• 12. Oktober 2023 · 11:23 Uhr

So reagiert Mercedes auf den Teamkollegen-Crash in Katar

Was hinter den Kulissen passiert: So reagiert Mercedes auf die Erstrunden-Kollision zwischen Lewis Hamilton und George Russell beim Katar-Grand-Prix 2023

(Motorsport-Total.com) - "Es war das Schlimmstmögliche, das einem Rennteam passieren kann: deine beiden Autos kollidieren." So beschreibt Mercedes-Pressesprecher Bradley Lord die Ereignisse aus der ersten Runde des Katar-Grand-Prix 2023. Aber wie arbeitet Mercedes eigentlich den Zwischenfall um Lewis Hamilton und George Russell auf?

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Lewis Hamilton im Kiesbett nach der Kollision mit Teamkollege George Russell Zoom Download

Denn in der Vergangenheit hat es bei Mercedes schon wiederholt gekracht. Das berühmteste Beispiel dafür ist der Spanien-Grand-Prix 2016 in Barcelona, als Hamilton und Nico Rosberg sich gegenseitig aus dem Rennen nahmen - und am Ende Max Verstappen seinen ersten Formel-1-Sieg erzielte.

Nun meint Lord bei Sky: "Aufgrund von Erfahrungen wie 2016 und weiterer Begebenheiten haben wir eine gewisse Basis, wie wir mit solchen Situationen umgehen und was wir daraus lernen können."

"Wir haben eine Richtlinie, wie wir Rennsport betreiben wollen. Es geht darum, wie wir als Team ein Rennen angehen und wie wir die Punkte für das Team maximieren. Die Fahrer stehen da genauso dahinter wie alle anderen Beteiligten. Das ist die Basis dafür, wie wir darüber sprechen und von der aus wir weitermachen", erklärt Lord.

Er räumt ein: Die Formel-1-Saison 2023 stehe aus Mercedes-Sicht bisher klar im Zeichen der "Wettkampf-Spannungen zwischen den Fahrern". Das sei aber auch etwas Nützliches: "Wir brauchen das, um weiter Fortschritte zu machen", sagt Lord. Gleichzeitig setze das Team auf die Zusammenarbeit von Hamilton und Russell, "um das Auto zu entwickeln, damit wir die diesjährigen Probleme lösen können".

Mercedes hatte die Startsituation vorab mit den Fahrern besprochen

Doch in Katar stand klar der Teamkollegen-Crash im Vordergrund. Dabei hatte Mercedes vorab besprochen, was passieren könnte, wenn Hamilton auf Soft-Reifen und Russell auf Medium-Reifen ins Rennen gehen würden.

"Es bestand immer eine Chance, dass Lewis mit Soft einen besseren Start haben und George vor Kurve 1 überholen könnte", sagt Andrew Shovlin als leitender Renningenieur bei Mercedes. "Das hatten wir stets im Hinterkopf. Und den Fahrern war bewusst, dass sie sich auf unterschiedlichen Strategien befanden. Und uns war wichtig: Sie sollten nicht im Duell miteinander Zeit verlieren. Eine Stallregie sprachen wir aber nicht aus."

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Lewis Hamilton (Mercedes) läuft nach seinem Unfall beim Formel-1-Rennen in Katar 2023 zurück zur Box Zoom Download

Was schließlich in Kurve 1 passierte, das sei "einfach ein Fehler" gewesen, meint Shovlin. So sah es nach dem Grand Prix auch Hamilton selbst und übernahm die volle Verantwortung für den Zwischenfall.

Hamilton punktet mit Offenheit zur Schuldfrage

Mercedes rechnet Hamilton diese Offenheit hoch an: "Lewis hat das getan und damit Charakterstärke bewiesen. Das zeigt: Wahre Champions werden nicht gemacht, wenn sie gewinnen, sondern auch, wenn es mal besonders schwierig ist." Hamiltons öffentliche Entschuldigung "spricht Bände", sagt Lord.

Die Sportkommissare der Formel 1 sahen zwar ebenfalls Hamilton "vorrangig in der Verantwortung" für den Zwischenfall, verzichteten aber auf eine Bestrafung und werteten die Szene als Rennunfall. "Es ist in dem Moment einfach der Platz ausgegangen", meint Lord. "Lewis versuchte, seine Linie zu fahren, und George konnte nirgendwo hin."

Vermeiden lasse sich dergleichen im Startgetümmel eher nicht, sagt Lord weiter. "Man kann ja nicht alles programmieren, selbst wenn man es vorher bespricht. Aber wir sprechen im Nachgang noch einmal darüber, so wie üblich. Wir gehen es zusammen durch, ziehen unsere Schlüsse darauf und hoffen, es passiert nie wieder."

Was Mercedes durch den Teamkollegen-Crash verloren hat

Denn die Aktion in Kurve 1 hat Mercedes etliche WM-Punkte gekostet. "Zwei Podestplätze wären möglich gewesen", meint Lord. "Aber hätte, wäre und wenn zählt nicht im Motorsport. Wir nehmen daher mit, was wir haben, und wir geben uns damit zufrieden. Es hätte nur sehr viel mehr sein können."

Oder noch deutlich weniger: Russell nämlich überstand den Unfall überraschend ohne größere Beschädigungen an seinem Fahrzeug und konnte weiterfahren. "Das Auto hat zum Glück praktisch keine Kratzer davongetragen", sagt Shovlin. "Das hat man auch anhand seiner Rennpace gesehen. George hat eine ganz starke Aufholjagd hingelegt." Und das bedeutete bei Rennende den vierten Platz.


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Unmittelbar nach dem Crash war Mercedes von deutlich weniger ausgegangen. "Die frühen Prognosen deuteten auf ein paar Punkte hin", meint Shovlin. "Je länger das Rennen dauerte, umso besser wurden unsere Vorhersagen. Und am Ende hieß es: Es würde Platz vier werden."

Warum sich die Prognose für Russell im Katar-Grand-Prix so dramatisch verschob? Shovlin: "George überholte gut. Er kam schon früh an einigen wichtigen Autos vorbei. Und sobald er freie Fahrt hatte, bewies er eine wirklich gute Pace. Deshalb war es ihm möglich, so viele Positionen gutzumachen. Und das Strategie-Team hat ebenfalls gute Arbeit geleistet, sein Rennen neu zu optimieren."

Hamilton: Warum überhaupt Soft am Start?

Bleibt die Frage, weshalb Mercedes überhaupt das Risiko eingegangen ist, Hamilton im Grand Prix mit Soft losfahren zu lassen. Laut Shovlin war diese Strategie eher aus der Not geboren: "Von allen Fahrern im Feld war Lewis bei seinen Rennreifen am meisten eingeschränkt, und besonders bei der Medium-Mischung."

Denn Hamilton hatte im Freitagstraining bereits viele Kilometer mit dieser Reifensorte abgespult. "Da wussten wir noch nicht, dass es zu einem Problem mit den Reifen kommen würde", erklärt Shovlin. Und so habe Hamilton nur noch Medium-Reifen gehabt, "deren Haltbarkeit praktisch gleichauf lagen mit der einer Soft-Mischung".

"Außerdem hatte George am Samstag [im Sprint] auf Soft einen sehr guten Start gehabt. Soft hatte auch bei den Restarts gut funktioniert. Deshalb entschieden wir auf Soft für Lewis, damit er mehr Grip auf der Linie haben würde, aber ohne negative Effekte bei der Reichweite."

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