• 24. Juli 2022 · 19:20 Uhr

Carlos Sainz über die Ferrari-Strategie: "Ein bisschen frustrierend"

Wie Carlos Sainz zur Ferrari-Strategie im Formel-1-Rennen in Le Castellet steht und was er beim vorletzten Grand Prix vor der Sommerpause anders gemacht hätte

(Motorsport-Total.com) - Ob er die Strategie bei Ferrari nachvollziehen könne, wird Mercedes-Teamchef Toto Wolff bei 'ServusTV' gefragt. Seine Antwort: "Nein, das haben wir gar nicht verstanden." Carlos Sainz erging es im Auto nicht viel anders. Denn als er sich anschickte, Red-Bull-Fahrer Sergio Perez im Frankreich-Grand-Prix 2022 in Le Castellet endlich zu überholen, beorderte ihn Ferrari an die Box.

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Carlos Sainz im Ferrari F1-75 beim Frankreich-Grand-Prix 2022 in Le Castellet Zoom Download

Sainz selbst aber nimmt seine Crew in Schutz. Die Situation im Rennen habe sich binnen kurzer Zeit komplett gedreht, so meint er: "Ich glaube, das Team hielt es für eine gute Runde für den Stopp, obwohl ich mich im Duell mit Checo befand."

"Es ist die typische Diskussion: Du befindest dich auf einer Zweistopp-Strategie und liegst auf P3 oder P4. Du versuchst durchzukommen. Das Team fragte entsprechend nach, ich erbat mir Bedenkzeit. Ich musste mir Gedanken machen über die Reifen und was kommen könnte. Am Ende sagte ich dem Team, dass ich es nicht für möglich hielt."

Als bei Sainz ein Sinneswandel einsetzte

Weil er dann aber doch noch in der Zielkurve an Perez vorbeiging, habe es plötzlich eine andere Ausgangslage gegeben. Sainz: "Ich lag auf einmal an dritter Stelle, hatte freie Fahrt. Da dachte ich mir: Jetzt sollten wir auch versuchen, unter den Top 3 anzukommen."


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Doch dieser Versuch wurde ihm vom Ferrari-Kommandostand verwehrt. Zu welchem Preis? "Vielleicht wären wir Dritter, Vierter, Fünfter oder Sechster geworden, wenn wir nicht reingekommen wären. Das Potenzial dazu war vorhanden", meint Sainz, der schließlich auf P5 ins Ziel kam.

"Ich kann mich nicht beschweren", sagt der Ferrari-Fahrer weiter. "Wir sind nach [der Rückversetzung in der Startaufstellung], einem schwierigen ersten Stint auf Hard, einem langsamen Boxenstopp und einer Zeitstrafe noch auf P5 angekommen, haben die schnellste Runde erzielt und um das Podium gekämpft."

Warum Sainz "das Positive" sieht in Le Castellet

Er habe also "ein paar Hürden" nehmen müssen in diesem Rennen. "Ich habe aber auch einen guten Eindruck von unserem Auto in Dirty-Air gekriegt und daraus gelernt. Ich sehe daher das Positive", meint Sainz.

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Denn ohne die Motorenstrafen wäre sein Wochenende in Frankreich womöglich ganz anders verlaufen, glaubt Sainz. Seine These: "Es wäre ein Rennwochenende geworden, an dem wir um die Pole und um den Sieg gekämpft hätten."

Das zeige der tatsächliche Rennverlauf mit all seinen Höhen und Tiefen, der Sainz von P19 kommend noch in die Top-5-Region nach vorne brachte. "Das ist stark, sehr gut für mich als Fahrer", sagt Sainz. "So ein Wochenende gibt mir Selbstvertrauen. Unterm Strich steht bei mir P5 mit dem Bonuspunkt für die schnellste Runde. Das nehme ich mit."

Sainz ärgert sich über Rennverlauf

Außerdem sei er stolz auf das Manöver gegen Perez, an dem er über Runden hinweg immer wieder gescheitert war: "An Checo vorbeizugehen, das war unheimlich schwierig. Der Red Bull hatte dieses Wochenende einen verrückten Topspeed. Ich musste mir eine andere Stelle einfallen lassen, um das Manöver durchzuziehen, aber es hat schließlich noch geklappt."


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Deshalb sei es "ein bisschen frustrierend, dass wir es nicht probiert haben, [mit den Reifen] durchzufahren", meint Sainz. Zwölf Runden hätte er auf gebrauchten Mediums noch absolvieren müssen.

Wäre das drin gewesen? Sainz zweifelt: "Ich denke, die Reifen waren am Limit. Ich bin mir sicher: Wenn wir die Daten der Reifen durchgehen, gibt es etwas, was das Team glauben ließ, es würde nicht bis ins Ziel reichen."

Kein Vorwurf an den Kommandostand

Dem Kommandostand mache er ausdrücklich keinen Vorwurf: "Wir müssen den Daten vertrauen, denn darauf basiert unsere Strategie. Ich bin mir sicher, das Team hatte die besten Absichten."

"Aber klar ist auch: Wenn du von hinten kommend auf P3 liegst, dann willst du natürlich nicht an die Box fahren und Zeit verlieren. Vielleicht war ich deshalb dazu bereit, mehr Risiken einzugehen. Das Team ist aber auf Nummer sicher gegangen mit den Reifen. Das verstehe ich vollkommen."

Alles Weitere werde die Nachbetrachtung in Maranello zeigen. "Das Team wird es mir erklären, denn man muss einfach verstehen: Das Team ist in der besten Position, um eine solche Entscheidung zu treffen", sagt Sainz.

Binotto verteidigt die Ferrari-Strategie

So sieht es auch Ferrari-Teamchef Mattia Binotto, der zur Entscheidung für den Boxenstopp von Sainz steht. Dieser Reifenwechsel kurz vor Rennende sei "gut und richtig" gewesen, betont er.

Binotto sagt weiter: "Carlos hat im Cockpit, glaube ich, nicht alle alles im Kopf und kennt nicht alle Informationen. Es war schwierig einzuschätzen für ihn. Ich habe aber keine Zweifel, dass wir richtig entschieden haben."

Ferrari habe zunächst versucht, den Medium-Stint von Sainz möglichst lange auszureizen. "Auch, um sicherzustellen, dass wir nicht vorschnell Entscheidungen treffen, was die Reifenhaltbarkeit angeht", meint Binotto. "Als wir alle Infos hatten, die wir gebraucht haben, war klar: Die Reifen würde nicht mehr durchhalten bis zum Ende des Rennens. So einfach war das."

Auf den Boxenstopp zu verzichten, das wäre aus Sicht Binottos "ein Risiko gewesen für die Sicherheit und die Zuverlässigkeit der Reifen", so der Ferrari-Teamchef. Sein Fazit: "Wir mussten also an die Box. Außerdem hätte Carlos' Pace wohl nicht ausgereicht, um mehr als fünf Sekunden von Perez und Russell wegzufahren, um die Zeitstrafe wettzumachen."

"Es war also richtig, den Stopp zu machen. So haben wir die schnellste Rennrunde gekriegt. Das ist ein wichtiger Punkt für das Team und auch für Carlos."

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