Lando Norris: "Wer sowas sagt, muss den Mund halten"
Wie McLaren-Fahrer Lando Norris den Japan-Grand-Prix 2022 in Suzuka bewertet und wie die Formel 1 seiner Meinung nach darauf reagieren muss
(Motorsport-Total.com) - Schon die Startphase beim Japan-Grand-Prix 2022 in Suzuka bezeichnet McLaren-Fahrer Lando Norris als "grenzwertig". Und er wirbt um Verständnis dafür, dass die Formel 1 nicht unter allen Bedingungen fahren kann.
"Das Schwierige ist nicht, dass es zu nass wäre, sondern dass es schwierig ist, überhaupt was zu sehen. Das sind zwei verschiedene Dinge", erklärt Norris.
Entscheidend sei auch, wie viele Autos jeweils gleichzeitig auf der Fahrbahn unterwegs seien: "Im Qualifying wären solche Bedingungen völlig in Ordnung und ich würde gerne fahren. Wenn du aber [im Rennen] an zehnter Stelle liegst im Feld und gar nichts sehen kannst ..."
TV-Bilder werden der Realität nicht gerecht
"Und man kann sagen: Im Fernsehen sah es nicht so schlimm aus. Aber wer sowas sagt, der muss seinen Mund halten. Denn das Risiko, das wir eingehen, um unter solchen Bedingungen unsere Runden zu drehen, das ist verrückt."
Man sehe als Formel-1-Fahrer bei Schlechtwetter wie in Suzuka "keine fünf, zehn Meter weit", und zwar "selbst wenn da [am Auto vor dir] ein großes Rücklicht leuchtet. Du siehst auch nicht, wenn [ein Auto] vor dir anhält. Den Crash von Carlos [Sainz] habe ich nicht gesehen. Wäre ich einen Meter weiter links gefahren, ich wäre voll in ihn reingefahren, weil man einfach nichts sieht."
Deshalb spricht sich Norris ganz klar dafür aus, "etwas zu unternehmen, damit künftig weniger Gischt entsteht", so sagt er, ohne allerdings einen konkreten Vorschlag zu machen. Er meint nur: "Dann könnten wir selbst bei schlechteren Bedingungen fahren. Das würde ich gerne machen, ich liebe solches Wetter."
"In der Formel 2, der Formel 3 und der Formel 4 sind wir bei übleren Bedingungen gefahren. Die Gischt, die [in der Formel 1] von den Reifen ausgeht, ist aber einfach zu heftig."
Was die Formel 1 falschgemacht hat
Gegen den Strich gingen Norris darüber hinaus die Ereignisse rund um die Bergung des Unfallautos von Carlos Sainz. Es sei "enttäuschend", wie die Verantwortlichen hier vorgegangen seien, meint Norris und kritisiert den Einsatz eines Bergefahrzeuges trotz fahrender Rennautos auf der Strecke.
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"Ich glaube, darüber muss ich gar nicht mehr viel sagen", erklärt er. "Dass unsere Leben aufs Spiel gesetzt wurden, ist nicht akzeptabel. Aber ich bin mir sicher, es gibt eine Lösung dafür, eine sehr einfache sogar: Lasst das einfach bleiben!"
"Es sollte kein Fahrzeug auf die Strecke gehen, solange Rennautos darauf fahren. Das ist gesunder Menschenverstand, aber nicht jeder im Büro [der Rennleitung] weiß, wie die Cockpitperspektive in der Formel 1 aussieht. Im Fernsehen sieht alles viel besser aus als hinter dem Lenkrad."
Ricciardo: Die Formel 1 hat "viel Glück" gehabt
Aus diesem Grund "müssen einige Leute ihre Entscheidungen und ihr Handeln überdenken, ganz einfach", sagt Norris. "Das nervt mich sogar noch mehr: Es müssen nur einfache Entscheidungen getroffen werden, aber es passiert trotzdem."
Deshalb glaubt Norris' McLaren-Teamkollege Daniel Ricciardo, die Formel 1 habe bei diesem Zwischenfall "sehr viel Glück" gehabt. Er selbst sei unter Bedenken an den Start gegangen: "Einerseits hatte ich Angst, andererseits hatte ich Spaß."
"Ich merkte schon in Kurve 1, dass da zu viel Wasser war. Die Sicht war zu schlecht. Da wusste ich, [die Bedingungen] sind zu mies. Ich war sicherlich nicht der einzige Fahrer, der nichts gesehen hat. Ich habe mich aber gefreut, als das Rennen weiterging. Das hatte ich nicht gedacht."
McLaren verliert wieder gegen Alpine
Doch im Rennen machte McLaren keinen Stich: Direktgegner Alpine machte in Suzuka die weitaus bessere Figur und eroberte den vierten WM-Platz wieder zurück. "Das ist nicht gut, aber keine Überraschung", meint Norris.
"Ich habe ja schon oft betont, dass sie viel schneller sind als wir. Ich habe auch keine Ahnung, warum wir noch immer mit ihnen kämpfen in der Gesamtwertung, wo sie sich doch aktuell in einer anderen Liga bewegen als wir."
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"Das zeigt aber, wir haben in anderen Bereichen sehr gut gearbeitet, unsere Leistung maximiert, keine Fehler gemacht. Wenn Alpine mit seinem Auto nur gerade so vor uns liegt, müssen sie viel schlechter gewesen sein bei manchen Dingen. Und wir versuchen weiter, den Punkteverlust auf sie gering zu halten."
Strategie sitzt nicht bei McLaren
Nach dem Doppelausfall in Singapur, als McLaren profitierte und kurzzeitig P4 übernahm, hat Alpine in Japan aber zurückgeschlagen, mit 18:1 Punkten gegenüber McLaren. Norris hat den einzelnen Zähler für das Team aus Woking erzielt. Er meint: "Ein Punkt ist besser als nichts." McLaren habe in Suzuka nicht den richtigen Speed gehabt.
Bei Ricciardo wiederum kostete ein "etwas später Reifenwechsel auf Intermediates" mögliche weitere WM-Punkte für das Team. "Aber das war im Rennen schwierig zu wissen", sagt Ricciardo.
Zum Vergleich: Die ersten Intermediate-Wechsler kamen in Runde fünf an die Box, Norris folgte in Runde sechs, Ricciardo erst in Runde acht. Das sei unterm Strich "zu konservativ" gewesen, meint Seidl, "und das hat uns aus den Punkten herausgeworfen".
"Es gibt also Dinge, die müssen wir uns anschauen und unsere Lektionen lernen. Wir hatten insgesamt Schwierigkeiten unter diesen Bedingungen."