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Hamilton findet's cool, alle anderen störend: Braucht es die Miami-Show?
Die ausschweifende Zeremonie vor dem Rennen in Miami war den meisten Formel-1-Fahrern ein Dorn im Auge - Nur Lewis Hamilton hatte nichts zu meckern
(Motorsport-Total.com) - War die Einzugszeremonie vor dem Formel-1-Rennen in Miami eine gute Idee oder nicht? Daran scheiden sich nach dem ersten US-Rennen der Saison 2023 die Geister. Für die Fans auf den Tribünen dürfte die Vorstellung der einzelnen Fahrer durchaus einen Mehrwert geboten haben, doch fragt man die Fahrer, dann hoffen sie mehrheitlich, dass das eine einmalige Angelegenheit bleibt.
© Motorsport Images
So richtig gefallen hat Lando Norris die Zeremonie vor dem Rennen nicht Zoom Download
"Wir Fahrer haben am Freitag darüber gesprochen", sagt Mercedes-Pilot George Russell, der die Piloten als Vorsitzender der Fahrervereinigung GPDA vertritt. "Ich schätze, das ist der amerikanische Weg im Sport. Für mich persönlich ist es aber nichts", sagt er. "Ich bin hier, um Rennen zu fahren. Ich bin nicht für die Show hier."
Russell ist ein Fan der Nationalhymne, die 15 Minuten vor dem Rennen gespielt wird. "Das bringt dich in Stimmung und ist in gewisser Weise respektvoll vor dem Land, in dem wir fahren. Über die zusätzliche Show habe ich aber gemischte Gefühle."
In Miami wurden vor der Hymne alle 20 Formel-1-Fahrer einzeln durch Rapper LL Cool J vorgestellt - und zwar in umgekehrter WM-Reihenfolge. Untermalt wurde das Ganze von Künstler will.i.am und seinem neuen Formel-1-Song "Formula", der von einem Orchester vorgetragen wurde.
"Es war gar nicht so schlimm", sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff und scherzt: "Ich denke, wir sollten die Fahrer zwingen, ein bisschen zu tanzen. Und für die Choreographie bekommt man dann einen Punkt."
"Wir müssen ein paar Dinge ausprobieren. Jeder gibt sein Bestes, und es ist aufregend, die Fahrer einzeln rauskommen zu sehen", so das Urteil des Österreichers. "Ich denke nicht, dass es in einer Weise gemacht wurde, dass es wie Comedy aussah."
Der Meinung waren aber nicht alle: Vor allem bei Fans in Europa waren viele Kommentare zu vernehmen, die von der Show nicht viel gehalten haben - auch weil LL Cool J die (teilweise recht platten) Aufsager zu den Fahrern nur abgelesen hatte. Doch so eine Show ist in Europa im Gegensatz zu den USA auch nicht üblich.
Miami verteidigt Show-Aspekte
Die Verantwortlichen in Miami waren hingegen begeistert von der Idee: "Letztendlich ist es eine Show", sagt Sprecher Tom Garfinkel und vergleicht die Kritik mit der anfänglichen Skepsis über die Netflix-Serie Drive to Survive.
"Ich denke, es gab eine Menge Leute in der Formel 1, die wahrscheinlich nicht glücklich über die Netflix-Serie waren, als sie zum ersten Mal angekündigt wurde", sagt er. Am Ende hatte sie aber einen positiven Effekt auf dem Sport und gehört mittlerweile dazu.
Ähnlich war es mit Miami, das neben der Show auch einige Kritik für Dinge wie den Fake-Jachthafen abbekam. Doch Garfinkel betont: "Als wir darüber sprachen, ein Rennen in Miami zu veranstalten, gab es einige Diskussionen mit der Formel 1 darüber, dass sie mehr Unterhaltung und mehr Prunk und solche Dinge haben wollten. Das ist es, was wir zu bieten versuchen."
Norris klar dagegen: Keiner mag es!
Die Fahrer selbst stehen der neuen Zeremonie aber eher kritisch gegenüber. Vor allem McLarens Lando Norris äußert sich ziemlich deutlich dazu: "Keiner der Fahrer mag es, aber am Ende liegt das nicht in unseren Händen."
Für den Engländer war die Pre-Race-Show in Miami einfach zu viel des Guten: "Wir machen so viele Dinge und sind vermutlich der einzige Sport, der so nah an den Fans ist", sagt er. "Wir machen so viel Publicity für die Fans, aber wir Fahrer wollen uns einfach nur hinsetzen und darauf fokussieren, worauf wir uns fokussieren müssen. Wir wollen nicht so viel TV und so machen."
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Doch Norris weiß auch, dass Interviews vor dem Rennen dazugehören: "Am Ende des Tages ist es ein Geschäft, von daher müssen wir das machen. Aber wenn wir mehr und mehr solche Dinge hinzufügen, das mag kein Fahrer", stellt er klar.
Das habe man den Verantwortlichen auch so gesagt: "Wir machen so viel, und es gibt einfach eine Grenze, wie viel wir machen sollten. Wir sind immer noch hier, um uns auf unseren Job zu fokussieren, und nicht, um den ganzen Tag vor der Kamera zu stehen", sagt er.
Hamilton lobt Miami-Show: "Ich fand das cool!"
Ganz anders ist die Meinung von Lewis Hamilton, der die Zeremonie "großartig" fand: "Ich finde es cool, dass der Sport stetig wächst und nicht immer die gleichen Dinge wie früher macht", sagt der Mercedes-Pilot. "Sie probieren neue Dinge aus und versuchen die Show zu verbessern - und ich unterstütze das vollkommen."
"Ich bin mit der Musik von LL Cool J aufgewachsen, und dass er hier war, war cool. Und dann schaut man rüber und sieht will.i.am, der einfach ein unglaublicher Künstler ist. Und dann stehen auch Serena und Venus [Williams] da. Ich fand es cool", so der siebenmalige Weltmeister, das LL Cool J als einziger auch richtig freundschaftlich begrüßte hatte.
"Ich finde es für die Fans schön, dass wir mal auf andere Weise vorgestellt wurden, von daher bin ich nicht dagegen", sagt auch Charles Leclerc, allerdings hatte er dennoch einige Kritikpunkte an der Zeremonie. Vor allem das Timing störte den Ferrari-Piloten: "Das hätten sie etwas besser organisieren können", findet er.
Event stört die Vorbereitung
Denn die Vorstellung fand direkt vor der Hymne statt - zu einer Zeit, in der sich die Fahrer bereits intensiv auf das Rennen konzentrieren und noch einmal mit ihren Ingenieuren wichtige Dinge besprechen.
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"Das stört schon", findet Russell, zumal die Fahrer dadurch schon eine halbe Stunde vor dem Rennen in voller Montur in der Sonne stehen mussten. "Ich glaube, es gibt keinen anderen Sport auf der Welt, wo du 30 Minuten vor deiner Arbeit hier in der Sonne stehen musst, alle Kameras auf dich gerichtet sind und du eine Show abziehen musst", sagt der Engländer.
"Ich kann das in der Entertainment-Welt schon wertschätzen. Wir wollen nur das Beste für den Sport und sind offen für Änderungen. Aber an jedem Wochenende wollen wir das auch nicht sehen."
Verstappen: Okay, aber bitte nicht überall!
Weltmeister Max Verstappen hatte kein Problem mit seinem Ablauf: "Um ehrlich zu sein, hatte ich im Vorfeld genügend Vorbereitung und auch ausreichend mit meinen Ingenieuren gesprochen", so der Red-Bull-Pilot.
Trotzdem ist er ebenfalls kein Freund der Zeremonie, das allerdings eher aus Persönlichkeitsgründen: "Manche mögen es, im Rampenlicht zu stehen, und andere nicht. Ich persönlich mag das nicht", sagt er. "Für mich ist es daher natürlich nicht notwendig. Ich spreche lieber mit meinen Ingenieuren, gehe zu meinem Auto, setze den Helm auf und fahre."
"Aber natürlich verstehe ich den Entertainment-Wert", so Verstappen. "Ich hoffe einfach, dass wir das nicht jedes Mal haben, weil die Saison ziemlich lang ist und wir so eine Vorstellung nicht jedes Mal brauchen. Aber es kommt auch auf die Zuschauer an."
Alonso: Dann müssen wir Paraderunde streichen!
Bei dem Argument würde Fernando Alonso aber widersprechen: "Wenn wir es machen, dann müssen wir es überall machen", sagt der Spanier. "Denn ich finde nicht, dass die Fans in Miami besser als die italienischen Fans in Imola oder die Fans in Spanien, Mexiko oder Japan sind. Wir brauchen überall die gleichen Regeln und die gleiche Show vor dem Rennen."
Sollte es dabei öfters zu einer solchen Fahrervorstellung kommen, fordert der Aston-Martin-Pilot aber einen Kompromiss: "Wenn wir es machen müssen, dann müssen wir andere Dinge streichen wie die Paraderunde, weil es einfach mitten in der Vorbereitung mit den Ingenieuren und dem Strategiemeeting ist", sagt er.
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AlphaTauris Nyck de Vries ist ebenfalls zwiegespalten: "Ich finde es gut, wenn sie den Sport weiterhin entwickeln und auf Bereiche schauen, um es unterhaltsamer zu machen", sagt er. Trotzdem sieht er eher andere Baustellen: "Am Ende ist die Show auf der Strecke das Wichtigste. Und ich denke, das Rennen heute war ziemlich öde."
Des Arguments sind sich auch die Verantwortlichen in Miami bewusst: "Letztendlich ist der Wettbewerb zwischen den Autos und den Fahrern auf der Strecke während des Rennens das Wichtigste", stellt Garfinkel klar, verteidigt aber die Show: "Was davor passiert, wenn wir die Leute unterhalten und etwas Prunk und Aufregung erzeugen können, ist meiner Meinung nach eine gute Sache."