort.