"Rennunfall": Warum Hamilton seine Strafe im Sprint trotzdem fast egal ist
Toto Wolff und Lewis Hamilton sind der Ansicht, dass die Strafe gegen den Briten im Sprint überzogen war - Warum man die Situation trotzdem schnell abgehakt hat
(Motorsport-Total.com) - Die Ziellinie überquerte Lewis Hamilton im Formel-1-Sprint in Belgien als Vierter, gewertet wurde er allerdings nur auf Platz sieben. Eine Fünf-Sekunden-Strafe, die er für eine Kollision mit Sergio Perez kassierte, warf den Rekordweltmeister gleich drei Positionen zurück.
"Harte Strafe, wenn man überlegt, welche Bedingungen da draußen geherrscht haben", grübelt Mercedes-Teamchef Toto Wolff bei 'Sky' und erklärt: "Ich würde sagen, [die Strafe ist] mit Sicherheit sehr harsch, denn Perez kommt auch zurück."
"Er nutzt also auch nicht die gesamte Strecke", sagt er über den Mexikaner, der kurz nach dem Unfall mit Hamilton in Kurve 15 aufgeben musste. "Irgendwann kommt Lewis in ein Untersteuern und schlittert dann in ihn hinein", erklärt Wolff den Zusammenstoß.
"Also man kann nachvollziehen, warum sie die Strafe gegeben haben", so der Teamchef, der sie aber trotzdem zu hart findet. Die Rennkommissare bestätigen in ihrer Begründung, dass Hamilton in Kurve 15 über den Randstein gefahren und Untersteuern bekommen habe.
Wolff: Gibt ja sowieso kaum Punkte ...
Sie sind daher der Meinung, dass Hamilton "überwiegend" die Schuld an dem Unfall trage, auch wenn Perez ihm zugegebenermaßen wenig Platz gelassen habe. "Das müssen wir jetzt abhaken. Die Strafe ist ausgesprochen. Wir können uns nur darüber ärgern und das machen wir jetzt", betont Wolff.
"Wäre es das Hauptrennen morgen gewesen, dann wäre das mit Sicherheit unheimlich ärgerlich. Heute aber mit den wenigen Punkten [im Sprint] macht es wenig Unterschied. Trotzdem meiner Meinung nach eine harsche Entscheidung", betont er noch einmal.
Ganz ähnlich sieht es auch Hamilton selbst, der auf Nachfrage erklärt: "Da gibt es nicht wirklich viel zu sagen. Ich finde, es war ein Rennunfall." Der Rekordchampion betont: "Es sind knifflige Bedingungen da draußen und wir alle geben unser Bestes."
"Natürlich war es keine Absicht. Ich stach in eine Lücke, er war langsam in Kurve 14. Ich ging innen rein, und es war mehr als eine halbe Autobreite Platz", so Hamilton, der ein altes Zitat von Ayrton Senna bemüht: "Wenn man nicht mehr die Lücke sucht, dann fährt man keine Rennen mehr."
Hamiltons Auto war auch beschädigt
"Das habe ich getan", zuckt er die Schultern und erklärt: "Als ich es mir noch einmal angesehen habe, da sah es für mich wie ein Rennunfall aus." Letztendlich sei es "unglücklich" gewesen, aber die Rennkommissare sollten kein Racing verbieten, so Hamilton.
Auch er sieht es übrigens wie Wolff und erklärt: "In einem Rennen wie heute ist es mir ehrlich gesagt nicht so wichtig. Es gibt sowieso nicht viele Punkte. Natürlich wäre es schön gewesen, Vierter zu werden. Aber vierte Plätze interessieren mich nicht wirklich, ich möchte gewinnen."
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Daher mache es "keinen Unterschied", ob er den Sprint auf P4 oder P7 beende. Auf der Strecke führte nach dem Zwischenfall übrigens kein Weg mehr am Alpine von Pierre Gasly vorbei, denn Hamilton verrät, dass auch sein Auto einen Schaden am Unterboden gehabt habe.
Dadurch habe er "viel Abtrieb" in diesem Bereich verloren, betont er. Übrigens wäre es für ihn fast noch eine Position weiter nach hinten gegangen, denn im Ziel wurde er lediglich 0,065 Sekunden vor George Russell gewertet. Das hätte für Hamilton aber wohl auch keinen großen Unterschied mehr gemacht.
Perez hat Verständnis für Hamilton-Manöver
Für Perez gab es nach seinem Ausfall derweil gar keine Punkte mehr. Der Mexikaner erklärt, er habe nach der Kollision "massiven Schaden" am Auto gehabt. Er sagt über den Unfall mit Hamilton: "Er hat die ganze rechte Seite des Autos mitgenommen."
"Er hat den Unterboden und den Seitenkasten beschädigt, und das war es dann. So haben wir zu viel Grip verloren", zuckt er die Schultern. Kurz danach stellte er seinen Red Bull an der Box ab. Der Vorfall sei "sehr unglücklich" gewesen, so Perez.
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"Ich denke, ihm ging einfach der Grip aus, und er konnte sein Auto nicht mehr anhalten", erklärt er und zeigt sogar Verständnis für Hamiltons Manöver. "Ich denke, er hatte es etwas zu eilig. Jeder hatte es heute eilig, nach vorne zu kommen", betont Perez.
Denn Hamilton war nur von P7 in den Sprint gestartet, er selbst sogar nur von Startplatz acht. "Es ist ein sehr kurzes Rennen. Daher muss man solche Risiken eingehen", weiß Perez. "Aber es ist nicht schön, dass er mein Rennen ruiniert hat", stellt er klar.
Wäre Perez noch in die Top 3 gefahren?
Denn Perez rechnete sich offenbar aus, den Sprint noch in den Top 3 beenden zu können. "Es sah [vor dem Unfall] toll aus", betont er und lobt die "großartige Strategie" von Red Bull, die ihn gleich beim Start einige Positionen nach vorne brachte.
Perez gehörte, anders als sein Teamkollege, zu den Piloten, die gleich nach der Freigabe des Rennens an die Box kamen, um auf Intermediates zu wechseln. Das spülte ihn direkt bis auf Platz vier hinter Gasly nach vorne. "Bevor das Safety-Car kam, hätten wir Gasly fast bekommen", betont er.
"Es sah also richtig gut aus", ärgert er sich und erklärt im Hinblick auf das Rennen: "Morgen werden wir herausfinden, wo wir mit dem Auto wirklich stehen. Darauf freue ich mich, und hoffentlich können wir die Punkte holen, die wir heute verloren haben."
Sein Ziel sei es, sich mit einem "starken Ergebnis" in die Sommerpause zu verabschieden. Auf dem Papier dürfte das etwas leichter als im Sprint werden, denn Perez wird am Sonntag von Startplatz zwei und damit aus der ersten Reihe ins Rennen gehen.
Lewis Hamilton steht als Dritter gleich dahinter.