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McLaren-Analyse: Das steckt hinter der Silverstone-Sensation
Im Rennen wird's für McLaren wahrscheinlich rückwärts gehen, doch die richtigen Schritte, um auch das bald zu lösen, sind in die Wege geleitet
(Motorsport-Total.com) - Es war wieder mal Zeit für eine "Zak-Attack": Nach Platz 2 und 3 beim Heim-Qualifying in Silverstone sprang der McLaren-CEO wie ein Rumpelstilzchen durch die Box seines Teams. Aus Freude über das tolle Ergebnis einerseits - aber auch aus Erleichterung darüber, dass McLaren mit den jüngsten technischen Updates endlich die Kurve zu kratzen scheint.
© Motorsport Images
McLaren befindet sich seit Österreich in einer klaren Aufwärtsbewegung Zoom Download
"Heute ist sicher der Höhepunkt der Saison", sagt Brown im Interview mit 'Sky'. "Unsere Saison hat in Österreich begonnen. Ein bisschen spät, denn alle anderen waren schon in Bahrain da!" Aber: "Die Upgrades funktionieren. Das zeigen die Daten. Aber im ersten Moment fragst du dich natürlich, ob es vielleicht nur streckenspezifisch ist."
Bereits vor einer Woche in Österreich hatte McLaren erstmals richtig aufgezeigt. Lando Norris war dort Vierter im Qualifying, Dritter im Sprint-Shootout, Neunter im F1-Sprint und Vierter im Rennen. Eine klare Aufwärtstendenz. Besonders erfreulich, weil dieser nur bei ihm so klar zu sehen war - und weil in Österreich zunächst nur sein Auto mit dem neuesten Update ausgestattet war.
McLaren hatte die Aerodynamik für Österreich stark überarbeitet (unter anderem Seitenkästen, Bodywork und Unterboden) und legte in Silverstone eine neue Frontpartie (Flügel und Nase), eine neue Hinterradaufhängung und verbesserte Bremsbelüftungen nach. Alles mit dem Ziel, den Anpressdruck zu erhöhen.
In Silverstone erstmals auch Piastri mit dem Update
Nachdem in Österreich nur Norris die neuen Teile hatte, fahren in Silverstone beide mit der neuesten Spezifikation. Und das Ergebnis macht Brown Mut: "Jetzt konnten wir die Updates mit dem zweiten Auto und auf einer anderen Strecke validieren, und das bedeutet, dass sie definitiv ein Schritt nach vorn sind. Wir sind jetzt dabei im Spiel."
Doch noch trauen nicht alle bei McLaren dem Frieden. Norris zum Beispiel bleibt zurückhaltend: "Es gibt definitiv einige Strecken, auf denen wir mehr Probleme haben werden. Unsere Schwächen sind immer noch dieselben - und ziemlich ausgeprägt." Silverstone sei eine Strecke, glaubt er, "auf der unsere Stärken wirklich zum Tragen kommen".
Spannend auch die GPS-Analyse: Bis zum Loop im Arena-Infield in Silverstone lag Norris sogar 0,090 Sekunden vor Max Verstappens Polerunde. Bis zum Becketts-Komplex lagen die beiden noch fast gleichauf. Erst auf der Hangarstraight, durch Stowe und Club verlor er den Großteil der Zeit auf den Red Bull. Also in den schnellsten Passagen der Strecke.
Es sei "offensichtlich", sagt Norris, dass McLaren "einige Verbesserungen" gelungen sind: "Im Hochgeschwindigkeitsbereich haben wir das Auto ein bisschen effizienter gemacht. Highspeed ist eine unserer Stärken, und davon haben wir hier eine ganze Menge. Die letzten Strecken waren relativ schnell und flüssig zu fahren, was gut für uns ist."
Oder, anders ausgedrückt: "30 Prozent unserer Schwächen haben wir behoben, 70 Prozent aber noch nicht. Wir haben mehr Anpressdruck hinzugefügt, und dadurch ist die Performance besser. Das ist aber nur ein Teil der Lösung. Tage wie heute zeigen, dass wir nicht meilenweit weg sind. Aber beim Handling sind es die gleichen Probleme wie die letzten fünf Jahre, mit denen wir kämpfen."
Eine Tatsache, die Oscar Piastri kaum stört. Der Australier sagt: "Das Auto fühlt sich nicht groß anders an. Wir haben noch Schwächen, die wir angehen wollen. Aber insgesamt ist es schneller. Und wenn ich die Wahl habe zwischen einem Auto, das sich gut anfühlt, und einem, das schnell fährt, werde ich mich immer für das schnelle Auto entscheiden und mir später Gedanken über das Handling machen."
Stella gibt zu: Es ist ein Muster erkennbar
Auffällig ist, dass es ein Muster gibt. In Barcelona, Spielberg, Silverstone lief der McLaren gut. Alles Strecken, auf denen wenig gebremst wird und auf denen die Aerodynamik in mittelschnellen bis schnellen Kurven wichtig ist. Da, wo mehr Stop & Go gefahren wird, etwa auf Stadtkursen wie Montreal, tut sich McLaren schwerer. Da spielen Teams wie Aston Martin ihre Stärken aus.
"Es gibt ein Muster", bestätigt Teamchef Andrea Stella und erklärt: "Schnelle Kurven, kühle Temperaturen, weiche Reifen, das sind alles Bedingungen, die unser Auto mag. Da finden wir am Heck auch den nötigen Grip - und damit tun wir uns schwerer, wenn die Temperaturen höher sind oder längere Distanzen gefahren werden."
Reifenfresser: Gleiches Problem wie Haas
Auch wenn es bei McLaren nicht so auffällig ist wie bei Haas: Der MCL60 ist ein Reifenfresser. Zumindest war er das bisher. Stella gibt zu: "Wir haben jetzt die aerodynamische Effizienz verbessert. Aber unsere Schritte, die das Tempo im Rennen verbessern, waren noch nicht groß genug. Von denen erwarte ich, dass sie erst noch kommen."
"Um uns herum stehen Autos, die im Renntrimm schneller sind als wir", sagt er vor dem Rennen in Silverstone und nennt als Beispiele "Ferrari, vielleicht auch Mercedes. Auch bei Aston Martin bin ich gespannt, wie sie am Sonntag performen. Hängt auch immer von den Bedingungen ab. Kühle Temperaturen würden uns im Rennen sicher helfen."
"In Österreich war die Rennpace schon besser als in Barcelona. Wir sind der Überzeugung, dass die Upgrades für diese Verbesserung entscheidend waren. Gleichzeitig ist Österreich eine frontlimitierte Strecke. Unser Auto hat vorn viel Grip. Das liegt uns. Silverstone ist aber eher hecklimitiert, eher wie Barcelona. Da müssen wir noch abwarten, wie wir das hinkriegen."
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"Wir sehen solche Schwankungen auch bei Red Bull. Die haben nur so viel Vorsprung, dass es nicht so auffällt. Wir haben diesen Luxus nicht, und wenn die Bedingungen uns nicht helfen, tun wir uns im Renntrimm schwer. Dazu kommt, dass die Gruppe um uns herum wahnsinnig dicht beisammen liegt. Bist du einmal nur ein bisschen weg vom Optimum, verlierst du gleich mehrere Positionen."
Erster Schritt in Baku: So hat McLaren die Wende begonnen
Die Wende eingeleitet hat McLaren mit der Einführung eines neuen Unterbodens in Baku. Stella erklärt: "Das war eine konzeptionelle Änderung. Die hat auch Rundenzeit gebracht, aber nicht so viel. Der Schritt in Österreich war größer. Aber wir haben ja in Monaco den Unterboden von Red Bull gesehen. Und auf diese Komplexität geht uns schon noch einiges ab."
"Das Gute ist: Die Aerodynamikabteilung und generell alle Ingenieure bei McLaren haben die Entwicklungsgeschwindigkeit jetzt angezogen. Wir marschieren in die richtige Richtung, und wir finden neue Performance jetzt schneller als davor", stellt Stella zufrieden fest.
Dass der Sonntag in Silverstone für Teams wie McLaren und Haas herausfordernder wird als der Samstag, gilt als gesetzt. Piastris Prognose für das Rennen ist daher zurückhaltend: "Wenn wir in den Punkten bleiben können, wäre das gut. Lando hat aber schon bewiesen, dass wir auch im Rennen besser werden. Vielleicht gelingt uns das ja auch hier."
Warum es Unsinn ist, vom Sieg zu träumen
Stella hält daher wenig davon, vom Sieg zu träumen und sich nach einem möglicherweise gelungenen Start auf ein Duell mit Verstappen einzulassen. Das birgt die Gefahr, dass die Reifen noch schneller abbauen - und dann könnte es rasend schnell rückwärts gehen, wenn Verstappen einmal durch ist.
"Wir müssen uns gut überlegen, auf welche Kämpfe wir uns einlassen", sagt der Teamchef. "Wenn wir uns auf die falschen Kämpfe einlassen, bezahlen wir dafür mit den Reifen, und dann geraten wir strategisch ins Schwimmen. Entscheidend ist, dass wir früh im Rennen verstehen, welches Tempo wir nachhaltig gehen können."
Ein realistischer Pessimismus, der Zak Brown fremd ist. Zwar sagt auch er: "Wir haben jetzt ein gutes Momentum, aber wir müssen mit beiden Füßen auf dem Boden bleiben. Es ist erstmal nur ein Qualifying." Gleichzeitig hofft der leidenschaftliche Racer: "Es wäre schön, ein bisschen am Podium zu schnuppern!"
"Unsere Pace war am Freitag wirklich stark. Wir sind oft im Quali stark und fallen dann im Rennen ab. Ich habe aber ein gutes Gefühl, was unsere Rennpace betrifft", sagt Brown. "Ich glaube nicht, dass wir aus eigener Kraft gewinnen können. Max hat alle im Griff, und es stehen ein paar Autos hinter uns, die auch sehr schnell sind. Da müssen wir schon realistisch sein."