• 30. Oktober 2022 · 08:04 Uhr

Trotz Verstappens Topspeed: Beste Siegchance für Mercedes?

Volle Attacke in der ersten Kurve: Wie Mercedes seit dem Austin-Update in die Nähe von Red Bull gekommen ist und jetzt in Mexiko gewinnen kann

(Motorsport-Total.com) - Seit Lewis Hamilton im Dezember 2021 den Grand Prix von Saudi-Arabien gewonnen hat, wartet das erfolgsverwöhnte Team auf seinen 125. Sieg in der Formel 1. Beim Grand Prix von Mexiko 2022 könnte es endlich so weit sein. Im Rennen sei "alles drin", sagt Einsatzleiter Andrew Shovlin und begründet seine Hoffnung: "Unsere Longruns am Freitag haben gut ausgesehen. Und im Rennen sind wir in der Regel etwas besser als im Qualifying."

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Red Bull gegen Mercedes: Das scheint in Mexiko das Duell um den Sieg zu sein Zoom Download

Das wiederum war im Autodromo Hermanos Rodriguez gar nicht schlecht. George Russell fuhr bis zur letzten Zwischenzeit fast auf Augenhöhe mit Polesetter Max Verstappen und wurde nach seinem Fahrfehler in Kurve 12 mit 0,304 Sekunden Rückstand Zweiter. Lewis Hamilton war weitere fünf Tausendstelsekunden langsamer und geht als Dritter ins Rennen.

"Unsere Simulationen haben vorhergesagt, dass das unser bestes Rennen werden könnte", sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff. "Es ist gut, dass die virtuelle Welt mit der echten Welt korreliert. Dass wir die Pace haben, ist jetzt mal das Wichtigste. Und langsam, aber sicher entwickeln wir uns nach vorn und lernen dabei unsere Lektionen für nächstes Jahr."

Dass Russell die seiner Meinung nach mögliche Pole letztendlich doch nicht erobert hat, könnte am Sonntag laut Wolff sogar zum Vorteil werden: "Einerseits ärgert es mich, dass wir nicht auf Pole stehen. Andererseits hätten wir ein Problem bekommen, wenn wir Max mit seinem Topspeedvorteil am Start hinter uns gehabt hätten."

Topspeed: Hamilton fehlen nur 2,4 km/h

Die Topspeedmessung im Qualifying zeigt: Die beiden Red Bulls gehören mit je 350,8 km/h Spitze neben Haas und Williams zu den schnellsten Autos auf den Geraden. Hamilton wurde immerhin mit 348,4 km/h "geblitzt". Russell aber war mit 346,1 km/h nur 14. in der Rangliste.

Der Weg von der Startaufstellung bis in die erste Kurve ist in Mexiko relativ lang, der Windschatten dort traditionell ein Vorteil. "Uns fehlt im Vergleich zu Red Bull ein wenig der Topspeed auf der Geraden. Also kann es nicht schaden, dass beide direkt hinter Max starten", glaubt Shovlin.

"Kurve 1", nickt Hamilton, "könnte eine Chance für uns sein. Wir werden es jedenfalls probieren." Die Red Bulls seien aber, was den Topspeed betrifft, "schon das ganze Jahr enorm schnell. Wir haben da ein Defizit. Es wird schwierig, an ihnen vorbeizukommen. Aber wir werden unser Bestes in die Waagschale werfen."

Marko optimistisch: Sind auf Geraden stark genug

Während Wolff insgeheim schon davon träumt, "unsere beiden Nasen in Kurve 1 reinzustecken und dann davonzufahren" (was er, ganz der Realist, als "extrem schwierig" einschätzt), ist die Angst vor dem Start auf Red-Bull-Seite überschaubar: "Mit unserem Topspeed überholt man uns nicht so leicht", lächelt Motorsportkonsulent Helmut Marko im Interview mit 'Sky'.


Mexiko: Die Qualifying-Highlights in der Analyse

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"Ich stehe lieber auf Pole als irgendwo sonst", winkt auch Verstappen entspannt ab. "Natürlich hast du den Windschatten, wenn du Zweiter oder Dritter bist, aber mit unserem Topspeed wird es uns hoffentlich gelingen, die Führung durch Kurve 1 zu verteidigen. Ein guter Start ist schon wichtig. Das ist das Erste, worauf wir uns konzentrieren müssen."

Polesetter-Siegquote nur bei 33,3 Prozent

Rein statistisch gesehen spricht nicht viel für Verstappen. Sechsmal hat der Grand Prix von Mexiko seit der Rückkehr in den Formel-1-Kalender im Jahr 2015 stattgefunden, und nur bei den beiden ersten Auflagen, 2015 (Nico Rosberg) und 2016 (Hamilton), stand der Polesetter am Ende auch in der Mitte des Siegerpodests.

In den anderen vier Rennen gab es allerdings dreimal den gleichen Sieger. "Ich glaube, ich bin hier schon überall gestartet, nur nicht auf Pole. Und trotzdem haben wir die Rennen immer gewonnen", gibt sich Verstappen, Mexiko-Sieger von 2017, 2018 und 2021, selbstbewusst.

"Rein theoretisch wäre Startplatz 3 das Bessere", sagt Marko. "Dann hättest du einen Windschatten, wenn dein Start gelingt." Von der schlechten Polestatistik will er sich nicht beeindrucken lassen: "Da müssen wir jetzt optimistischer denken. Nochmals: Unser Topspeed ist so stark, dass wir auf den Geraden wieder rücküberholen können. Wir sind da optimistisch."

Der 79-Jährige hatte am Freitag noch prognostiziert, dass Mexiko ein Zweikampf zwischen Red Bull und Ferrari wird. Inzwischen erachtet er Mercedes als stärksten Gegner. Neben Verstappen auch Sergio Perez in den ersten zwei Reihen zu haben, sei ein Vorteil. Und: "Ich hoffe, dass die Ferraris im Rennen stärker sind, damit Mercedes vielleicht Druck von hinten kriegt."

Mercedes: Erster Saisonsieg soll endlich her

Mercedes möchte, glaubt Marko, 2022 "unbedingt noch ein Rennen gewinnen. Die haben jetzt diesen neuen Frontflügel adaptiert, der beim vergangenen Rennen in Austin nicht ganz dem Reglement entsprochen hat. Hier haben sie ihn eingesetzt. Die Strecke hat eine sehr lange Gerade. Überholen wird man uns da nicht leicht. Das ist natürlich ein Vorteil. Aber es wird eng."

"Vor allem, wenn der Reifenverschleiß bei Mercedes deutlich besser sein sollte. Aber da warten wir mal ab, wie sich die Temperaturen entwickeln. Außerdem haben wir Perez auch in Reichweite. Er ist übrigens das ganze Wochenende so knapp an Max dran wie lange nicht. Ich rechne auch mit ihm stark im Rennen, sodass es nicht beim Kampf Max gegen die zwei Mercedes bleiben sollte."

Dass Mercedes auf über 2.200 Metern Seehöhe so stark performt wie nie zuvor in der Saison 2022, zumindest im Qualifying, das kommt für Verstappen nicht überraschend: "Man muss sich nur die Saison anschauen. Immer dann, wenn du viel Downforce am Auto brauchst, sind sie ziemlich gut. Ich glaube, dass ihnen hier die dünnere Luft hilft."

Wolff: Mexiko war immer eins unserer Angstrennen

Das war nicht immer so: "Jahrelang haben wir uns hier wegen der Höhenlage schwergetan", erinnert Wolff. "Aber unsere Powerunit-Jungs haben uns einen superstarken Motor gegeben. Außerdem tut uns der hohe Luftwiderstand weniger weh, obwohl wir genauso steile Flügel fahren wie alle anderen. Immer, wenn das der Fall war, lief es ganz gut für uns."

Es war bisher ein Trend der Saison 2022, dass Mercedes im Qualifying oftmals hinterherfuhr, weil man die Reifen für eine schnelle Runde nicht rechtzeitig auf Temperatur bekam; dann aber im Rennen umso konkurrenzfähiger war, wenn es darum ging, die Reifen auf die Distanz zu konservieren.

"Unsere Longruns", berichtet Wolff, "waren gut. Die Red Bulls hatten aber auf der zweiten und dritten schnellen Runde eine ziemlich gute Pace, während da unsere Reifen schon ein bisschen abgebaut haben. Die ehrliche Antwort ist: Ich weiß nicht, ob uns das helfen wird. Ich hoffe aber stark, dass wir konkurrenzfähig sein können."

Russell: Erster Sieg im 80. Formel-1-Rennen?

Russell ist jedenfalls guter Dinge, dass es in seinem 80. Grand Prix endlich klappen könnte mit dem ersten Sieg: "Ich glaube, wir haben eine gute Chance. Dass Lewis und ich gemeinsam da vorn stehen, könnte uns ermöglichen, mit der Strategie was zu probieren. Denn keiner weiß, ob man einen oder zwei Stopps brauchen wird."

Die graue Theorie geht so: Selbst wenn Verstappen den Start gewinnen sollte, möchte Russell versuchen, sich im DRS-Abstand zu halten. Wenn's dann in Richtung erste Boxenstopps geht, könnte er auf einen "Undercut" setzen - auf den Verstappen vielleicht reagieren muss. Davon wiederum könnte Hamilton profitieren, wenn der viel länger draußen bleiben kann.

Ob es wirklich so kommt und ob diese Strategie aufgehen kann, das sei dahingestellt. Gerade Mexiko, nicht gerade ein Reifenkiller des Formel-1-Kalenders, war in der Vergangenheit auch schon mal ein "Overcut"-Rennen. Wenn die Reifen lang genug halten, kann auch ein Stopp genug sein, um den Grand Prix zu gewinnen.

Mercedes: Austin-Update bewährt sich

Fest steht, dass Mercedes mit dem Austin-Update einen Schritt nach vorn gemacht hat: "Wir können aus der Art und Weise, wie das Auto nach den jüngsten Updates funktioniert, Mut schöpfen", findet Shovlin. "In Austin waren wir nicht so nah dran, wie es phasenweise ausgesehen hat. Der Rückstand insbesondere auf Max war sicher noch da."

"Hier", fährt Shovlin fort, "sahen unsere Longruns ein bisschen besser aus. Aber wir müssen auf dem Boden bleiben und einen Schritt nach dem anderen machen. Wir versuchen immer noch, den erlösenden ersten Sieg zu holen, und arbeiten hart dafür. Dabei lernen wir Neues dazu. Und das ist auch im Hinblick auf nächstes Jahr sehr wichtig für uns."

Wird Ferrari zum unterschätzten Außenseiter?

Und Ferrari? Scheint nach P5 für Carlos Sainz und P7 für Charles Leclerc kein unmittelbarer Siegkandidat zu sein. Aber: "Diesmal ist es andersrum, was die Rennpace betrifft", sagt Sainz. "Diesmal ist unsere Rennpace nämlich sogar besser. Wenn wir viel Benzin im Tank haben, wird das Auto ruhiger. Sonst rutscht es die ganze Zeit."

"Insofern bin ich für das Rennen optimistischer", so der Spanier. "Nur das Überholen wird hier schwierig. Die Mercedes waren ziemlich schnell. Aber wenn ich im Qualifying eine saubere Runde mit meinen schnellsten Sektoren in einer Runde hinbekommen hätte, wäre das eine 18.0 gewesen. Und das, obwohl wir mit dem Auto einige Kompromisse eingehen mussten."

Eine Zeit von 1:18.0 Minuten hätte Sainz vielleicht in die erste, sicher aber in die zweite Startreihe katapultiert. Dabei ist Ferrari dieses Wochenende nicht in Topform. Die Höhenluft in Mexiko-Stadt, die dem Mercedes so entgegenkommt, scheint Gift zu sein für die Powerunit im Heck von Sainz und Leclerc.

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