Miami-Asphalt: Warum es neben der Spur so rutschig ist
Weshalb beim Miami-Grand-Prix 2023 nur die Ideallinie guten Grip bietet und das Fahren abseits davon die Unfallgefahr bei der Formel 1 beträchtlich erhöht
(Motorsport-Total.com) - Die Fahrer schimpfen schon seit Freitag über zu wenig Grip auf dem Miami International Autodrome, zahlreiche Abflüge unterstreichen die Schwierigkeit, die Fahrzeuge unter Kontrolle zu behalten. Warum aber ist das in Miami ausgeprägter als anderswo im Kalender der Formel-1-Saison 2023?
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Lewis Hamilton verbremst sich im Mercedes W14 beim Formel-1-Qualifying in Miami 2023 Zoom Download
Der Hauptgrund für dieses Szenario ist der frisch verlegte Asphalt auf der Rennstrecke. Denn vor dem diesjährigen Miami-Grand-Prix haben die Veranstalter den kompletten Kurs mit neuem Belag versehen.
Einzig der gewünschte Effekt ist ausgeblieben. Mercedes-Fahrer George Russell etwa fällt ein vernichtendes Urteil: "Für mich ist es keine Verbesserung zum Vorjahr. Auf der Linie hast du guten Grip, aber sobald du nur mit einem Rad neben der Linie bist, hast du gar keinen Grip mehr. Überholen wird also richtig schwierig."
Russell beschreibt eigentlich ein typisches Stadtkurs-Problem: Die Fahrbahn wird sonst nicht für Rennsport-Veranstaltungen genutzt und bietet deshalb wenig Grip.
In Miami kommt aber erschwerend hinzu, dass der neue Asphalt noch einen schmierigen Ölfilm abgibt, der die Fahrbahn umso rutschiger macht. Und: Miami hat im Gegensatz zum vergangenen Jahr darauf verzichtet, die Strecke künstlich altern zu lassen, weshalb der Schmier-Effekt beim Rennwochenende 2023 besonders stark zum Tragen kommt.
Wie man eine Strecke künstlich altern lässt
Aber wie lässt man eine Rennstrecke künstlich altern? Pirelli-Sportchef Mario Isola erklärt dazu: "In der jüngeren Vergangenheit hat man nach dem Auftragen einer neuen Asphaltschicht immer auch eine Hochdruck-Reinigung mit Wasser durchgeführt. Das Wasser wäscht die oberste Asphaltschicht ab."
Sprich: Die schmierige Schicht ganz oben wird entfernt, es werden die kleinen Steinchen im Asphalt freigelegt. "Und darauf hast du einen besseren Grip", erklärt Isola.
"Genau das hat man in Miami dieses Jahr nicht gemacht. Die Strecke ist nur abgewaschen worden, aber mit zu wenig Druck."
So erklärt Miami sein Vorgehen für 2023
Das sei eine Reaktion auf die Maßnahmen, die im vergangenen Jahr getroffen worden waren, sagt Tom Garfinkel als Sprecher der Miami-Organisatoren. Er meint: "Vergangenes Jahr haben wir vermutlich zu viel abgewaschen, und das war Teil des Problems. Deshalb haben wir dieses Mal mit Bürsten gearbeitet."
Dass neben der Formel 1 nur eine Porsche-Rennserie im Rahmenprogramm auftritt, sei "vielleicht auch ein Faktor", räumt Garfinkel ein. "Da kommt zu wenig Gummi auf die Strecke. Und ich habe schon gewitzelt, die Fahrer sollten im Training mal neben der Linie fahren, um da ebenfalls Gummi zu legen."
Grundsätzlich sei das Miami Autodrome "eine grüne Strecke", sagt Garfinkel weiter. "Man sieht, wie sehr sie sich vom Training bis hin zum Qualifying verändert hat. Der Kurs wurde deutlich schneller. Das wird auch im Rennen passieren. Insgesamt, finde ich, ist die Strecke dieses Jahr deutlich sauberer als vergangenes Jahr."
Zwischenfazit von Fahrern und Pirelli fällt gemischt aus
Russell widerspricht: "Vergangenes Jahr war man in Miami zu aggressiv mit dem Reinigen und das Ergebnis war nicht berauschend. Jetzt ist das Gegenteil passiert und das Resultat ist genau gleich."
Pirelli-Sportchef Isola erkennt immerhin einen "um zehn Prozent besseren Grip" im Vergleich zu 2022. "Aber: Die Fahrzeuge haben nur die Ideallinie saubergefahren. Dort hat der Grip zugenommen. Abseits davon nicht."
"Wenn du dich also außerhalb der Linie bewegst, bricht das Auto leicht aus und ist schwierig zu kontrollieren, weil der Grip nicht so sehr vorhanden ist. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb wir so viele Fahrfehler gesehen haben."
Nico Hülkenberg und Charles Leclerc sind zum Beispiel im Freitagstraining abgeflogen, Leclerc erneut im Qualifying. Darüber hinaus gab es noch viele kleinere Zwischenfälle, die ohne Bandenberührung endeten.
Und Russell findet: Andere Strecken sorgen für bessere Bedingungen. Man könne generell festhalten, dass Neuasphaltierungen in der Formel 1 "ausgesprochen gut" durchgeführt werden, so der Mercedes-Fahrer. "Melbourne, Dschidda, Baku - überall hast du wirklich guten Grip, auf und neben der Linie. Das ermöglicht gutes Racing und als Fahrer hast du da ein gutes Vertrauen." Anders als 2023 in Miami.