Russell rasselt in die Wand: "Fehler bestraft - so soll es sein!"
George Russell knallt beim Kanada-Grand-Prix mit dem Mercedes in die Mauer - Zunächst sah es nach einer unglaublichen Rettungsmission aus, dann war Feierabend
(Motorsport-Total.com) - Selbst George Russell glaubte nicht, dass er noch würde weiterfahren können: "Ehrlich gesagt war ich ziemlich überrascht, dass ich noch weiterfahren konnte." Lange Zeit sah es sogar nach Punkten für den Mercedes-Piloten beim Kanada-Grand-Prix 2023 aus, doch dann versagte die Bremse und er musste seinen Boliden abstellen.
Was war passiert, als er in der zwölften Runde an vierter Stelle liegend hinter Fernando Alonso ausgangs Kurve 9 in die Mauer krachte? "Ich bin in Kurve 8 einfach etwas zu weit geraten", erklärt der Formel-2-Champion von 2018.
"Ich wusste, dass ich den Randstein berühren würde, aber mit so einer heftigen Reaktion habe ich nicht gerechnet. Im nächsten Moment war ich in der Luft. Bei der Landung habe ich das Heck verloren und bin in die Mauer gekracht. Es kam alles so plötzlich."
Er dachte daran, das Auto abzustellen, entschied sich dann aber dagegen: "Ich war ehrlich gesagt ziemlich überrascht, dass ich weiterfahren konnte. Aus Silverstone habe ich gelernt, nicht zu früh aufzugeben. Natürlich ist das eine bittere Pille, die man schlucken muss. Aber so sollte Sport sein. Ein kleiner Fehler und du wirst bestraft."
Mercedes-Sportchef Toto Wolff, selbst ehemaliger Rennfahrer, erklärt den Fehler bei 'Sky' und 'ServusTV' genauer: "Er hat hart gepusht. Dann ist er über den Randstein gefahren und hat gedacht: 'Ich nehme die Kurve trotzdem so, wie ich sie vorher genommen habe', und das hat nicht geklappt. Rennfahrer eben. Ich glaube, er wäre schon um die Kurve gekommen, aber er hat stehen gelassen."
Dass Russell nicht vom Gas ging, war Wolffs Meinung nach der Auslöser für den heftigen Sprung: "Er hat es halt richtig reingedrückt und ist dann auf den Randstein gefahren. Ich glaube, da hätte er es noch retten können, aber er wollte das Heck nicht ganz aufgeben und ist auf dem Gas geblieben. Dann hat er es am Kurvenausgang verloren."
Nach dem Boxenstopp ging das Rennen weiter. Russell arbeitete sich von Platz 19 wieder auf Rang acht nach vorne und lag damit direkt hinter Alex Albon, der auf P7 das Mittelfeld anführte. Für einen Angriff reichte es mit dem angeschlagenen Auto aber nicht mehr.
"Es fühlte sich nicht hundertprozentig perfekt an, aber zum Fahren war es gut genug. Ich glaube, die hintere Spur war etwas verstellt. Wir hätten Achter werden können, aber wir steckten im Verkehr fest und hatten vor dem Rennen nicht damit gerechnet, in dieser Position zu landen."
Bremse wegen Überhitzung oxidiert
Und genau das war der eigentliche Grund für den Ausfall: "Ich muss das noch mit dem Team klären, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es einfach daran lag, dass ich so viel Verkehr hatte. Das war nicht geplant und die Bremsen waren dafür nicht ausgelegt.
Andrew Shovlin, leitender Renningenieur bei Mercedes, schildert es so: "Sein Rennen war wegen eines Problems mit der Vorderradbremse vorzeitig beendet. Das war keine direkte Folge des Zwischenfalls, sondern lag am Verkehr, mit dem er konfrontiert war, als er sich durch das Feld zurückkämpfte."
Aufgrund der hohen Temperaturen begann die Carbon-Bremsscheibe vorne links zu oxidieren. Russell erhielt nach eigenen Angaben "ziemlich früh" die Anweisung, die Bremsen zu schonen. Doch auch das half nicht.
"Das Problem ist einfach, dass sich die Bremsen nach Überschreiten einer bestimmten Oxidationsschwelle nicht mehr erholen können. Dann spielt es keine Rolle mehr, wie sehr man sie schont. Sie kommen einfach von diesem Niveau nicht mehr runter", so der 25-Jährige.
Update zieht - aber mehr bei Hamilton?
Insgesamt ist der Aufwärtstrend bei Mercedes ungebrochen. Lewis Hamilton fuhr als Dritter erneut aufs Podium und hatte weniger als 15 Sekunden Rückstand auf Rennsieger Max Verstappen - so wenig wie noch nie in dieser Saison bei einem regulären Zieleinlauf ohne Safety-Car am Ende.
Auch Russell freut sich über die Fortschritte: "Ich denke, das ist ein gutes Zeichen für die Zukunft. Barcelona und hier sind zwei sehr unterschiedliche Strecken." Und auf diesen war Mercedes konkurrenzfähig. "Aber natürlich wollen wir als Team mehr als nur Zweitschnellste sein. Wir müssen die Lücke zu Red Bull schließen. Doch es zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind."
Dennoch bleibt der subjektive Eindruck, dass Hamilton mit dem Update besser zurechtkommt als Russell. Wolff spielt das herunter: "Ich glaube, solche Schwankungen hatten wir auch im vergangenen Jahr. Mal ist der eine stärker, mal der andere. Das wird sich einpendeln."