Ferrari in Austin: Reifenverschleiß war "kein Thema"
Warum sich Ferrari nach dem Formel-1-Rennwochenende in Austin bestätigt fühlt und welche Analysen Teamchef Frederic Vasseur vor Mexiko noch anstellen will
(Motorsport-Total.com) - Trotz der Disqualifikation von Charles Leclerc wertet Ferrari den USA-Grand-Prix 2023 in Austin mehrheitlich positiv. Teamchef Frederic Vasseur jedenfalls verweist in seiner Rückschau auf "die Poleposition [durch Leclerc] und die Tatsache, dass wir beide Male [mit Leclerc] in der ersten Startreihe vertreten waren", nennt außerdem das "gute Rennen" von Carlos Sainz, der im Grand Prix als Dritter gewertet wurde.
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Charles Leclerc und Ferrari-Teamkollege Carlos Sainz im Zweikampf in Austin Zoom Download
Vor allem Sainz habe über die Grand-Prix-Distanz überzeugt, lobt Vasseur: "Er hat die Lücke zu Norris und Hamilton deutlich geschlossen. Ab Runde zehn ist er das gleiche Rennen gefahren wie Hamilton und er war sechs oder sieben Sekunden schneller als Norris."
Doch diese Einschätzung trifft nicht ganz zu: Sainz war im Vergleich zu Hamilton nur punktuell schneller, in den meisten Runden aber langsamer unterwegs als der Mercedes-Fahrer. Laut der Datenanalyse von F1 Tempo fällt auch der Vergleich zu Norris nur bedingt zugunsten von Sainz aus: Nur im zweiten und dritten Stint hielt er halbwegs mit, im ersten gar nicht.
Ferrari: Reifenverschleiß in Austin besser als sonst
Richtig liegt Ferrari-Teamchef Vasseur indes in Sachen Reifenverschleiß. Da habe Sainz "keine Probleme" gehabt und "auch bei Charles war der Reifenverschleiß kein Thema", meint er. Die Daten zum Grand Prix der USA sehen Sainz in der Tat fast gleichauf mit Hamilton, Leclerc aber noch hinter Haas-Fahrer Nico Hülkenberg außerhalb der Top 10.
Doch für Leclercs Performance über die Renndistanz gäbe es gute Gründe, sagt Vasseur: "Bei ihm war die Strategie nicht gut." Denn Ferrari ließ Leclerc mit nur einem Reifenwechsel von Medium auf Hard durchfahren, was sich als die im Vergleich schlechtere Variante zur Zwei-Stopp-Taktik erwies.
Vasseur findet deutliche Worte: "Das müssen wir jetzt erst einmal verdauen und nachvollziehen, warum wir Charles' Rennen kaputtgemacht haben. Darüber können wir vor Mexiko noch sprechen."
Leclerc erkennt Fortschritte bei Ferrari
Er scheint zumindest teilweise das Sprintformat und damit die geringe Trainingszeit verantwortlich zu machen, wenn er weiter sagt: "In Mexiko sieht es ganz anders aus mit normalen Freien Trainings, in denen wir echte Longruns fahren können. Aber erst einmal konzentrieren wir uns noch auf Austin, um zu verstehen, was wir nicht gut gemacht haben."
Leclerc selbst erkennt indes technische Fortschritte bei Ferrari, vor allem seit dem Japan-Update am SF-23. "Ich hatte mich ja seit Saisonbeginn beschwert, dass wir ein Auto haben, das überhaupt nicht konstant ist", erklärt der Ferrari-Fahrer. "Wenn wir ins Übersteuern kommen, dann verlieren wir sehr viel Grip. Das [Japan-] Update hat an diesem Punkt angesetzt."
Er könne seither wesentlich besser mit dem Auto umgehen. "Das Update hat uns geholfen und mir geholfen, etwas mehr Vertrauen ins Auto zu fassen und das Auto so abzustimmen, wie ich es mag. Jetzt habe ich eine etwas stärkere Vorderachse, und das taugt mir normalerweise gut. Also ja, ich fühle mich seither wohler im Auto", sagt Leclerc. Nachsatz: "Wir haben aber noch einiges an Arbeit vor uns."
Unterschiedliche Abstimmungsvorlieben bei Leclerc und Sainz
Schon alleine deshalb, weil Leclerc und Sainz unterschiedliche Vorlieben bei der Balance zu haben scheinen: Leclerc kommt besser mit einem Auto klar, dass zum Übersteuern tendiert. Sainz bevorzugt eher ein Auto, das zum Untersteuern neigt.
Wird das für Ferrari bei der Entwicklung zum Problem? Teamchef Vasseur verneint: "Wir können feintunen und einen Kompromiss und eine gute Lösung für beide finden."
"Wir reden hier von Hundertsteln oder Tausendstel, wenn wir auf die Poleposition fahren, und dann sind wir enttäuscht, wenn es mal P4 wird. Das ist aber kein Drama. Wir ändern deshalb auch nicht unsere Herangehensweise."
Wie kommt Ferrari in Mexiko mit der Höhenlage klar?
Viel wichtiger sei jetzt ohnehin, in Mexiko erneut ein gutes Qualifying zu fahren und "mit der Höhenlage und mit der Kühlung klarzukommen", so Vasseur.
Sainz ergänzt noch die Notwendigkeit, in den Sektoren eins und zwei gut über die Randsteine räubern zu können: "Hoffentlich kriegen wir das richtig hin. Und hoffentlich können wir unser Singapur-Set-up verwenden. Außerdem müssen wir schauen, wie sich die Antriebe dieses Jahr verhalten."
In der jüngeren Formel-1-Vergangenheit in Mexiko hatte Ferrari mitunter Schwierigkeiten mit den Turboladern und musste die Antriebe drosseln, um deren Zuverlässigkeit zu garantieren. Das kostete die Ferrari-Fahrer viel Zeit, vor allem über die Renndistanz.