Andrea Stella: Sainz hatte keine Sekunde in der Hinterhand
Ferrari-Pilot Carlos Sainz hat das Feld beim Formel-1-Grand-Prix von Singapur absichtlich verlangsamt, doch wer hätte die beste Rennpace gehabt?
(Motorsport-Total.com) - Aufgrund der Bummelfahrt beim Großen Preis von Singapur ist es schwer, Schlüsse zu ziehen, wer denn tatsächlich das schnellste Auto im Rennen hatte. Ferrari-Pilot Carlos Sainz bremste das Feld strategisch ein, damit sich nach hinten kein Undercutfenster für die Konkurrenz ergibt. Der Spanier selbst sagte während des Rennens am Funk, dass er "eine Sekunde" schneller fahren könnte, eine Lüge, wie McLaren-Teamchef Andrea Stella meint.
"Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube nicht, dass Carlos eine Sekunde in der Hand hatte", sagt Stella auf die Frage, wie viel schneller Lando Norris hätte fahren können ohne die Sainz-Blockade. "Und ich denke, Russell hat eine sehr interessante Antwort gegeben [darüber, dass er überrascht war, dass Carlos nicht zwei Sekunden gesagt hat]."
"Also, ich glaube nicht, dass er eine Sekunde hatte. Aber ich glaube, er hatte ein gewisses Tempo in der Hand. Denn er wusste, dass man nicht einfach Vollgas geben kann, mit dem Risiko, dass die Reifen am Ende abbauen. Wenn das Auto hinter ihm in der Lage ist, dabei zu sein und in Singapur zwei Sekunden Rückstand zu haben, bedeutet das natürlich, dass man schneller fahren kann."
Daten zeigen: Sainz hatte sogar 1,5 Sekunden in der Hand!
"Aber selbst Carlos hätte schneller fahren können. Ich will also nicht behaupten, dass wir hier schneller waren als Ferrari, aber ich glaube nicht, dass Carlos eine Sekunde schneller hätte sein können. Ich denke, beide hätten ein paar Zehntel schneller sein können."
"Aber wenn man ein paar Zehntel schneller ist, wird man am Ende des Rennens [aufgrund des Reifenverschleißes] vielleicht ein paar Zehntel langsamer. Und ich bin mir nicht sicher, ob sie in der Lage gewesen wären, die Mercedes hinter sich zu halten. Also Carlos und Lando, ich denke, sie waren heute einfach Meister, sie haben es wirklich gemeistert", bilanziert Stella.
Was sagen die Daten? Schaut man sich die Pace von Carlos Sainz vor dem virtuellen Safety-Car an, dann fuhr er mittlere bis hohe 1:39er-Rundenzeiten. Nach dem Restart, wo er aufgrund der heranstürmenden Mercedes-Piloten auf neuen Medium-Reifen gezwungen war, seine volle Pace auszufahren, legte Sainz tiefe 1:38er-Zeiten hin. Es wäre also nicht vermessen zu sagen, dass Sainz sogar 1,5 Sekunden zurückgehalten hat.
Daten: So hat sich Ferrari zum Sieg gebremst!
Carlos Sainz hat den Grand Prix von Singapur 2023 gewonnen, obwohl Ferrari nur das viertschnellste Team war. Weitere Formel-1-Videos
Das Kräfteverhältnis der Teams ist mit den Daten dennoch eine nicht leicht zu beantwortende Frage. Für PACETEQ-Datenexperte Kevin Hermann war Ferrari trotz des Sieges nur vierte Kraft im Rennen hinter Mercedes, Red Bull und McLaren in dieser Reihenfolge, was er in der Strategieanalyse des Großen Preises von Singapur auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de erklärt.
Stella: Singapur ein strategisches Rennen
Doch neben der Rennpace war auch der Reifenverschleiß der Teams nicht genau zu bestimmen. Durch die Bummelfahrt an der Spitze haben Teams, welche die Reifen in der Regel mehr beanspruchen profitieren können wie beispielsweise Ferrari, Haas und Williams. Den Daten nach zu urteilen ging dennoch Mercedes mit Lewis Hamilton am besten mit den Reifen um.
"In der Praxis war es so, dass es nicht nur ein reines Rennen war", meint auch Stella. "Die praktische Situation bedeutete, dass wir manchmal 100 Prozent der Pace nutzen, manchmal 95 Prozent, dann wieder 100 Prozent."
"Manchmal denkt man nur an schnell, wenn man weiß, dass man angegriffen werden kann. Wenn du zum Beispiel in der Kurve 7, 8, 9, 10, 11 bist, brauchst du nicht zu pushen, denn niemand wird dich überholen. Da spart man definitiv. Wenn man also aus der Haarnadel heraus eine gute Traktion hat und in die Gerade nach der Kurve 13 einbiegt. Es ist also sehr praktisch."