Werde jetzt Teil der großen Community von Formel1.de auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über die Formel 1 und bleibe auf dem Laufenden!
Hamilton und die Medium-Reifen: "Waren nicht sicher, ob das reicht"
Wie Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton trotz Zweifeln die zweite Rennhälfte mit den Medium-Reifen bestritten und noch Charles Leclerc abgefangen hat
(Motorsport-Total.com) - "So ein Ergebnis hatte ich nicht erwartet", sagt Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton nach dem Mexiko-Grand-Prix 2023 in Mexiko-Stadt, den er auf P2 hinter Weltmeister Max Verstappen im Red Bull beschloss. Er sei deshalb "wirklich zufrieden" mit dem Rennen.
Dabei war Hamilton zwischendurch gar nicht überzeugt davon, mit der richtigen Strategie unterwegs zu sein: Denn für den langen letzten Stint nach der Rotphase setzte ihn sein Team auf Medium und damit auf die gegensätzliche Strategie zu Verstappen und Charles Leclerc vor ihm, die auf Hard fuhren.
Hamilton räumt ein: "Ich dachte nicht, dass die Reifen durchhalten würden." Und auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff spricht im ORF und bei Sky von Zweifeln, wenn er sagt: "Wir waren nicht ganz sicher, ob das reichen würde."
Der erste Stint als Vorbild für die Mercedes-Strategie
Nach dem eigenen ersten Stint im Rennen und der langen Fahrt von Leclerc mit "über 30 Runden" in der ersten Rennphase habe man sich aber zu Medium durchgerungen und gegen Hard entschieden. Begründung: "Unsere harten Reifen waren einfach acht oder neun Runden älter als von allen anderen." Dann lieber frischere Mediums, die bis dahin nur einen Qualifying-Versuch gesehen hatten.
Doch wo Hamilton mit Medium-Reifen glänzte, ging es bei Teamkollege George Russell auf gleichem Material rückwärts. Laut Wolff hing das mit der unterschiedlichen Rennsituation zusammen: "Ich glaube, George hat sich den Reifen wirklich totgefahren hinter Sainz."
Beim zweiten Mercedes seien aber auch Überhitzungsprobleme hinzugekommen. "Wir haben ihm dann gesagt, er soll sich zurücknehmen", sagt Wolff und verweist auf heiße Bremsen und den heißen Antrieb. Statt Linderung zu bringen habe das "den Reifen dann aber endgültig über den Jordan geschickt" und "da kam dann nichts mehr", erklärt der Mercedes-Teamchef.
Wie Hamilton die Medium-Reifen geschont hat
Hamilton hingegen behandelte die Reifen gut und brachte sie locker über die Distanz. "Ich habe mich einfach auf die unterschiedlichen Abschnitte konzentriert und darauf, wo man pushen kann und wo nicht", sagt er. "Es war eine wirklich gute Balance aus früh vom Gas gehen und Reifenschonen."
Allerdings sei es eine Fahrt ins Ungewisse gewesen, meint Wolff: "Wir unterhalten uns jetzt seit zwölf Jahren im Rennen darüber, dass die Reifen nicht halten. Wir haben diese Formschwankungen. Manchmal passt es mit den Reifen, manchmal nicht. Warum, das wissen wir nicht."
Vielleicht habe das "starke Auto", so Wolff, dieses Mal besser mitgespielt als in anderen Fällen. "Und wir hatten heute zum ersten Mal die Situation, dass Lewis sagt, 'das Auto ist gut'. Als Lewis freie Fahrt hatte, waren die Rundenzeiten gut." Welch ein Kontrast zum Qualifying am Tag vorher, als Hamilton den W14-Mercedes noch als "einen Albtraum" beschrieben hatte.
Hamilton: W14 am Samstag noch "ein Albtraum"
Ob mit dem "starken Auto" sogar noch mehr drin gewesen wäre im Rennen? Hätte Mercedes vielleicht sogar Verstappen Konkurrenz machen können, wenn Hamilton nur weiter vorne gestartet wäre?
Wolff ist sich "nicht sicher" und meint: "Wir sagen jetzt schon seit ein paar Wochen: Hätte sein können, war aber nicht. Wir müssen uns besser qualifizieren. Beim Topspeed waren wir wohl nicht so gut wie Max. Aber wer weiß? Die Basis stimmt. Wenn wir das im Training ein bisschen besser hinbekommen, vielleicht spielen wir vorne mit."
Durch die Rotphase zu Rennhälfte spielte Mercedes auf einmal vorne mit: Hamilton als Dritter hatte wieder Tuchfühlung zur Spitze und gibt an, die Unterbrechung "hat uns wahrscheinlich in die Karten gespielt".
Hamilton fordert Verstappen heraus, aber ...
Er habe dann auch noch einen Angriff auf Verstappen probiert, wollte "den Abstand zu Max reduzieren", aber Verstappen sei schon "zu weit weg" gewesen, als dass es realistisch sinnvoll gewesen wäre.
Hamilton: "Natürlich hätte ich im letzten Stint noch mehr Druck machen können. Das habe ich auch mal gemacht. Ich wollte wissen, ob ich genug Reifen geschont hatte, um die Lücke zuzufahren. Da waren vielleicht noch zehn Runden zu fahren."
"Ich fuhr eine 1:22.0 und Max fuhr 1:21.9 und da sagte ich mir, ich lasse es bleiben. Es fuhr ja spazieren mit 1:21.9 und ich musste vorsichtig sein mit meinen Reifen. Wenn ich zu sehr Druck gemacht hätte in den letzten Runden, hätte mich vielleicht Charles noch abgefangen."
Ohnehin hätte Hamilton im direkten Duell gegen Verstappen wohl keinen Stich gemacht, sagt Teamchef Wolff. "Da muss man schon realistisch bleiben. Denn unser Set-up war hier relative draggy, das heißt, auf der Geraden hätten wir nie eine Chance gehabt, in der Verteidigung gar nicht und im Angriff wahrscheinlich auch nicht. Also, ich glaube, das Beste aller Ergebnisse ist der zweite Platz."
Das sieht Hamilton ähnlich: "Wir waren dieses Wochenende sehr langsam auf den Geraden. Generell haben wir viel Luftwiderstand. Wir haben am Samstag schon zweieinhalb Zehntel verloren, bis wir auch nur am Bremspunkt vor Kurve 1 waren."
Hamilton muss alles geben gegen Leclerc
Er habe Leclerc im Duell um P2 nur deshalb überholen können, weil er konsequent alles in eine Waagschale geworfen habe. "Es ging nur darum, in den Kurven 16 und 17 möglichst nahe dran zu sein, um mit DRS ein Manöver zu starten. Ich drückte jeden Knopf auf dem Lenkrad für maximale Leistung", erklärt Hamilton.
Der Überschuss des Mercedes reichte aus, um Leclerc auf der Zielgeraden zu überholen, doch Hamilton geriet dabei innen leicht aufs Gras. "Ich wusste nicht, wie weit er rüberziehen würde", so der Mercedes-Fahrer. "Ich entschied mich spontan für die rechte Seite und Charles hat mir gerade ausreichend Platz gelassen. Das war fair. Tolles Racing!"
Und für diesen Einsatz erhält Hamilton viel Lob von Wolff für einen "soliden" zweiten Platz. Hamilton habe sich "wirklich gut" verkauft auf der Rennstrecke und habe "eines seiner sehr, sehr guten Rennen" abgeliefert.
"Lewis hat [im letzten Stint] die Reifen geschont und gleichzeitig den Abstand auf Leclerc ausgebaut. Und am Ende hat er noch die schnellste Runde gesetzt."
Mit dem Bonuspunkt und den Punkten für P2 hat Hamilton in der Fahrerwertung weiter zu Red-Bull-Fahrer Sergio Perez aufgeschlossen und liegt nur noch 20 Punkte hinter dem zweiten Platz zurück.