Charles Leclerc: Werden die Reifen zum Problem für Ferrari?
Ein Schnitt im Reifen, ein kleiner Fehler in der letzten Kurve: Charles Leclerc hakt den Samstag ab und hofft, den Schaden im Kampf um P2 in der WM zu minimieren
(Motorsport-Total.com) - Einen Punkt muss Charles Leclerc auf Sergio Perez aufholen, um die Formel-1-Saison 2022 doch noch als Vizeweltmeister zu beenden. Der Grand Prix der USA in Austin, Texas, könnte diesbezüglich allerdings ein schwieriges Pflaster sein, denn sein Ferrari-Team rechnet nach einem guten Qualifying nicht zuletzt aufgrund des hohen Reifenverschleißes mit einem sehr herausfordernden Rennsonntag.
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Charles Leclerc muss sich im Rennen in Austin erst durchs Feld kämpfen Zoom Download
Leclerc wird voraussichtlich als Zwölfter ins Rennen gehen. Am Samstag wurde offiziell, dass er einen neuen Verbrennungsmotor und einen neuen Turbolader braucht, was in der Startaufstellung eine Rückversetzung um zehn Positionen bedeutet. Perez kassiert zwar auch eine Strafe, steht aber laut dem inoffiziellen FIA-Vorschau-Grid immerhin auf Platz 9.
"Wir wussten schon vor diesem Wochenende, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Strafe hoch ist", sagt Ferrari-Rennleiter Laurent Mekies. "Wir waren dieses Jahr schon ein paar Mal in dieser Situation. Daher wissen wir, dass noch die Chance besteht, gute Punkte zu holen. Es ist, wie es ist. Wir werden versuchen, uns nach vorn zu kämpfen. Vielleicht gibt's ja ein Safety-Car."
Im Qualifying war die "Poleposition" für Leclerc durchaus in Reichweite. Nach dem ersten Q3-Run lag er 0,159 Sekunden vor Carlos Sainz. Also musste die letzte Runde die Entscheidung bringen, und die wurde zum Kopf-an-Kopf-Duell: Im ersten Sektor war Leclerc um 0,020 Sekunden schneller, im zweiten Sainz um 0,013 Sekunden.
Wo Leclerc die Pole verloren hat
Hinten raus behielt Sainz aber die Nerven: Während Max Verstappen die mögliche Pole nach Zwischenbestzeit mit einem kleinen Fehler in Kurve 19 wegwarf, blieb auch Leclerc nicht fehlerfrei und büßte in den letzten 30 Fahrsekunden 0,072 Sekunden auf seinen Teamkollegen ein. Am Ende waren die beiden durch 0,065 Sekunden getrennt.
Leclerc trauert der Bestzeit nicht hinterher: "Meine letzte Runde war nicht die beste. Und wenn die Abstände so gering sind, kannst du die Zeit immer irgendwo finden", sagt er zwar, aber: "Carlos hat heute den besseren Job gemacht und verdient es, auf Pole zu stehen. Und es waren mit dem wechselnden Wind sehr schwierige Bedingungen."
Verloren hat Leclerc die entscheidenden Hundertstelsekunden auf den allerletzten Metern. Wie viele andere Fahrer baute der weiche Pirelli-Reifen hinten raus leicht ab, was zu einem Übersteuern führte: "Eigentlich mag ich es, wenn das Heck ein bisschen lose ist. In der letzten Kurve war es aber zu lose. Da habe ich ganz schön viel Zeit verloren."
Vorschau auf das Rennen: Problem Reifen?
Das Rennen könnte sich für Ferrari schwieriger gestalten als das Qualifying. Es ist kein Geheimnis, dass der F1-75 die Reifen zwar schnell auf Temperatur bringt, was für eine schnelle Runde von Vorteil ist; dann aber auch hart rannimmt, was sich auf die Renndistanz gesehen negativ auswirken könnte.
Mekies bestätigt: "Die Wahrheit ist: Teil unserer Stärke, die Reifen zum Arbeiten zu kriegen und gleich in der ersten gezeiteten Runde so zu performen, ist manchmal auch, dass wir dafür im Rennen einen Preis zahlen. Wenn die Reifen gebraucht sind, scheinen unsere Schwächen stärker durch."
Während Pirelli ein bis zwei Boxenstopps für möglich hält, geht man bei Ferrari von einem Zweistopprennen aus: "Wir rechnen mit hohem Reifenverschleiß. Und in solchen Rennen sind die Unterschiede von Auto zu Auto und von Fahrer zu Fahrer meistens größer", prognostiziert Mekies einen herausfordernden Nachmittag.
"Die Fahrer müssen genau einschätzen können, wie viel sie den Reifen in verschiedenen Phasen des Rennens abverlangen können. Wir rechnen mit einem abwechslungsreichen Rennen, und wir sehen das als Chance für uns, einen weiteren Schritt in einem Bereich zu machen, in dem wir bisher manchmal Schwierigkeiten hatten."
Drittes Training: Panne beeinträchtigt Vorbereitung
Zumal Leclercs Rennvorbereitung in den Freien Trainings nicht optimal verlaufen ist. Am Freitagnachmittag waren die Longruns diesmal wegen der Tests der Pirelli-Prototypen für 2023 limitiert. Und im dritten Freien Training am Samstag konnte der Monegasse den eigentlich geplanten Longrun nicht absolvieren.
"Wir hatten einen kleinen Schnitt im Reifen", erklärt er. "Da wollten wir so kurz vor dem Qualifying kein unnötiges Risiko eingehen. Dafür bin ich im zweiten Training einen Longrun gefahren, den die anderen nicht haben, weil ich ja in FT1 nicht am Start war. Vom dritten Training haben wir vielleicht ein bisschen weniger Daten, aber ich glaube nicht, dass sich das aufs Rennen auswirken wird."
Leclerc: "Werde keine dummen Risiken eingehen"
Leclerc weiß genau, dass das Rennen für ihn "bergauf" geht, und das nicht nur den Hügel zur ersten Kurve hoch: "Ich werde alles geben und versuchen, so schnell wie möglich zur Spitze aufzuschließen. Ich werde dabei keine dummen Risiken eingehen. Aber wenn sich eine Gelegenheit bieten sollte, werde ich da sein, um sie zu nutzen."
Die Hauptgegner um den Sieg heißen Verstappen, der für die meisten Experten als Favorit gilt, und Sainz. Mekies warnt aber davor, Lewis Hamilton und George Russell, durch die Gridstrafen in die zweite Startreihe aufgerückt, außer Acht zu lassen: "Wir erwarten, dass morgen nicht nur mit Red Bull, sondern auch mit Mercedes zu rechnen ist", sagt er.