McLaren zu langsam auf den Geraden: Wird das im Rennen zum Problem?
McLaren gibt zu, dass man sich beim Set-up ein wenig verpokert hat: Piloten könnten auf den langen Geraden mit wenig Topspeed zum Opfer werden
(Motorsport-Total.com) - Während Oscar Piastri mit Platz zwei im Sprint sein bislang bestes Formel-1-Ergebnis einfahren konnte, lief es für seinen Teamkollegen Lando Norris weniger gut. Der Brite wurde "nur" Sechster, was nach den Ergebnissen bei den vergangenen Rennen als kleine Enttäuschung gewertet werden kann.
Er hatte Pech, dass er erst in der zweiten Riege der Boxenstopps zum Reifenwechsel kommen konnte und dabei einige Positionen einbüßte. "Darüber kann ich mich nicht beschweren, das ist manchmal so", sagt er. Was ihm aber mehr Sorgen bereitet, ist der Blick auf Sonntag: Da könnte McLaren für sein Set-up des MCL60 büßen.
"Generell hatten wir ein paar mehr Probleme mit der Pace gegenüber den Führenden, wenn man es mit vorher vergleicht", sagt er. "Aber ich glaube, dass wir einfach nicht im optimalen Downforce-Bereich waren. Wir sind dabei etwas zu hoch gegangen - und das hat uns vermutlich sechs, sieben, acht Zehntel allein auf den Geraden gekostet."
"Und dann kommt noch Clipping und das Laden der Batterie hinzu und schon kann es im Rennen locker eine Sekunde sein", so Norris.
Das "Problem" war schon im Qualifying und im Shootout ersichtlich. Die beiden McLaren brillierten im kurvenreichen zweiten Sektor, konnten aber im ersten und im dritten nicht mit der Konkurrenz mithalten.
"Es ist vielleicht nicht optimal, aber das ist die Strafe, wenn man am Freitag nur ein Training und das Qualifying hat. Wir konnten das Auto einfach nicht in das richtige Fenster bringen", so Norris. "Wir dachten aber, dass es das beste wäre."
Er glaubt, dass sich McLaren für einen anderen Weg entschieden hätte, wenn man im Training gesehen hätte, dass man der Konkurrenz auf den Geraden geschwindigkeitstechnisch deutlich unterlegen ist. "Aber so verlieren wir mehr, als wir in den Kurven gewinnen. Wir zahlen jetzt den Preis dafür", sagt Norris.
Bester Kompromiss für McLaren
Teamchef Andrea Stella sagt hingegen, dass die Wahl des Set-ups der beste Kompromiss war: "Wir würden gerne mit ein paar km/h mehr in das Rennen gehen, aber weil wir Freitag und Samstag eine hohe Chance auf Regen gesehen haben, hätten wir etwas Konkurrenzfähigkeit eingebüßt. Wir dachten, das ist eine gute Balance", so der McLaren-Boss.
Im Nachhinein sieht er aber, dass es "keine perfekte Situation" ist. Doch warum hat man seine Autos nicht einfach auf unterschiedliche Konfigurationen gesetzt? Stella sagt, dass das Team sein Auto im Saisonverlauf zwar stark verändert habe, was man dabei aber nicht angegangen sei, sei das Auto bei einem niedrigen Luftwiderstand.
Fotostrecke: Formel-1-Technik: Detailfotos beim Belgien-Grand-Prix 2023
Die interessantesten Technikbilder der Formel-1-Autos beim Belgien-Grand-Prix 2023 in Spa-Francorchamps! Fotostrecke
"Von daher gab es bei einem kleineren Heckflügel nicht so viel Effizienz zu gewinnen", erklärt er. "Und wir haben dann entschieden, das Auto dort zu belassen, wo es im Moment am effizientesten ist."
"Es geht also nicht nur um eine taktische Entscheidung, ob man in den Kurven schnell oder auf den Geraden langsam sein will. Es geht vielmehr darum, was das Auto in Abhängigkeit von der Größe des Heckflügels zu bieten hat. Und im Moment ist dies der Bereich, in dem das Auto die beste Leistung bringt."
Keine Chance zu verteidigen?
Das sei aber im Rennen für die Fahrer nicht immer die einfachste Lage, doch das Problem möchte McLaren in Zukunft angehen. Das könnte Norris und Piastri aber beim Rennen in Spa in Schwierigkeiten bringen, sollte es trocken bleiben.
Stella dazu: "Das hat uns in den Bedingungen heute definitiv geholfen, gleichzeitig sind wir morgen aber am Start und bei Safety-Car-Restarts verwundbar. Wir sind uns dessen bewusst und werden versuchen, die Situation irgendwie zu entschärfen, aber wir wissen, dass es einen Punkt gibt, der morgen ein Problem darstellen könnte."
Norris macht das Problem an Zahlen fest: "Uns fehlen 15 bis 16 km/h - und das ohne DRS", sagt er. "Wenn die anderen DRS haben und wir nicht, dann sind das 25 km/h. Das wird schon hart. Aber wir wissen das und müssen einfach bestmöglich damit umgehen."
Lösung "eine Frage der Zeit"
Für die nahe Zukunft soll diese Problematik besser werden, auch schon bei den anstehenden Rennen von Monza und Las Vegas in dieser Saison, wo ebenfalls ein Set-up mit wenig Abtrieb gefahren wird. Bislang habe die Verbesserung des Luftwiderstandes in bestimmten Einstellungen einfach keine Priorität gehabt gegenüber anderen Problemen, wie etwa mehr Abtrieb zu gewinnen.
Gehört diesem Mann die Zukunft der Formel 1?
Oscar Piastri ist beim F1-Sprint in Spa erstmals in seiner Karriere aufs Podium gefahren. Wir diskutieren, ob er das nächste große Ding ist. Weitere Formel-1-Videos
"Es ist also nicht komplizierter, sondern einfach eine Frage der Zeit", sagt Stella.
"Für Monza arbeiten wir bereits an einigen Entschärfungen, die wir hier nicht rechtzeitig fertigstellen konnten. Wir gehen also davon aus, dass wir für Monza in einer besseren Verfassung sein werden", so der Teamchef. "Und wenn wir dann für Vegas noch etwas nachbessern müssen, haben wir noch ein bisschen mehr Zeit."