Williams-Sensation in Zandvoort: Wie konnte Albon Platz vier schaffen?
Alexander Albon war mit Platz vier die große Sensation im Qualifying von Zandvoort - Auch Logan Sargeant erstmals in Q3, dort aber mit einem ärgerlichen Unfall
(Motorsport-Total.com) - Die große Überraschung beim Qualifying zum Formel-1-Rennen in Zandvoort 2023 (live im Ticker verfolgen) war am Samstag eindeutig das Williams-Team. Beide Piloten schafften es in den Niederlanden in Q3 - Logan Sargeant dabei zum ersten Mal - und Alexander Albon gelang sogar der große Sprung in die zweite Startreihe. Er wird auf Position vier starten.
Da staunt selbst die Konkurrenz: "Ich freue mich wirklich für Williams und für Alex", sagt George Russell, der seinen guten Kumpel noch von Platz drei verdrängt hatte. "Ich bin mit Alex hierher geflogen und habe ihn nach seinen Erwartungen gefragt. Und er sagte: 'Ich denke, wir werden schlecht sein.' Da lag er wohl falsch."
Doch tatsächlich hatten Williams vor dem Wochenende nicht viele auf der Rechnung. Eigentlich gilt der FW45 als stark auf Strecken mit vielen langen Geraden, auf denen man seinen Topspeed-Vorteil ausspielen kann. Der Kurs in Zandvoort ist mit seiner High-Downforce-Natur eher genau das Gegenteil.
Wie kann Albon daher die plötzlich gute Pace erklären? "Das kann ich nicht", lacht er. Doch wer die Trainingssessions verfolgt hat, der dürfte Williams schon auf dem Zettel gehabt haben: In allen drei Trainings lag der Thailänder unter den Top 6.
"Das Auto hat sich schon von der ersten Runde im ersten Training gut angefühlt, und wenn das passiert, dann arbeiten sich die anderen normalerweise heran, weil sie ihr Auto ins richtige Fenster bringen", so Albon, der das Gefühl hatte, dass Williams diesen Sweet-Spot recht früh gefunden hatte.
"Wir haben seit dem ersten Training gar nicht so viel am Auto herumgespielt, und das hat mir Selbstvertrauen gegeben", sagt er und sieht das als Geheimnis für den Erfolg im Qualifying. "Du musst dich einfach eins mit dem Auto fühlen. Bei solchen Bedingungen geht es nicht nur um Abtrieb, es geht darum, ein Auto zu haben, das am Limit fahrbar ist. Und das war das ganze Wochenende so."
Der Wind stand günstig
Ein weiterer Faktor sei aber der Wind gewesen, der aus Sicht des Teams günstig geblasen habe: "In vielen der langsamen Kurven gab es einen schönen Gegenwind. Wir haben immer Probleme mit dem Anbremsen von langsamen Kurven, aber bei Gegenwind fühlt sich alles besser an, weil es dich vorne auf die Straße drückt", beschreibt er. "Das hat unsere normalen Probleme versteckt."
"Und die Kurven mit Rückenwind waren die normalen Highspeed-Kurven, wo unser Auto ohnehin nicht so schlecht ist", erklärt er. "Wir haben diesen Wind im Simulator probiert und damit herumgespielt. Und wir wussten, dass er gut für unser Auto sein würde."
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Trotzdem hatte der Thailänder nach den guten Trainingseindrücken erwartet, weiter zurückzufallen. Denn er hielt die Ergebnisse nicht für repräsentativ, weil er wusste, dass Williams ziemlich leicht unterwegs war.
"Im vergangenen Jahr hatten wir das Problem, dass wir kalt davon erwischt wurden, dass sich das Auto so unterschiedlich anfühlt, wenn man den Sprit rausnimmt", liefert er die Erklärung für die Taktik. Auch mit den Reifen muss man dabei anders umgehen. "Das macht einen großen Unterschied, und das Problem wollten wir an diesem Wochenende nicht haben."
"Von daher sind wir ziemlich leicht unterwegs gewesen und wussten daher, was wir mit den Reifen machen mussten. Das hätten wir nicht gewusst, wenn wir es im zweiten Training nicht hinbekommen hätten", so Albon. "Es war einfach ein starkes Wochenende, auch für Logan. Q3 zeigt, dass das Auto schnell ist."
Sargeant: Erster Q3-Einzug endet mit Unfall
Teamkollege Logan Sargeant hat mit dem ersten Q3-Einzug seiner Formel-1-Karriere den Speed des Williams unterstrichen. Der Amerikaner kam als 15. und Zehnter jeweils hauchdünn auf der letzten Position durch Q1 und Q2 und konnte sich über seinen ersten Top-10-Startplatz freuen, der allerdings durch einen Abflug in Q3 getrübt wurde.
Sargeant verlor in Kurve 2 die Kontrolle über sein Auto und flog heftig in die Reifenstapel, blieb dabei aber unverletzt. "Es ist schwierig", sagt er. "Die Strecke ist so eng, und die trockene Linie war kaum breiter als ein Auto. Alles, was es braucht, ist ein Millimeter neben der Linie, und du kannst es nicht mehr halten."
"Ich hasse, dass es so geendet ist", sagt er gegenüber Sky. "Dem Team ein zerstörtes Auto zu hinterlassen, ist immer das Letzte, was ich will. Ich kann jetzt aber nichts dagegen machen. Ich versuche daraus zu lernen und das Positive mitzunehmen."
Und davon gibt es in Zandvoort eine Menge, sagt er: "Gestern im Trockenen hatte ich das Gefühl, dass ich wirklich dabei war, und auch die Longrun-Pace war wirklich gut. Das Auto war in einem großartigen Fenster", so Sargeant.
"Im Nassen fehlte mir in Q1 und Q2 etwas die Pace, aber das Positivste war, dass ich die Runden geliefert habe als ich es musste. Und das fehlte mir in diesem Jahr so ein wenig", sagt er. "Dass mir das jetzt gelungen ist, ist wirklich schön. Aber es wurde halt alles von diesem Millimeter-Fehler überschattet."
Folgen die ersten Punkte?
Auch er sagt, dass sich Williams nicht ganz sicher ist, wo die starke Pace plötzlich herkommt. "Wir hatten nicht erwartet, dass es hier so gut laufen würde. Aber wir müssen verstehen warum", meint er.
"Und ich muss schauen, was ich falsch gemacht habe, ob es nur ein kleiner unvermeidbarer Fehler war oder so eine Mindset-Ding. Ich habe das noch nicht ganz verstanden, aber ich muss das herausfinden, darf mich dann aber nicht zu lange damit aufhalten, weil unsere Longrun-Pace großartig war."
"Hoffentlich können wir das Auto wieder so gut es geht aufbauen und dann versuchen, von unserer guten Longrun-Pace zu profitieren, um ein paar Punkte zu holen." Denn das ist ganz klar sein Ziel für den Sonntag: Dort sollen seine ersten Formel-1-Punkte her.
"Ganz genau. Das ist das Ziel", stellt er klar. "Ich habe mich in diese Position gebracht, um in den Top 10 zu sein, aber ich habe auch das Team in eine Position mit einem beschädigten Auto gebracht. Es gibt Aufs und Abs", sagt Sargeant. "Man muss es nehmen, wie es kommt, und hoffentlich liefere ich morgen ein perfektes Rennen, um das wieder gutzumachen."
Sargeant sieht Fortschritte
Doch unabhängig von dem Fehler: Ist Sargeant mit dem Ergebnis jetzt der Durchbruch gelungen? "Ich persönlich habe diesen Fortschritt während der gesamten Europasaison gesehen, und es war einfach nur eine Frage der Zeit", sagt er. "Ich weiß, dass ich im Trockenen jetzt nah dran bin, was für mich sehr positiv ist. Ich fange an zu verstehen, wie ich die Zeit aus dem Auto holen kann."
"In Q3 wusste ich, dass wir eine großartige Chance haben würden, wie Alex gezeigt hat. Wir hatten im Trockenen ein wirklich gutes Auto, und darum ist es umso schmerzhafter, diesen Fehler zu machen."
Die wechselhafte Session knüpft aber nahtlos an die vergangenen Rennwochenenden an, wo es kaum einmal einen stinknormalen Event ohne Regen oder sonstige Ablenkungen gab. "Wir haben vermutlich die schwierigste Europasaison, an die ich mich erinnern kann mit den ganzen Mischbedingungen", so der Amerikaner. "Das macht mein Leben nicht einfacher."
"Aber das ist auch keine Ausrede", betont er. "Ich gebe jedes Mal mein Bestes und sehe den Fortschritt. Ich weiß, dass solche Fehler teuer sind und muss diese einfach abstellen. Das ist entscheidend."
Für Sonntag hofft er eher auf ein trockenes Rennen, weil Williams dort eine gute Rennpace hatte. "Wenn es trocken ist, haben wir eine gute Chance auf Punkte", sagt Sargeant. Und während der Amerikaner seinem ersten Punkt nachjagt, könnte es für Teamkollege Albon noch höher gehen. Vielleicht sogar auf das Podest?
Podium? Albon lacht
"Haha", lacht dieser und will nicht von einem Podium träumen. "Unsere Rennpace war respektabel, aber sie war definitiv nicht Spitzenklasse, und alle Topteams stehen um uns herum. Ich denke nicht, dass irgendein Fahrer sie aufhalten könnte, und sie sind alle direkt hinter mir. Es wird daher ein schwieriges Rennen. Aber schauen wir mal."
Albon sagt, dass er bei den Bedingungen eigentlich erwartet hatte, "dass ein [Nico] Hülkenberg, ein [Kevin] Magnussen oder ein Yuki [Tsunoda] in Q3 kommen würde und alle aufhalten würde". Das war aber nicht der Fall. "Irgendwie sind alle [Topteams] in Q3."
Dann muss es eben Teamkollege Sargeant richten, der in Q3 gekommen ist. "Das hilft strategisch enorm, und ich hoffe, dass Logan breite Schultern hat", scherzt er. "Er muss ja auch gut in den Steilkurven sein, weil er Amerikaner ist."
Doch im Ernst: Zandvoort gilt als Kurs, auf dem man nur schwer überholen kann, und der Williams gilt mit seinem hohen Topspeed als das am schwersten zu überholende Auto. Pierre Gasly hatte sogar gemeint, dass man Williams in den Strategiebesprechungen daher anders behandle als andere Teams.
Da müsste es doch für Albon eigentlich ein Leichtes sein, vorne zu bleiben. "Das ist ein schönes Kompliment", sagt er. "Aber das stimmt für dieses Wochenende nicht."
"Wir sind nicht die Schnellsten auf der Geraden, wie alle sagen", betont der Thailänder. "Wir liegen im Mittelfeld, wir sind nicht so schnell, also können wir kein Rennen wie in Kanada fahren." Dort hatte Albon vom hohen Topspeed des Williams profitiert und schnellere Autos hinter sich gehalten, um auf Platz sieben ins Ziel zu fahren.
"Wir müssen rein von der Pace her schnell sein, sonst werden wir überholt", fürchtet er. "Ich denke, dass es auf lange Sicht von Vorteil ist, denn man hat es in Spa gesehen: Zu viel davon tut unserem Auto nicht gut, wir überhitzen unsere Reifen, also brauchen wir ein bisschen Abtrieb. Schauen wir also mal."
Konkurrenz freut sich mit Williams
Die Konkurrenz ist auf jeden Fall gewarnt und hat Williams auf dem Zettel - und viele freuen sich auch mit dem in den vergangenen Jahren so arg gebeutelten Rennstall mit.
"Williams verdient es, ganz vorne mitzufahren", sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Max Verstappen hält es auch für "großartig für den Sport", mehr Teams im Kampf vorne zu haben.
"Und natürlich freue ich mich auch für Alex. Er ist ein toller Kerl", sagt er über seinen ehemaligen Teamkollegen. "Wir hatten eine gute Zeit zusammen, und ich freue mich, dass er ein konkurrenzfähiges Auto hat und mit vorne dabei ist."
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Und auch der frühere Williams-Pilot George Russell kann sich für seinen früheren Rennstall freuen, auch wenn er Albon am Sonntag direkt neben sich stehen haben wird. "Es hat mich wirklich gefreut, ihn dort oben zu sehen, und es zeigt, wie sehr man seine Leistung verbessern kann, wenn man Selbstvertrauen hat", sagt er.
"Williams macht derzeit enorme Fortschritte, und ich denke, dass James Vowles dort einen wirklich positiven Einfluss hat. Ich denke, er ist definitiv der beste Mann für den Job, den Williams im Moment für ihren Wiederaufstieg braucht", lobt er den neuen Teamchef, der im Vorjahr noch mit ihm bei Mercedes zusammengearbeitet hat.
"Es ist toll zu sehen, dass nicht nur die Topteams kämpfen, und das ist es, was wir in der Formel 1 wollen. Wir wollen, dass jeder eine Chance hat, wenn er gute Arbeit leistet."