• 26. August 2023 · 20:20 Uhr

Zoff am Ferrari-Boxenfunk - und dann crasht Leclerc!

Was Ferrari-Fahrer Charles Leclerc im Formel-1-Qualifying in Zandvoort auf die Palme brachte und warum er in Q3 mit seinem Auto noch in den Banden gelandet ist

(Motorsport-Total.com) - Charles Leclerc war stinksauer nach dem ersten Abschnitt im Formel-1-Qualifying in Zandvoort. Denn er hatte nur auf P14 das Weiterkommen sichergestellt, wäre um ein Haar schon in Q1 ausgeschieden. Das lastete er dem Ferrari-Team an, und zwar mit deutlichen Worten am Funk.

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Charles Leclerc im Ferrari SF-23 im Kiesbett bei Kurve 1 in Zandvoort 2023 Zoom Download

Leclerc sagte mit energischer Stimme: "Verdammt nochmal! Kommt schon, lasst uns das hinkriegen! Der Verkehr ist das Allerwichtigste. Das Aufwärmen der Reifen, all das. Das ist wichtig! Das ist die einzige Priorität, die wir haben. Lasst uns darauf konzentrieren, dann wird es passen. Sonst scheiden wir in Q2 aus. Wir hatten jetzt richtig Glück ..."

Knapp war es in der Tat: Wäre Leclerc in Q1 nur 0,039 Sekunden langsamer gewesen, er hätte sofort in den Feierabend gehen können. So aber nahm er weiter am Qualifying teil und schaffte es sogar in die Top 10, nur um in Q3 auf einer fliegenden Runde in Kurve 9 zu verunfallen.

Wie Leclerc seinen Unfall begründet

Letzteres schiebt Leclerc auf seinen Ferrari SF-23, der speziell in Zandvoort "unheimlich schwierig zu fahren" sei. Was sein Ferrari-Teamkollege Carlos Sainz bestätigt, indem er von "mehr Problemen denn je" spricht.

Im konkreten Fall hat Leclerc "versucht, etwas mehr Druck zu machen", aber das habe "nicht geklappt". Das sei für ihn nicht überraschend gekommen: "In dieser speziellen Kurve war die Vorderachse das gesamte Wochenende über seltsam", meint Leclerc.

Er wirkt resigniert, wenn er weiter sagt: "Ach, es ist eines dieser Wochenenden. Seit dem ersten Training habe ich mit den Kurven 1, 9 und 10 zu kämpfen. Und wir haben das Auto inzwischen komplett umgebaut. Aber ganz ehrlich: Es gibt nicht viel, das uns in diesen Kurven helfen könnte."

Leclerc hadert, aber Sainz ist "zufrieden"

"Die Kurven 9 und 10 sind Passagen, in denen du eingangs von der Bremse gehst, aber dann haben wir aus irgendwelchen Gründen überhaupt keinen Grip. Du hoffst dann einfach nur, dass das Auto am Ausgang Grip entwickelt. Das ist aber in dieser einen Runde nicht passiert. Deshalb bin ich in der Bande gelandet."

Und deshalb steht Leclerc in der Formel-1-Startaufstellung in Zandvoort nur auf Platz neun, während Sainz das Rennen von P6 beginnt. Nach einem aus Sainz' Sicht "gut umgesetzten" Qualifying. "Andere haben Fehler gemacht und uns sind gute Runden gelungen", so fasst Sainz sein Abschneiden zusammen.

"Hätte man mich vor dem Qualifying gefragt, ich hätte P6 dankend angenommen. Es ist ein schwieriges Wochenende. Ich hatte ja schon das erste Training verpasst", sagt Sainz, was Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur bei ServusTV aber nicht unkommentiert lässt: "Das hat Carlos selbst so entschieden!"

Das "einprozentige" Manko im Qualifying von Sainz

Doch natürlich war es ein Handicap, nicht von Anfang an im Auto gesessen zu haben. Dass der Samstag fast komplett verregnet war, habe seine Schwierigkeiten nur verstärkt, meint Sainz weiter. "Ich hatte nur im zweiten Training ein paar Runden im Trockenen, also war mein Versuch in Q3 ein Experiment. Trotzdem bin ich auf P6 gekommen. Ich glaube, damit muss ich zufrieden sein."

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Carlos Sainz vor Ferrari-Teamkollege Charles Leclerc beim Formel-1-Rennen in Zandvoort 2023 Zoom Download

Uneingeschränkt positiv aber verlief das Qualifying nicht aus seiner Sicht: In Q1 hätte er aus der Box kommend beinahe McLaren-Fahrer Oscar Piastri von der Strecke geräumt. Doch Sainz erklärt: "Das Team hatte mir nicht gesagt, dass er kommt."

"Ich glaube aber nicht, dass es ein großes Problem war. Zumal man mit der Gischt ohnehin nichts sieht im Rückspiegel. Man ist praktisch blind. Wenn du also über Funk nichts mitkriegst, dann ist es sehr, sehr schwierig, überhaupt etwas zu erkennen."

Die Urteile der Sportkommissare gegen Ferrari

Außerdem sei Piastri trotz des Zwischenfalls bis Q3 durchgekommen. "Normal sind die Sportkommissare in einem solchen Fall eher gnädig, aber warten wir es ab", sagt Sainz.

Kurze Zeit nach der Aufzeichnung dieser Aussagen steht das Urteil der Sportkommissare: Sainz erhält eine Verwarnung, weil er eine "potenziell gefährliche Situation" ausgelöst hat, indem er schnell zur trockenen Linie habe überwechseln wollen.

Aber auch Ferrari wird bestraft und muss 5.000 Euro Strafe zahlen. Begründung: "Das Team hat zu dieser Situation beigetragen." Sprich: Der Renningenieur hätte Sainz vor Piastri warnen müssen. Das geschah nämlich erst, als die beiden Fahrzeuge schon gleichauf waren - also zu spät.

Sainz erkennt einen Trend und ist froh darüber

Doch all das ist für Sainz nur eine "einprozentige" Randerscheinung im Qualifying. Viel entscheidender ist aus Teamsicht die Formschwäche beim Niederlande-Grand-Prix. Und Sainz erkennt einen "Trend", was er ausdrücklich als "gut" befindet, weil Ferrari anhand dessen reagieren könnte.

Was genau aber hat Sainz festgestellt? Er erklärt: "Wir hatten nicht erwartet, in Ungarn solche Probleme zu haben, aber bei hohem Abtrieb hatten wir genau das: ein schwieriges Wochenende. Das bestätigt sich hier in Zandvoort. Aber wir kommen der Sache allmählich auf die Spur."


So hat Leclerc seinen Renningenieur runtergeputzt!

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Die Pole von Max Verstappen haben alle gesehen. Den Boxenfunk von Charles Leclerc in Q1 aber sicher nicht alle gehört. Weitere Formel-1-Videos

"Wir wissen: Unsere Flügel für viel Abtrieb funktionieren nicht so, wie sie funktionieren sollen. Und auf solchen Strecken gelingt es uns nicht, ähnlich viel Abtrieb zu generieren wie die anderen. Wir rutschen mehr, das Auto ist schwieriger zu fahren. Hier ist es außerdem windig, die Kurven sind lang und all das ist nicht ideal für unser Fahrzeug. Aber wir wissen, wo wir uns verbessern müssen."

Was sich Leclerc im Rennen erhofft

Ganz so leicht steckt Leclerc die aktuelle Lage nicht weg. Er beklagt, wie unvorhersehbar sich der SF-23 in Zandvoort verhalte: "In der Formel 1 geht es nur darum, dass man antizipiert und weiß, welche Balance man haben wird, wenn man in eine Kurve einbiegt. Derzeit aber habe ich vor einer Kurve null Ahnung, ob ich massives Untersteuern oder Übersteuern kriege. Das macht es so schwierig."

"Wir haben einfach Probleme damit, den Grip zu finden. Es ist aber auch Teil meiner Jobbeschreibung, das Beste daraus zu machen, selbst wenn es schwierig ist."

Und "das Beste" ist ausgehend von P9 laut Leclerc "ein Top-5-Ergebnis". Leclerc: "Angesichts der Balance, die wir im Auto haben, wäre das schon gut." Einen Podestplatz in Zandvoort hält Ferrari-Fahrer Leclerc hingegen für "nicht realistisch".

Sainz denkt konservativ für den Grand Prix

Auch Sainz klingt pessimistisch, wenn er ans Rennen denkt: "Williams, McLaren, Mercedes und Aston Martin sind an diesem Wochenende schneller als wir. Am Samstag haben wir weniger Fehler gemacht als diese Teams. Aber rein vom Speed her sind sie schneller. Wenn sonst in den Top 10 nichts passiert im Rennen, werden wir versuchen, P6 zu halten."

Ob er dergleichen im Sinn gehabt habe, als er nach seinem Unfall im Campingstuhl neben der Strecke gesessen habe? Leclerc grinst: "Ach, da habe ich nur den Moment genossen, so gut wie möglich eben." Ernsthaft fügt er hinzu: "Es gefällt mir einfach nicht, im Auto nicht zu wissen, was als nächstes passiert."

"Ich denke, an diesem Wochenende haben wir besonders zu kämpfen, noch mehr als durch die reine Balance im Auto. Denn wir müssen so weit weg bleiben vom Limit, weil du einfach nicht weißt, was passiert, wenn du ans Limit gehst. Das ist, was in meiner Q3-Runde passiert ist."

Ferrari müsse unbedingt an der "Konstanz des Fahrzeugs" arbeiten, sagt Leclerc. "Daran gibt es keine Zweifel. Wir haben hier schon Fortschritte gemacht. Zu Saisonbeginn waren praktisch alle Kurven so wie die drei genannten Kurven hier. Es geht also etwas voran. Aber wir sind noch weit weg und aus irgendwelchen Gründen an diesem Wochenende noch weiter."

Das ist auch für Teamchef Vasseur "frustrierend", wie er bei ServusTV einräumt. Doch er hofft zumindest auf eine Trendwende im Rennen am Sonntag: "Im Freitagstraining sah unsere Rennpace gut aus, besser als bei vielen anderen." Von einer konkreten Zielvorgabe sagt Vasseur aber nichts.

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