Toto Wolff über Lance Stroll: "Der muss Autofahren können!"
Nach teilweise harscher Kritik ist Lance Stroll in Spielberg ein Befreiungsschlag gelungen, der selbst Mercedes-Teamchef Toto Wolff nicht entgangen ist
(Motorsport-Total.com) - Für Lance Stroll war der vierte Platz im F1-Sprint in Spielberg ein Befreiungsschlag. Nachdem ihn zuletzt Experten wie Ralf Schumacher angezählt hatten ("Wenn er so weitermacht, wird der Vater nicht umhinkommen, sich Gedanken machen zu müssen"), muss es dem 24-jährigen Kanadier runtergegangen sein wie Öl, das Samstagsrennen 0,4 Sekunden vor Fernando Alonso beendet zu haben.
"Das tut sehr gut, denn er war in letzter Zeit viel Kritik ausgesetzt", sagt Aston-Martin-Teamchef Mike Krack. "Und ich bin sehr froh, dass er heute beweisen konnte, dass die nicht gerechtfertigt war."
Was übrigens Schwerarbeit war. Während andere von Intermediates auf Slicks wechselten, als die Strecke abtrocknete, fuhr Aston Martin mit Intermediates durch. Am Ende drängelte Nico Hülkenberg noch von hinten, doch den reifenbedingt viel schnelleren Haas konnten Stroll und Alonso knapp hinter sich lassen.
Stroll wurde von seinem Renningenieur mehrmals in strengem Ton aufgefordert, er möge mehr Augenmerk darauf legen, die Reifen zu schonen. Als er dann durch war, noch dazu vor Alonso, fiel Stroll ein Stein vom Herzen: "Die Reifen haben am Ende geschrien. Diese Schlappen sind hinüber", plärrte er am Funk.
Boxenfunk: Keine Stallorder pro Stroll
Bereits während des Rennens hatte er sich vom Kommandostand eine Stallorder gewünscht: "Sagt Fernando, wir sollten nicht zu viel Zeit verlieren, indem wir kämpfen." Ein Wunsch, der keinen expliziten Funkspruch an Alonso nach sich zog. Dass es in so einer Situation einen Nichtangriffspakt geben würde, war schon vor dem Start abgesprochen.
So musste man Alonso gar nicht sagen, dass er Stroll nicht angreifen soll. Stattdessen gab es nur einen simplen Hinweis, er möge auf seine Reifen achten. Bei der Zieldurchfahrt wurde Alonso für seine Kooperation indirekt gelobt: "Wir haben drei Punkte auf Ferrari gutgemacht und acht auf Mercedes. Gute Arbeit!"
Für Stroll, vom siebten Startplatz losgefahren, war es "ein starkes Rennen. Ich war besonders mit meiner ersten Runde zufrieden. Als die Strecke abtrocknete, lag der Fokus darauf, die Reifen zu managen. Das Team hat das gut eingeschätzt und die richtige Entscheidung getroffen. Vierter und Fünfter ist ein gutes Ergebnis für uns."
Wie sehr beschäftigt sich Stroll mit der Kritik?
Eins, das für ihn persönlich dringend nötig war, um dem Druck von außen entgegenzuwirken. Vor dem F1-Sprint in Spielberg hatte Stroll erst ein Rennen vor Alonso beendet, und zwar in Barcelona. Dort hätte Alonso vermutlich schneller als er fahren können, verzichtete aber unter ähnlichen Umständen wie am Samstag in Spielberg auf eine Attacke gegen den eigenen Teamkollegen. (Statistik: Zu den Formel-1-Teamduellen 2022!)
Sorgen, dass die Kritik von außen Stroll zermürben könnte, hatte Krack aber angeblich nie: "Weil wir jeden Tag mit unseren Fahrern zusammenarbeiten. Wir wissen, ob es ein Problem mit dem Auto oder der Strategie gab. Es gab nie einen Punkt, an dem wir an Lance gezweifelt haben. Und ich denke, das hat er heute bewiesen."
Das klingt ein bisschen nach PR-Sprech. Denn selbst wenn die Teams jungen Rennfahrern gut zureden und versuchen, sie von kritischen Medienberichten abzuschirmen, geht es manchen doch nahe, wenn sie ihr Smartphone zur Hand nehmen und auf den einschlägigen Plattformen harsche Kritik an sich selbst lesen müssen.
Krack räumt ein: "Das kann schon schwierig sein. Ich habe nicht mit Lance darüber gesprochen, ob er jeden Artikel liest. Aber das zeigt, was für ein Kämpfer er ist. Es wäre ein Leichtes gewesen, einfach hinzuschmeißen und aufzugeben, aber er stellt sich dem und kämpft. Ich freue mich wirklich für ihn, dass er dieses Wochenende so gut performt."
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Was übrigens auch anderen Teamchefs auffällt. Mercedes-Teamchef Toto Wolff etwa entgegnet auf die Frage, ab wann Lawrence Stroll damit anfangen muss, nicht mehr in erster Linie der Vater seines Sohnes zu sein und diesen zu schützen, sondern an die Interessen von Aston Martin zu denken: "Der Sohn hat heute Fernando geschlagen!"
"Der muss Autofahren können", ist sich Wolff sicher. Das Argument, dass Spielberg im Saisonverlauf eher die Ausnahme als die Regel sei, lässt er nicht gelten, um Stroll jun. grundsätzlich in Frage zu stellen, denn: "Auch wenn es nur ein Ausreißer sein mag, aber das heißt ja, dass dieses Talent da irgendwo verborgen ist."