• 30. Juli 2023 · 20:04 Uhr

Lando Norris: "Ich weiß gar nicht, wie ich Siebter geworden bin"

Wie McLaren-Fahrer Lando Norris das Formel-1-Rennen in Belgien erlebt hat und wie aus einer "Negativspirale" noch ein Punkteergebnis werden konnte

(Motorsport-Total.com) - "Wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht, wie ich Siebter geworden bin", sagte McLaren-Fahrer Lando Norris nach dem Belgien-Grand-Prix 2023 in Spa-Francorchamps. Doch es ist so: Norris ist im McLaren MCL60 mit 1:13 Minuten Rückstand auf Sieger Max Verstappen auf Platz sieben abgewinkt worden, nur zehn Sekunden hinter George Russell im Mercedes und eine Sekunde vor Esteban Ocon im Alpine.

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Lando Norris im McLaren MCL60 beim Formel-1-Rennen in Spa 2023 Zoom Download

Zur Geschichte von Norris' Formel-1-Rennen in Spa gehört aber auch, dass er von P7 kommend schon in Runde vier nur noch Zehnter war und nach einem frühen Boxenstopp in Runde fünf bis auf P17 zurückfiel. Damit begann eine lange Leidenszeit für den britischen Rennfahrer, denn auf Hard-Reifen machte er keinen Stich und am Funk seinem Ärger darüber Luft.

Laut McLaren-Teamchef Andrea Stella setzte in dieser Phase "eine ziemliche Negativspirale" ein bei Fahrer und Team. Einerseits war Norris als einziger Fahrer im Feld mit Hard-Reifen unterwegs und damit unterlegen, andererseits machte ihn die Abstimmung seines Fahrzeugs mit viel Abtrieb zum leichten Opfer für alle Gegner.

Eine "schreckliche" erste Rennhälfte für Norris

Oder wie es Norris selbst formuliert: Die erste Rennhälfte sei "schrecklich" gewesen. "Das ist die ehrliche Antwort. Wir hingen da in einem Dilemma fest, weil ich nur überholt wurde und aufgrund der Autos vor mir auch im Mittelsektor nicht so viel Druck machen konnte."

"Die Leute hinter mir mussten in der Eau Rouge vom Gas gehen, so langsam waren wir! Und sie waren schon an mir vorbei, noch ehe die DRS-Zone überhaupt begonnen hatte", sagt Norris.

Das Set-up, mit dem McLaren am Freitag und am Samstag noch geglänzt hatte, erwies sich am Sonntag als "furchtbar" für Norris. Teamchef Stella räumt ein: "Diese Konfiguration hatte uns an den Vortagen einen Vorteil verschafft, aber im Rennen wurde es zum großen Problem."

Was McLaren mit dem frühen Wechsel auf Hard vorhatte

Mit dem frühen Stopp und dem Wechsel auf Hard wollte man "etwas probieren", so Norris. "Deshalb nahmen wir Hard, aber damit wurde es noch schlimmer."


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"Niemand sonst hat an diesem Wochenende die harte Mischung verwendet. Wir hingegen dachten: Normalerweise passt uns dieser Reifen, also war es die richtige Entscheidung, es zu versuchen."

"Aber: Es war furchtbar. Ich hatte auch nicht genug Runden, um die Reifen auf Temperatur zu bringen und pushen zu können. Ich wurde schon in der ersten Runde nach dem Stopp überholt und dann später noch zwei, drei Mal."

Teamchef Stella räumt eine Fehleinschätzung ein

Stella verweist auf eine "Fehleinschätzung" seines Teams. Man habe das Gripniveau für Hard "nicht korrekt" antizipiert: "Die Reifen haben praktisch keinen Grip geboten. Damit haben wir uns selbst nicht geholfen." Und die Stimmung bei Norris rutschte immer weiter in den Keller.

Das kann Teamchef Stella gut verstehen: "Wir hingen fest. Wenn du dann noch überholt wirst, kannst du im Mittelsektor nicht mal mehr deine Stärken ausspielen, weil du dem anderen Auto hinterherfährst." Weder Strategie noch Abstimmung versprachen ein erfolgreiches Abschneiden im Rennen, Norris lag abgeschlagen im Hinterfeld.

Regen in Spa bringt McLaren zurück ins Spiel

Dann aber setzte leichter Regen ein in Spa und McLaren erkannte seine Chance. Das Team holte Norris bereits in Runde 17 erneut zum Reifenwechsel an die Box und rüstete um von Hard auf Soft. "Das hat unser Rennen geändert", sagt Stella. Man habe die Gelegenheit erhalten, "die Situation zu berichtigen", und habe diese Gelegenheit "perfekt" genutzt und mit freier Fahrt hervorragend umgesetzt.

"Wir konnten einerseits die Pace des Autos nutzen und andererseits unsere Gegner auf Distanz halten, damit sie keinen Windschatten abbekamen", sagt Stella.

Prompt schaltete Norris wieder um auf Angriffsmodus. "Die Softs haben die Sache gedreht", meint auch er.

Warum der leichte Regen ein Vorteil war für McLaren

Denn McLaren hatte anhand der Wetterprognose festgestellt, dass es nur leicht regnen würde. "Wir wussten daher, wir würden mit Trockenreifen gut durch den Regen kommen", sagt Stella. "Lando hat in dieser Phase [mit frischen Soft-Reifen] viel Zeit gutgemacht auf alle anderen, die mit gebrauchten Reifen unterwegs waren. Sie mussten im Regen vorsichtiger sein als er."

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Lando Norris hing in der ersten Rennphase lange im Pulk fest und fiel zurück Zoom Download

Und Norris flog: Im Anschluss an seinen zweiten Boxenstopp in Runde 17 lag er als 19. schon 62 Sekunden zurück, holte aber binnen fünf Runden acht Sekunden auf Spitzenreiter Verstappen auf und überholte mehrere Autos auf der Strecke. Und als einige Rivalen zum Boxenstopp abbogen, gewann Norris kampflos noch weitere Positionen. Neun Runden nach dem Reifenwechsel war er Siebter - und blieb es.

"Eigentlich ging ich davon aus, wir seien verloren", sagt Norris. "Aber dann wurden wir noch Siebter. So gesehen bin ich zufrieden."

Die Abstimmung hatte für Soft noch etwas Gutes

Denn der lange Stint auf Soft über 27 Runden machte all das wett, was zuvor schiefgelaufen war. "Wir waren sogar dazu in der Lage, den Stint auszudehnen, weil wir im zweiten Sektor über viel Abtrieb verfügten", erklärt Teamchef Stella. Die Abstimmung des MCL60 habe sich hier positiv ausgewirkt: "Wir waren sogar noch konkurrenzfähig, obwohl das Gummi schon durch war."

Was aber nicht bedeutet, dass Norris völlig einverstanden wäre mit dem Vorgehen von McLaren. Er meint, das Team müsse seine "Herangehensweise überdenken" und die Abstimmung hinterfragen. Und selbst Stella meint: "Wir haben an diesem Wochenende eine Lektion gelernt."

Der Teamchef sagt weiter: "Mit dem jetzigen Wissen hätten wir mindestens an drei Dingen arbeiten können. Wir hätten möglicherweise etwas Luftwiderstand reduzieren können, wenngleich das einhergegangen wäre mit einem Effizienzverlust."

"Wir hätten auch Informationen gehabt, um die Fahrwerkshöhe zu optimieren. Denn ohne Referenz musst du konservativ fahren. Außerdem hätten wir mehr über die Reifen gewusst und hätten die harten Reifen vermieden, wenn wir das Rennen nochmal fahren könnten."

Norris übt Kritik am Team, und nicht zu knapp!

So aber war es nicht und Norris hält fest, dass McLaren die Sache "klarerweise falschgemacht" habe. Und er kreidet dem Team an, sich zu sehr auf die technischen Updates am Auto und zu wenig auf die konkreten Bedürfnisse am Rennwochenende konzentriert zu haben.

Norris weiter: "Spa ist eine Strecke, die die Reifen immer sehr fordert. Vielleicht ist es da nicht notwendigerweise eine gute Idee, die Leistung zu sehr auf hohe Geschwindigkeit in den Kurven zu trimmen, weil du dann die Reifen sehr belastest."

"Hier in Spa ist es vielleicht besser, in den schnellen [Kurven] zu cruisen und die Reifen nicht zu sehr zu fordern, aber auf den Geraden abzugehen wie eine Rakete."

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McLaren-Teamchef Andrea Stella in der Formel-1-Saison 2023 Zoom Download

Und eine Rakete war Norris im Rennen nicht: Mit 309,1 km/h hatte er den drittschwächsten Topspeed aller Fahrer und lag deutlich hinter Williams-Fahrer Logan Sargeant zurück, der es auf 323,1 km/h brachte.

Warum McLaren kein "Spa-Special" gebaut hat

McLaren-Teamchef Stella kann diese Kritik nachvollziehen, sagt aber auch: "Auf der To-Do-Liste steht, das Auto auf wenig Abtrieb zu trimmen. Aber es steht eben weiter unten als andere Dinge, an denen wir in den jüngsten Monaten gearbeitet haben." So sei die Spa-Abstimmung eben ein Kompromiss gewesen.

"Rückblickend hätten wir natürlich andere Lösungen finden können, um das Auto auf weniger Luftwiederstand zu trimmen. Ich weiß aber, was uns das an Effizienz gekostet hätte. Damit wäre das Samstagsergebnis nicht möglich gewesen."

"Natürlich: Für ein Rennen im Trockenen will man idealerweise weniger Luftwiderstand haben. Ich sehe nur keine Korrelation zwischen dem Fokus auf die Updates und den Entscheidungen für die Abstimmung hier in Spa."

"Es stimmt aber: Weil wir uns mit anderen Sachen beschäftigt haben, hatten wir nicht die Zeit, um uns mit Heckflügeln für geringen Luftwiderstand zu beschäftigen. Das ist die wahre Korrelation. Alles andere hängt nicht damit zusammen", erklärt Stella.

Das wiederum nimmt Norris hin und meint: "Wir verwenden das neue Auto ja jetzt schon ein paar Wochen und haben damit zwei Podien erzielt. Mir ist es lieber, wir haben diese Podien im Sack und haben dann ein paar schlechte Wochenenden als immer nur schlechte Wochenenden."

"Wir hatten ein paar gute Wochenenden, sind aber einfach noch nicht da, wo wir hinmüssen. Wir sind nicht auf dem Niveau von Mercedes und dergleichen. Diese Teams sind uns klarerweise noch einen Schritt voraus."

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