"Denkt noch einmal darüber nach": Norris bettelte um weiche Reifen
Lando Norris wollte bei seinem Boxenstopp unbedingt die weichen Reifen haben - War es die richtige Entscheidung des Teams, seinen Wunsch nicht zu erfüllen?
(Motorsport-Total.com) - "Ich glaube, sie wollten mir einfach eine etwas größere Herausforderung geben", witzelt Lando Norris nach dem Formel-1-Rennen in Silverstone. Gemeint ist die Entscheidung seines Teams, ihm bei seinem einzigen Boxenstopp harte statt weiche Reifen zu geben.
"Sie haben mich auf harte Reifen gesetzt. Ich weiß nicht, warum. In manchen Dingen sind sie noch Anfänger", grinst der Brite, der trotz der Entscheidung am Ende Zweiter wurde - oder vielleicht sogar wegen der Entscheidung? Denn ganz so klar war der Fall nicht.
Als Kevin Magnussen in Runde 33 zunächst ein virtuelles und später ein echtes Safety-Car auslöste, nutzten das mehrere Piloten für ihren einzigen Boxenstopp des Tages. Neben Norris waren das zum Beispiel auch Max Verstappen und Lewis Hamilton.
Wichtig dabei: Gestartet waren alle drei Piloten auf den Mediums und neue Soft-Reifen hatte keiner mehr. Doch während McLaren Norris beim Service auf neue harte Reifen setzte, entschieden sich Red Bull und Mercedes jeweils für einen Satz gebrauchte Softs.
"Ich wollte die Softs. Ich hatte den Eindruck, dass es mehr Sinn ergab, besonders mit dem Safety-Car", erklärt Norris nach Rennende. Und in der Tat ist am Funk des Briten zu hören, dass er die Entscheidung seines Teams während des Rennens gleich mehrfach hinterfragte.
Reifenwahl: Norris wollte Team umstimmen
Kurz nach dem Beginn der VSC-Phase fragt er zum ersten Mal beim Team nach: "Seid ihr noch immer überzeugt von eurer Entscheidung?" Daraufhin bestätigt ihm sein Renningenieur, dass man beim Boxenstopp auf harte Reifen wechseln wird.
Kurz vor seinem Stopp funkt Norris noch einmal: "Denkt noch einmal darüber nach. Bitte!" Doch das Team lässt sich nicht von der Entscheidung abbringen, und als Norris kurz danach bereits in der Boxengasse ist, funkt man noch einmal, dass er harte Reifen bekommen wird.
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Abgehakt ist das Thema für Norris damit aber noch nicht. Hinter dem Safety-Car, das inzwischen auf der Strecke ist, möchte er wissen: "Welche Reifen hat der Mercedes?" Das Team informiert ihn: "Hamilton hinter dir hat auf einen gebrauchten Soft gewechselt."
Norris kommentiert das sarkastisch am Funk: "Großartig ..." Doch letztendlich letztendlich geht der Plan auf, denn obwohl Hamilton zunächst Druck auf Norris machen kann, als das Rennen wieder freigegeben ist, kommt der Rekordweltmeister nicht am McLaren vorbei.
Norris dachte, dass Hamilton neue Reifen hat
Gegen Rennende muss er dann sogar abreißen lassen und kann keine weitere Attacke setzen, weil die Soft-Reifen inzwischen abgebaut haben. Im Ziel liegt Norris knapp drei Sekunden vor Hamilton und erklärt versöhnlich: "Ich bin Zweiter, also ist alles gut."
In der Pressekonferenz nach dem Rennen verrät der Brite zudem, dass es ein Missverständnis mit dem Team gab. Er habe nämlich gedacht, dass Verstappen und Hamilton auf neuen Softs fuhren. Tatsächlich waren die beiden aber auf gebrauchten Reifen unterwegs.
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Trotzdem sei es "schwierig", darauf zu antworten, ob die Reifenwahl rückblickend richtig gewesen sei. "Es war nicht wirklich das, was ich wollte. Aber es hat trotzdem funktioniert", sagt er und erklärt, man habe sich damit selbst unnötig Druck gemacht.
"Am Ende hat es funktioniert. Es gab also keine falsche oder richtige Entscheidung. Aber es hätte mein Leben einfach viel leichter gemacht, wenn ich auf dem Soft gewesen wäre", erklärt er gegenüber 'Sky' und kündigt an: "Wir werden darüber sprechen."
Auch Piastri hätte lieber Soft gehabt
Bei Teamkollege Oscar Piastri war die Situation eine etwas andere, weil dieser bereits kurz vor dem Safety-Car zum Boxenstopp gab - und ebenfalls die harten Reifen bekam. "Ich denke schon", antwortet er auf die Frage, ob er mit den weichen Reifen am Ende noch Dritter geworden wäre.
Gleichzeitig stellt er aber auch klar: "Ich glaube nicht, dass es eine Situation gab, in der wir sie realistischerweise aufgezogen hätten." Denn am Ende seines ersten Stints auf dem Medium habe er ein wenig mit den Reifen zu kämpfen gehabt.
"Wir hatten einen ordentlichen Abstand hinter uns. Wir standen überhaupt nicht unter Druck. Es ergab Sinn, auf die harten Reifen zu wechseln. Wir hatten leider keine Kristallkugel, dass drei Runden später ein Safety-Car kommen würde", so Piastri.
Denn durch die Neutralisierung kam Hamilton an ihm vorbei und schnappte sich den letzten Podestplatz. Obwohl Piastri für die Schlussphase ebenfalls lieber die Softs gehabt hätte, erklärt er, dass man im Moment der Entscheidung nichts falsch gemacht habe.
Red Bull widerspricht: Soft war nicht die richtige Wahl
Helmut Marko von Red Bull glaubt im umgekehrten Fall übrigens, dass der weiche Reifen die falsche Entscheidung war. "Wir hatten einen soliden Vorsprung von neun Sekunden rausgefahren. Das hat das Safety-Car weggenommen", erklärt er im 'ORF'.
"Im Nachhinein betrachtet war es ein Risiko, [beim Boxenstopp] den Soft zu nehmen. Bei Max und auch bei Hamilton haben zum Schluss die Reifen ziemlich abgebaut. Wir waren froh, als das Rennen zu Ende war", gesteht der Marko, der erklärt, viel länger hätte das Rennen nicht mehr gehen dürfen.
"[Norris] hätte vielleicht drei bis fünf Runden mehr gebraucht, dann wäre sein Reifenvorteil voll tragend geworden", glaubt Marko und stellt klar: "Zum Schluss hätten wir diese Reifen nicht mehr fordern können." Hätte Norris also noch einmal Druck gemacht, wäre es für Verstappen eng geworden.
Denn Norris sei schon in den letzten Runden "immer zwei, drei, vier Zehntel schneller gewesen als wir", so Marko. Eine Beobachtung, die allerdings nicht ganz korrekt ist, denn in der Schlussphase war mal Verstappen und mal Norris schneller. Im Ziel trennten die beiden schließlich rund 3,8 Sekunden.
Mercedes: Soft hätte uns einen Vorteil geben sollen
Teamchef Christian Horner erklärt den Beweggrund der Entscheidung bei 'Sky' so: "Wir haben gesehen, dass George [Russell] einen wirklich guten [ersten] Stint auf dem Soft hatte und dachten: Wenn er fast die Hälfte des Rennens auf dem Soft fahren kann, sollte es für die letzten 14 [Runden] in Ordnung sein, besonders beim Restart."
Auch Sieger Verstappen selbst erklärt, dass sich die Reifenwahl im ersten Moment zwar richtig angefühlt habe. Er habe dann aber nach einigen Runden gemerkt, dass das vielleicht doch nicht der Fall sei. "[Der Soft] war beim Fahren nicht besonders schön", berichtet er.
Toto Wolff glaubt derweil nicht, dass die Reifen für Mercedes unter dem Strich überhaupt einen Unterschied gemacht haben. Er habe geglaubt, "dass wir die beiden McLaren auffressen mit den weichen Reifen und Zweiter und Dritter werden, uns vielleicht sogar nach vorne orientieren können."
"Aber die Pace hatten wir nicht gegen den McLaren", stellt der Mercedes-Teamchef klar und erklärt: "Die hatten den harten Reifen und wir den weichen. Das ist normalerweise eine Sekunde zu unseren Gunsten. Aber wir haben es trotzdem nicht gepackt."